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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Mark für 40 Fuder Wein: Dietrich quittirte darüber, "daß er aber weder vor¬
her noch nachher sie bezahlt und daß der Probst sie niemals eingetrieben, ist
gewiß." Der Markgraf scheint die ganze Sache mehr von der humoristischen
Seite aufgefaßt zu haben. Wenigstens zeigte er bald darauf einem aus seiner
Umgebung scherzweise 60 Mark, "die habe er für die Probstei auf dem Peters¬
berge empfangen"; es kam selbst heraus, daß auch seine Gemahlin und seine
Nöthe Geschenke genommen hatten. Freilich Dietrichs Bruder, der Probst in
Merseburg, verstand als ein gelehrter und kluger Mann, der er war, alle
Vorwürfe kurz abzuweisen: "nicht die Probstei. nur die Gunst des Markgrafen
habe sein Bruder durch Geld erworben."

Was Wunder, daß bei so bewandten Umständen die Eintracht nicht in
das Kloster zurückkehren wollte. Auf die Gunst des Markgrafen pochend be¬
einträchtigte Dietrich seine Gegner wo er nur konnte, während er den Bei¬
stand seiner Anhänger durch die sträflichste Nachsicht gegen ihre Ausschweifungen
erkaufte, wodurch denn das Kloster bald in der ganzen Gegend in den übelsten
Ruf kam. Die Mönche saßen ganze Nächte hindurch beim Würfel- und Brett¬
spiel, Gäste kamen herauf, um dabei Gesellschaft zu leisten, und die Mönche
können auch nicht dürftig mit Geld versehen gewesen sein, da manche von
ihnen in einem Jahre 15, 20, ja 30 Mark verspielten. Dabei ging es mit
der Verwaltung rückwärts, der Mangel, der sogar eintrat, stimmte schlecht zu
Dietrichs frühern Versprechungen. Zuletzt artete die Zwietracht in förmliche
Thätlichkeiten aus, bei denen man sich der Steine und Knüttel bediente und
wobei die Gegner des Probstes die Verwirrung benutzten, um ein paar dem
Hospiz gehörige Pferde zu entführen. Als sie dann ins Kloster zurück wollten,
fanden sie das Thor verschlossen, sie wußten sich aber zu helfen: einer kletterte
über die Mauer, öffnete von innen und ließ die übrigen herein. ^ Nunmehr
wendeten sie sich mit einer förmlichen Beschwerdeschrift an den Markgrafen:
"der Probst habe ohne Einwilligung des Konvents Grundstücke des Klosters
verkauft, Wälder umgehauen und beim WeinverknufUnterschleif getrieben; sie
rechneten ihm nach, daß er binnen acht Jahren neben den regelmäßigen Ein¬
künften des Klosters durch den Verkauf des Weines und anderer Producte so¬
wie an geliehenen Geldern wenigstens 3650 Mark eingenommen habe und
trotzdem herrsche Mangel am Nöthigsten, so daß die Priester oft ohne Hosen
und Hemden am Altare administnren müßten."

Ehe noch die Entscheidung des fürstlichen Vogtes einlief, übte der Probst
eine neue Tücke. Er verhängte über die Theilnehmer an jenem Tumulte strenge
Strafen, und als jene sich rechtfertigen wollten, gebot er ihnen drohend Schwei¬
gen, mit der Frage, ob sie sich der Strafe ohne Weiteres unterwerfen wollten?
Auf ihre Weigerung zieht der Probst plötzlich eine hinter seinem Rücken ver¬
borgen gehaltene Stola hervor und ehe jene noch in ihrer Ueberraschung da-


Mark für 40 Fuder Wein: Dietrich quittirte darüber, „daß er aber weder vor¬
her noch nachher sie bezahlt und daß der Probst sie niemals eingetrieben, ist
gewiß." Der Markgraf scheint die ganze Sache mehr von der humoristischen
Seite aufgefaßt zu haben. Wenigstens zeigte er bald darauf einem aus seiner
Umgebung scherzweise 60 Mark, „die habe er für die Probstei auf dem Peters¬
berge empfangen"; es kam selbst heraus, daß auch seine Gemahlin und seine
Nöthe Geschenke genommen hatten. Freilich Dietrichs Bruder, der Probst in
Merseburg, verstand als ein gelehrter und kluger Mann, der er war, alle
Vorwürfe kurz abzuweisen: „nicht die Probstei. nur die Gunst des Markgrafen
habe sein Bruder durch Geld erworben."

Was Wunder, daß bei so bewandten Umständen die Eintracht nicht in
das Kloster zurückkehren wollte. Auf die Gunst des Markgrafen pochend be¬
einträchtigte Dietrich seine Gegner wo er nur konnte, während er den Bei¬
stand seiner Anhänger durch die sträflichste Nachsicht gegen ihre Ausschweifungen
erkaufte, wodurch denn das Kloster bald in der ganzen Gegend in den übelsten
Ruf kam. Die Mönche saßen ganze Nächte hindurch beim Würfel- und Brett¬
spiel, Gäste kamen herauf, um dabei Gesellschaft zu leisten, und die Mönche
können auch nicht dürftig mit Geld versehen gewesen sein, da manche von
ihnen in einem Jahre 15, 20, ja 30 Mark verspielten. Dabei ging es mit
der Verwaltung rückwärts, der Mangel, der sogar eintrat, stimmte schlecht zu
Dietrichs frühern Versprechungen. Zuletzt artete die Zwietracht in förmliche
Thätlichkeiten aus, bei denen man sich der Steine und Knüttel bediente und
wobei die Gegner des Probstes die Verwirrung benutzten, um ein paar dem
Hospiz gehörige Pferde zu entführen. Als sie dann ins Kloster zurück wollten,
fanden sie das Thor verschlossen, sie wußten sich aber zu helfen: einer kletterte
über die Mauer, öffnete von innen und ließ die übrigen herein. ^ Nunmehr
wendeten sie sich mit einer förmlichen Beschwerdeschrift an den Markgrafen:
„der Probst habe ohne Einwilligung des Konvents Grundstücke des Klosters
verkauft, Wälder umgehauen und beim WeinverknufUnterschleif getrieben; sie
rechneten ihm nach, daß er binnen acht Jahren neben den regelmäßigen Ein¬
künften des Klosters durch den Verkauf des Weines und anderer Producte so¬
wie an geliehenen Geldern wenigstens 3650 Mark eingenommen habe und
trotzdem herrsche Mangel am Nöthigsten, so daß die Priester oft ohne Hosen
und Hemden am Altare administnren müßten."

Ehe noch die Entscheidung des fürstlichen Vogtes einlief, übte der Probst
eine neue Tücke. Er verhängte über die Theilnehmer an jenem Tumulte strenge
Strafen, und als jene sich rechtfertigen wollten, gebot er ihnen drohend Schwei¬
gen, mit der Frage, ob sie sich der Strafe ohne Weiteres unterwerfen wollten?
Auf ihre Weigerung zieht der Probst plötzlich eine hinter seinem Rücken ver¬
borgen gehaltene Stola hervor und ehe jene noch in ihrer Ueberraschung da-


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[0440] Mark für 40 Fuder Wein: Dietrich quittirte darüber, „daß er aber weder vor¬ her noch nachher sie bezahlt und daß der Probst sie niemals eingetrieben, ist gewiß." Der Markgraf scheint die ganze Sache mehr von der humoristischen Seite aufgefaßt zu haben. Wenigstens zeigte er bald darauf einem aus seiner Umgebung scherzweise 60 Mark, „die habe er für die Probstei auf dem Peters¬ berge empfangen"; es kam selbst heraus, daß auch seine Gemahlin und seine Nöthe Geschenke genommen hatten. Freilich Dietrichs Bruder, der Probst in Merseburg, verstand als ein gelehrter und kluger Mann, der er war, alle Vorwürfe kurz abzuweisen: „nicht die Probstei. nur die Gunst des Markgrafen habe sein Bruder durch Geld erworben." Was Wunder, daß bei so bewandten Umständen die Eintracht nicht in das Kloster zurückkehren wollte. Auf die Gunst des Markgrafen pochend be¬ einträchtigte Dietrich seine Gegner wo er nur konnte, während er den Bei¬ stand seiner Anhänger durch die sträflichste Nachsicht gegen ihre Ausschweifungen erkaufte, wodurch denn das Kloster bald in der ganzen Gegend in den übelsten Ruf kam. Die Mönche saßen ganze Nächte hindurch beim Würfel- und Brett¬ spiel, Gäste kamen herauf, um dabei Gesellschaft zu leisten, und die Mönche können auch nicht dürftig mit Geld versehen gewesen sein, da manche von ihnen in einem Jahre 15, 20, ja 30 Mark verspielten. Dabei ging es mit der Verwaltung rückwärts, der Mangel, der sogar eintrat, stimmte schlecht zu Dietrichs frühern Versprechungen. Zuletzt artete die Zwietracht in förmliche Thätlichkeiten aus, bei denen man sich der Steine und Knüttel bediente und wobei die Gegner des Probstes die Verwirrung benutzten, um ein paar dem Hospiz gehörige Pferde zu entführen. Als sie dann ins Kloster zurück wollten, fanden sie das Thor verschlossen, sie wußten sich aber zu helfen: einer kletterte über die Mauer, öffnete von innen und ließ die übrigen herein. ^ Nunmehr wendeten sie sich mit einer förmlichen Beschwerdeschrift an den Markgrafen: „der Probst habe ohne Einwilligung des Konvents Grundstücke des Klosters verkauft, Wälder umgehauen und beim WeinverknufUnterschleif getrieben; sie rechneten ihm nach, daß er binnen acht Jahren neben den regelmäßigen Ein¬ künften des Klosters durch den Verkauf des Weines und anderer Producte so¬ wie an geliehenen Geldern wenigstens 3650 Mark eingenommen habe und trotzdem herrsche Mangel am Nöthigsten, so daß die Priester oft ohne Hosen und Hemden am Altare administnren müßten." Ehe noch die Entscheidung des fürstlichen Vogtes einlief, übte der Probst eine neue Tücke. Er verhängte über die Theilnehmer an jenem Tumulte strenge Strafen, und als jene sich rechtfertigen wollten, gebot er ihnen drohend Schwei¬ gen, mit der Frage, ob sie sich der Strafe ohne Weiteres unterwerfen wollten? Auf ihre Weigerung zieht der Probst plötzlich eine hinter seinem Rücken ver¬ borgen gehaltene Stola hervor und ehe jene noch in ihrer Ueberraschung da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/440>, abgerufen am 01.07.2024.