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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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freiwillige Demüthigung die drohende Nemesis versöhnt werden könne, als für
eine geschickt erfundene Zwangssteuer anzusehen. Sein Nachfolger zeigte eine
glänzende Freigebigkeit, wo es die Noth erheischte; aber er haßte alle un¬
nöthigen Ausgaben und hatte daher schon zu Augusts Lebzeiten die durch die
Gegengeschenke verursachte Geldverschieudcrung getadelt. Selbst zur Regierung
gelangt wich er den Gratulanten aus. indem er den Neujahrmvrgen außerhalb
der Stadt zubrachte. Später fügte er sich doch zuweilen dem Herkommen,
nahm eigenhändig die Gaben in Empfang und schenkte dafür den vierfachen
Betrag. Als er aber durch die Zudringlichkeit solcher, die ihn am Neujahr
nicht getroffen hatten oder beim Gedränge nicht ankommen konnten, beinahe
den ganzen Monat über belästigt wurde, verbot er die Fortsetzung des Ge-
schenktausches über den ersten Januar hinaus, eine Maßregel, für die ihm
gewiß viele Dank wußten. Wie unwürdig benahm sich dagegen Caligula?
Sein Tigerherz konnte überhaupt des Blutes nicht genug fließen sehen, und
seine lewige Geldverlegenheit, eine Folge unsinniger Verschwendung, reizte
ihn leicht zum Morde reicher Leute, deren einziges Verbrechen dann ihr Ver¬
mögen war. Als endlich auch sein Versuch, aus Auripigment Gold zu machen,
fehlgeschlagen war, erniedrigte er sich soweit, daß er förmlich bekannt machte,
er werde am Neujahrstage die Sirenen in Empfang nehmen, und ließ wirt¬
lich im Vorhofe des Palastes stehend dieselben vor sich niederlegen. Daß
seinem Winke von Jedermann Folge geleistet wurde, und daß diese Pcters-
pfennige nicht blos aus abgeführten Assen bestanden, sieht man aus Sueton,
der darüber berichtet, es hätten alle Stände "mit vollen Händen.und Schößen"
gespendet! Von einer Gegengabe schweigt der Biograph. Selbst während
seiner Abwesenheit bezeigte der Senat dem leeren Sessel des Kaisers im ca-
pitolinischen Tempel seine Reverenz und legte das Neujahrsgeld vor demselben
nieder. Claudius machte diesen Erpressungen ein Ende und verbat sich alle
Ncujahrsgeschenke, ohne jedoch die Sitte selbst aufzuheben. Von dieser Zeit
ab erwähnen die Schriftsteller lange nichts von der Bcschcnkung der Kaiser,
und erst im vierten Jahrhunderte, unter den Briefen des Symmachus findet
sich ein Gratuiationsschreiben um die Cäsaren Valentinian den Zweiten und
Theodosius, nebst dem der Verfasser als Stadtpräfect im Namen des Nichter-
standes "die üblichen Opserschaalen mit je fünf Goldstücken" übersandte.
Wahrscheinlich bestanden diese Schaalen schon aus dem Pfund Gold, dessen
Darbringung mit den "probehaltiger Goldstücken" ein Gesetz der Kaiser Ho-
norius und Arkadius später gnädig gestattete. Erst der oströmische Kaiser Leo
der Erste hob dieses Angebinde auf. Dagegen dauerten auch die früher üb¬
lichen Gegengeschenke von Seiten der Kaiser fort, namentlich an die kaiserlichen
Beamten, für welche sie eine Art Besoldungstheil waren. So verschaffte unter
Gratian der Dichter Ausonius einem Freunde, der bei der Austheilung vergessen


freiwillige Demüthigung die drohende Nemesis versöhnt werden könne, als für
eine geschickt erfundene Zwangssteuer anzusehen. Sein Nachfolger zeigte eine
glänzende Freigebigkeit, wo es die Noth erheischte; aber er haßte alle un¬
nöthigen Ausgaben und hatte daher schon zu Augusts Lebzeiten die durch die
Gegengeschenke verursachte Geldverschieudcrung getadelt. Selbst zur Regierung
gelangt wich er den Gratulanten aus. indem er den Neujahrmvrgen außerhalb
der Stadt zubrachte. Später fügte er sich doch zuweilen dem Herkommen,
nahm eigenhändig die Gaben in Empfang und schenkte dafür den vierfachen
Betrag. Als er aber durch die Zudringlichkeit solcher, die ihn am Neujahr
nicht getroffen hatten oder beim Gedränge nicht ankommen konnten, beinahe
den ganzen Monat über belästigt wurde, verbot er die Fortsetzung des Ge-
schenktausches über den ersten Januar hinaus, eine Maßregel, für die ihm
gewiß viele Dank wußten. Wie unwürdig benahm sich dagegen Caligula?
Sein Tigerherz konnte überhaupt des Blutes nicht genug fließen sehen, und
seine lewige Geldverlegenheit, eine Folge unsinniger Verschwendung, reizte
ihn leicht zum Morde reicher Leute, deren einziges Verbrechen dann ihr Ver¬
mögen war. Als endlich auch sein Versuch, aus Auripigment Gold zu machen,
fehlgeschlagen war, erniedrigte er sich soweit, daß er förmlich bekannt machte,
er werde am Neujahrstage die Sirenen in Empfang nehmen, und ließ wirt¬
lich im Vorhofe des Palastes stehend dieselben vor sich niederlegen. Daß
seinem Winke von Jedermann Folge geleistet wurde, und daß diese Pcters-
pfennige nicht blos aus abgeführten Assen bestanden, sieht man aus Sueton,
der darüber berichtet, es hätten alle Stände „mit vollen Händen.und Schößen"
gespendet! Von einer Gegengabe schweigt der Biograph. Selbst während
seiner Abwesenheit bezeigte der Senat dem leeren Sessel des Kaisers im ca-
pitolinischen Tempel seine Reverenz und legte das Neujahrsgeld vor demselben
nieder. Claudius machte diesen Erpressungen ein Ende und verbat sich alle
Ncujahrsgeschenke, ohne jedoch die Sitte selbst aufzuheben. Von dieser Zeit
ab erwähnen die Schriftsteller lange nichts von der Bcschcnkung der Kaiser,
und erst im vierten Jahrhunderte, unter den Briefen des Symmachus findet
sich ein Gratuiationsschreiben um die Cäsaren Valentinian den Zweiten und
Theodosius, nebst dem der Verfasser als Stadtpräfect im Namen des Nichter-
standes „die üblichen Opserschaalen mit je fünf Goldstücken" übersandte.
Wahrscheinlich bestanden diese Schaalen schon aus dem Pfund Gold, dessen
Darbringung mit den „probehaltiger Goldstücken" ein Gesetz der Kaiser Ho-
norius und Arkadius später gnädig gestattete. Erst der oströmische Kaiser Leo
der Erste hob dieses Angebinde auf. Dagegen dauerten auch die früher üb¬
lichen Gegengeschenke von Seiten der Kaiser fort, namentlich an die kaiserlichen
Beamten, für welche sie eine Art Besoldungstheil waren. So verschaffte unter
Gratian der Dichter Ausonius einem Freunde, der bei der Austheilung vergessen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/44>, abgerufen am 22.07.2024.