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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Leinwandbudcn außerdem die verschiedensten Gegenstände; alle Arten von Eß-
Waaren und Leckerbissen in Gemüsen, Fleisch und Fischen, kostbare Gefäße und
Bijouteriewaaren. Zeuge und fertige Kleider, Toilcttengegcnstände. elegante
Möbeln, kurze Waaren jeder Art. Waffen. Gemälde und sogar Bücher. Wir
besitzen noch ein reiches Verzeichnis) solcher Sächelchen im dreizehnten und vier¬
zehnten Buche der Epigramme Martials unter dem Titel Xenia und^Apopho-
reta. Jener Name bezeichnet ursprünglich Geschenke an Lebensmitteln, die
man dem Gastfreunde, welchem bei den Alten eigentlich nur Wohnung ge¬
währt wurde, zuschickte; dieser' Victualien- oder Luxusartikel, die bei Gast¬
mahlen in Rom den Gästen in der mitgebrachten Serviette mit nach Hause
gegeben wurden. Beider Bezeichnungen bediente sich der Dichter für seine
Distichen (zweizeilige Gedichtchen) die er als passende Devisen oder Ueber-
schnften für alle nur erdenklichen Geschenke verfertigte. Die 124 Xenien koste¬
ten bei Tryphon, dem Verleger, fünf Silbergroschen. und Martial meint scher¬
zend, der Buchhändler gewinne doch dabei fünfzig Procent. Es kam auch vor.
daß man eine Karte mit einer solchen Devise und dem Namen eines ver-
schenkbaren Gegenstandes beschrieben, allein übersandte; doch wird dies blos
unter guten Freunden als eine an unsere Neujahrskarten erinnernde Fopperei
stattgefunden haben, oder aus dem Grunde, welchen Martial selbst angibt;

Senden auch kannst Du dem Freund die Disticha statt des Geschenkes,
Wenn Dir so dünn, wie mir ist in der Börse das Geld.

Bei der Allgemeinheit der Sitte scheuten sich auch die Kaiser nicht vom
römischen Volke am Neujahrstage Geldgeschenke anzunehmen. Unter Augusts
Regierung scheinen anfangs alle Stände in Folge eines für die Gesundheit
des Kaisers geleisteten Gelübdes eine Collecte veranstaltet zu haben. Un-
gefähr in der Mitte des Forums lag ein eingefriedigter Platz mit einer drum-
"markigen Vertiefung, der sogenannte See des Curtius. wo einst ein tief
klaffender Schlund sich über dem edelsten Gute Roms, dem hochherzigen Jüng¬
linge M. Curtius, der sich in voller Rüstung auf glänzend geschmücktem Rosse
hinabstürzte, geschlossen haben sollte. Offenbar zur Nachahmung dieses
Opfers warf jeder dorthin für den Kaiser ein Geldstück, gewöhnlich einen Aß.
Später machte man ihm am ersten Januar auf dem Kapitale bald kleinere
bald größere Geschenke, die er persönlich in Empfang nahm. Augustus hütete
sich Wohl, diesen Sammlungen den Schein von Erpressungen zu geben und
verwendete die eingegangenen Summen zur Stiftung öffentlicher Kunstwerke.
Noch heute befindet sich zu Rom eine Marmorinschrift zu einem dem Vulcan
geweihten Denkmale, das er von dem am Neujahrstag des Jahres 9 n. Chr.
^'gekommenen Gelde hatte errichten lassen. Auch daß er nach den Berichten
der Biographen in Folge eines Traums an einem bestimmten Tage den
Bettler vor dem Volke spielte, ist eher aus dem Glauben zu erklären, daß durch


Kmijbotcu I. 1801, >>

Leinwandbudcn außerdem die verschiedensten Gegenstände; alle Arten von Eß-
Waaren und Leckerbissen in Gemüsen, Fleisch und Fischen, kostbare Gefäße und
Bijouteriewaaren. Zeuge und fertige Kleider, Toilcttengegcnstände. elegante
Möbeln, kurze Waaren jeder Art. Waffen. Gemälde und sogar Bücher. Wir
besitzen noch ein reiches Verzeichnis) solcher Sächelchen im dreizehnten und vier¬
zehnten Buche der Epigramme Martials unter dem Titel Xenia und^Apopho-
reta. Jener Name bezeichnet ursprünglich Geschenke an Lebensmitteln, die
man dem Gastfreunde, welchem bei den Alten eigentlich nur Wohnung ge¬
währt wurde, zuschickte; dieser' Victualien- oder Luxusartikel, die bei Gast¬
mahlen in Rom den Gästen in der mitgebrachten Serviette mit nach Hause
gegeben wurden. Beider Bezeichnungen bediente sich der Dichter für seine
Distichen (zweizeilige Gedichtchen) die er als passende Devisen oder Ueber-
schnften für alle nur erdenklichen Geschenke verfertigte. Die 124 Xenien koste¬
ten bei Tryphon, dem Verleger, fünf Silbergroschen. und Martial meint scher¬
zend, der Buchhändler gewinne doch dabei fünfzig Procent. Es kam auch vor.
daß man eine Karte mit einer solchen Devise und dem Namen eines ver-
schenkbaren Gegenstandes beschrieben, allein übersandte; doch wird dies blos
unter guten Freunden als eine an unsere Neujahrskarten erinnernde Fopperei
stattgefunden haben, oder aus dem Grunde, welchen Martial selbst angibt;

Senden auch kannst Du dem Freund die Disticha statt des Geschenkes,
Wenn Dir so dünn, wie mir ist in der Börse das Geld.

Bei der Allgemeinheit der Sitte scheuten sich auch die Kaiser nicht vom
römischen Volke am Neujahrstage Geldgeschenke anzunehmen. Unter Augusts
Regierung scheinen anfangs alle Stände in Folge eines für die Gesundheit
des Kaisers geleisteten Gelübdes eine Collecte veranstaltet zu haben. Un-
gefähr in der Mitte des Forums lag ein eingefriedigter Platz mit einer drum-
»markigen Vertiefung, der sogenannte See des Curtius. wo einst ein tief
klaffender Schlund sich über dem edelsten Gute Roms, dem hochherzigen Jüng¬
linge M. Curtius, der sich in voller Rüstung auf glänzend geschmücktem Rosse
hinabstürzte, geschlossen haben sollte. Offenbar zur Nachahmung dieses
Opfers warf jeder dorthin für den Kaiser ein Geldstück, gewöhnlich einen Aß.
Später machte man ihm am ersten Januar auf dem Kapitale bald kleinere
bald größere Geschenke, die er persönlich in Empfang nahm. Augustus hütete
sich Wohl, diesen Sammlungen den Schein von Erpressungen zu geben und
verwendete die eingegangenen Summen zur Stiftung öffentlicher Kunstwerke.
Noch heute befindet sich zu Rom eine Marmorinschrift zu einem dem Vulcan
geweihten Denkmale, das er von dem am Neujahrstag des Jahres 9 n. Chr.
^'gekommenen Gelde hatte errichten lassen. Auch daß er nach den Berichten
der Biographen in Folge eines Traums an einem bestimmten Tage den
Bettler vor dem Volke spielte, ist eher aus dem Glauben zu erklären, daß durch


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[0043] Leinwandbudcn außerdem die verschiedensten Gegenstände; alle Arten von Eß- Waaren und Leckerbissen in Gemüsen, Fleisch und Fischen, kostbare Gefäße und Bijouteriewaaren. Zeuge und fertige Kleider, Toilcttengegcnstände. elegante Möbeln, kurze Waaren jeder Art. Waffen. Gemälde und sogar Bücher. Wir besitzen noch ein reiches Verzeichnis) solcher Sächelchen im dreizehnten und vier¬ zehnten Buche der Epigramme Martials unter dem Titel Xenia und^Apopho- reta. Jener Name bezeichnet ursprünglich Geschenke an Lebensmitteln, die man dem Gastfreunde, welchem bei den Alten eigentlich nur Wohnung ge¬ währt wurde, zuschickte; dieser' Victualien- oder Luxusartikel, die bei Gast¬ mahlen in Rom den Gästen in der mitgebrachten Serviette mit nach Hause gegeben wurden. Beider Bezeichnungen bediente sich der Dichter für seine Distichen (zweizeilige Gedichtchen) die er als passende Devisen oder Ueber- schnften für alle nur erdenklichen Geschenke verfertigte. Die 124 Xenien koste¬ ten bei Tryphon, dem Verleger, fünf Silbergroschen. und Martial meint scher¬ zend, der Buchhändler gewinne doch dabei fünfzig Procent. Es kam auch vor. daß man eine Karte mit einer solchen Devise und dem Namen eines ver- schenkbaren Gegenstandes beschrieben, allein übersandte; doch wird dies blos unter guten Freunden als eine an unsere Neujahrskarten erinnernde Fopperei stattgefunden haben, oder aus dem Grunde, welchen Martial selbst angibt; Senden auch kannst Du dem Freund die Disticha statt des Geschenkes, Wenn Dir so dünn, wie mir ist in der Börse das Geld. Bei der Allgemeinheit der Sitte scheuten sich auch die Kaiser nicht vom römischen Volke am Neujahrstage Geldgeschenke anzunehmen. Unter Augusts Regierung scheinen anfangs alle Stände in Folge eines für die Gesundheit des Kaisers geleisteten Gelübdes eine Collecte veranstaltet zu haben. Un- gefähr in der Mitte des Forums lag ein eingefriedigter Platz mit einer drum- »markigen Vertiefung, der sogenannte See des Curtius. wo einst ein tief klaffender Schlund sich über dem edelsten Gute Roms, dem hochherzigen Jüng¬ linge M. Curtius, der sich in voller Rüstung auf glänzend geschmücktem Rosse hinabstürzte, geschlossen haben sollte. Offenbar zur Nachahmung dieses Opfers warf jeder dorthin für den Kaiser ein Geldstück, gewöhnlich einen Aß. Später machte man ihm am ersten Januar auf dem Kapitale bald kleinere bald größere Geschenke, die er persönlich in Empfang nahm. Augustus hütete sich Wohl, diesen Sammlungen den Schein von Erpressungen zu geben und verwendete die eingegangenen Summen zur Stiftung öffentlicher Kunstwerke. Noch heute befindet sich zu Rom eine Marmorinschrift zu einem dem Vulcan geweihten Denkmale, das er von dem am Neujahrstag des Jahres 9 n. Chr. ^'gekommenen Gelde hatte errichten lassen. Auch daß er nach den Berichten der Biographen in Folge eines Traums an einem bestimmten Tage den Bettler vor dem Volke spielte, ist eher aus dem Glauben zu erklären, daß durch Kmijbotcu I. 1801, >>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/43>, abgerufen am 23.07.2024.