risse beider Städte sich in einigen Beziehungen gleichen und daß vor beiden kleine befestigte Inseln liegen. Im Uebrigen ist der Contrast größer als die Uebereinstimmung: die Umgebung von Neuyork ist hügelig, anmuthig und unendlich verschieden, die von Charleston flach, interesselos und einförmig, und der Cooper- und der Ashley-River sind mit dem Hudson und dem mäch¬ tigen East-River so wenig zu vergleichen, wie die Ausdehnung und Ein¬ wohnerzahl Charlestons mit der Riesenstadt auf der Manhattaninsel.
Charleston ist mie alle großen Städte Nordamerikas im Schachbretstyl gebaut. Querstraßen über die flache Landzunge von Fluß zu Fluß laufend, schneiden im rechten Winkel und in genauen Abständen von einander lang¬ gestreckte Hauptstraßen, die sich von Süden nach Norden hinaufziehen. Das Ganze gewährt einen angenehmen, aber keineswegs großartigen Anblick. Bei ihrer flachen Lage sieht die Stadt, von der Bucht aus betrachtet, wie ein Mensch aus, der bis unter die Arme im Wasser steht, und sehr oft ereignet es sich, daß Überschwemmungen, ganze Stadtheile unter Wasser setzend, den Schein zur Wirklichkeit werden lassen. Das Innere unterscheidet sich sehr wesentlich von den großen Städten des Nordens, indem die Architektur hier vor Allem von dem Bestreben geleitet wird, den Unbequemlichkeiten des heißen Klimas entgegenzuarbeiten. Die meisten Straßen sind weniger breit als in andern Orten. Bedeutende Plätze fehlen ganz. Nur die Minderzahl der Häuser ist von Backsteinen erbaut. Fast alle Privatwohnungen sind hölzerne, nicht sehr hohe Gebäude, die meist blendend weiß angestrichen, mit luftigen, zierlichen Veranden und grünen Sommerladcn versehen und mit üppig wuchernden Schlingpflanzen bewachsen sind. So nimmt sich die Stadt mit Ausnahme der Geschäfts¬ straßen mehr wie ein großes Dorf oder wie eine jener anmuthigen Kleinstädte im Innern von Pennsylvanien und den Neuenglcmdsstaatcn aus. Von grö¬ ßeren Gebäuden sind nur das Zollhaus, ein gewaltiger mit weißem Marmor bekleideter Bau, erst im vorigen Jahr, und zwar mit einem Kostenaufwand von fast zwei Millionen Dollars vollendet, die Cityhall und die Börse, die> aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammen, und einige Hotels zu nen¬ nen, welche letztere an Eleganz und Comfort denen von Neuyork nicht nach¬ stehen.
Unter die gesunden Orte ist Chcirlcston nicht zu rechnen, indeß ist es, da die Nähe des Meeres die Atmosphäre von den Fieberdünsten reinigt, welche dem Boden weiter im Innern entsteigen, wenigstens gesünder gelegen, als der größte Theil des unmittelbar daran grenzenden Landes. Die Eingebornen werden nur selten Opfer der giftigen Fieber, denen der Fremde hier ausge¬ setzt ist. aber ihr Aeußeres macht den Eindruck, als wären sie alle vor Kurzem sehr krank gewesen und befänden sich jetzt im Stadium langsamer Genesung- Häufig begegnet man frühzeitig gealterten, selten nur wirklich alten Leuten.
risse beider Städte sich in einigen Beziehungen gleichen und daß vor beiden kleine befestigte Inseln liegen. Im Uebrigen ist der Contrast größer als die Uebereinstimmung: die Umgebung von Neuyork ist hügelig, anmuthig und unendlich verschieden, die von Charleston flach, interesselos und einförmig, und der Cooper- und der Ashley-River sind mit dem Hudson und dem mäch¬ tigen East-River so wenig zu vergleichen, wie die Ausdehnung und Ein¬ wohnerzahl Charlestons mit der Riesenstadt auf der Manhattaninsel.
Charleston ist mie alle großen Städte Nordamerikas im Schachbretstyl gebaut. Querstraßen über die flache Landzunge von Fluß zu Fluß laufend, schneiden im rechten Winkel und in genauen Abständen von einander lang¬ gestreckte Hauptstraßen, die sich von Süden nach Norden hinaufziehen. Das Ganze gewährt einen angenehmen, aber keineswegs großartigen Anblick. Bei ihrer flachen Lage sieht die Stadt, von der Bucht aus betrachtet, wie ein Mensch aus, der bis unter die Arme im Wasser steht, und sehr oft ereignet es sich, daß Überschwemmungen, ganze Stadtheile unter Wasser setzend, den Schein zur Wirklichkeit werden lassen. Das Innere unterscheidet sich sehr wesentlich von den großen Städten des Nordens, indem die Architektur hier vor Allem von dem Bestreben geleitet wird, den Unbequemlichkeiten des heißen Klimas entgegenzuarbeiten. Die meisten Straßen sind weniger breit als in andern Orten. Bedeutende Plätze fehlen ganz. Nur die Minderzahl der Häuser ist von Backsteinen erbaut. Fast alle Privatwohnungen sind hölzerne, nicht sehr hohe Gebäude, die meist blendend weiß angestrichen, mit luftigen, zierlichen Veranden und grünen Sommerladcn versehen und mit üppig wuchernden Schlingpflanzen bewachsen sind. So nimmt sich die Stadt mit Ausnahme der Geschäfts¬ straßen mehr wie ein großes Dorf oder wie eine jener anmuthigen Kleinstädte im Innern von Pennsylvanien und den Neuenglcmdsstaatcn aus. Von grö¬ ßeren Gebäuden sind nur das Zollhaus, ein gewaltiger mit weißem Marmor bekleideter Bau, erst im vorigen Jahr, und zwar mit einem Kostenaufwand von fast zwei Millionen Dollars vollendet, die Cityhall und die Börse, die> aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammen, und einige Hotels zu nen¬ nen, welche letztere an Eleganz und Comfort denen von Neuyork nicht nach¬ stehen.
Unter die gesunden Orte ist Chcirlcston nicht zu rechnen, indeß ist es, da die Nähe des Meeres die Atmosphäre von den Fieberdünsten reinigt, welche dem Boden weiter im Innern entsteigen, wenigstens gesünder gelegen, als der größte Theil des unmittelbar daran grenzenden Landes. Die Eingebornen werden nur selten Opfer der giftigen Fieber, denen der Fremde hier ausge¬ setzt ist. aber ihr Aeußeres macht den Eindruck, als wären sie alle vor Kurzem sehr krank gewesen und befänden sich jetzt im Stadium langsamer Genesung- Häufig begegnet man frühzeitig gealterten, selten nur wirklich alten Leuten.
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0424"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111318"/><pxml:id="ID_1411"prev="#ID_1410"> risse beider Städte sich in einigen Beziehungen gleichen und daß vor beiden<lb/>
kleine befestigte Inseln liegen. Im Uebrigen ist der Contrast größer als die<lb/>
Uebereinstimmung: die Umgebung von Neuyork ist hügelig, anmuthig und<lb/>
unendlich verschieden, die von Charleston flach, interesselos und einförmig,<lb/>
und der Cooper- und der Ashley-River sind mit dem Hudson und dem mäch¬<lb/>
tigen East-River so wenig zu vergleichen, wie die Ausdehnung und Ein¬<lb/>
wohnerzahl Charlestons mit der Riesenstadt auf der Manhattaninsel.</p><lb/><pxml:id="ID_1412"> Charleston ist mie alle großen Städte Nordamerikas im Schachbretstyl<lb/>
gebaut. Querstraßen über die flache Landzunge von Fluß zu Fluß laufend,<lb/>
schneiden im rechten Winkel und in genauen Abständen von einander lang¬<lb/>
gestreckte Hauptstraßen, die sich von Süden nach Norden hinaufziehen. Das<lb/>
Ganze gewährt einen angenehmen, aber keineswegs großartigen Anblick. Bei<lb/>
ihrer flachen Lage sieht die Stadt, von der Bucht aus betrachtet, wie ein Mensch<lb/>
aus, der bis unter die Arme im Wasser steht, und sehr oft ereignet es sich,<lb/>
daß Überschwemmungen, ganze Stadtheile unter Wasser setzend, den Schein<lb/>
zur Wirklichkeit werden lassen. Das Innere unterscheidet sich sehr wesentlich<lb/>
von den großen Städten des Nordens, indem die Architektur hier vor Allem<lb/>
von dem Bestreben geleitet wird, den Unbequemlichkeiten des heißen Klimas<lb/>
entgegenzuarbeiten. Die meisten Straßen sind weniger breit als in andern Orten.<lb/>
Bedeutende Plätze fehlen ganz. Nur die Minderzahl der Häuser ist von Backsteinen<lb/>
erbaut. Fast alle Privatwohnungen sind hölzerne, nicht sehr hohe Gebäude,<lb/>
die meist blendend weiß angestrichen, mit luftigen, zierlichen Veranden und<lb/>
grünen Sommerladcn versehen und mit üppig wuchernden Schlingpflanzen<lb/>
bewachsen sind. So nimmt sich die Stadt mit Ausnahme der Geschäfts¬<lb/>
straßen mehr wie ein großes Dorf oder wie eine jener anmuthigen Kleinstädte<lb/>
im Innern von Pennsylvanien und den Neuenglcmdsstaatcn aus. Von grö¬<lb/>
ßeren Gebäuden sind nur das Zollhaus, ein gewaltiger mit weißem Marmor<lb/>
bekleideter Bau, erst im vorigen Jahr, und zwar mit einem Kostenaufwand<lb/>
von fast zwei Millionen Dollars vollendet, die Cityhall und die Börse, die><lb/>
aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammen, und einige Hotels zu nen¬<lb/>
nen, welche letztere an Eleganz und Comfort denen von Neuyork nicht nach¬<lb/>
stehen.</p><lb/><pxml:id="ID_1413"next="#ID_1414"> Unter die gesunden Orte ist Chcirlcston nicht zu rechnen, indeß ist es, da<lb/>
die Nähe des Meeres die Atmosphäre von den Fieberdünsten reinigt, welche<lb/>
dem Boden weiter im Innern entsteigen, wenigstens gesünder gelegen, als<lb/>
der größte Theil des unmittelbar daran grenzenden Landes. Die Eingebornen<lb/>
werden nur selten Opfer der giftigen Fieber, denen der Fremde hier ausge¬<lb/>
setzt ist. aber ihr Aeußeres macht den Eindruck, als wären sie alle vor Kurzem<lb/>
sehr krank gewesen und befänden sich jetzt im Stadium langsamer Genesung-<lb/>
Häufig begegnet man frühzeitig gealterten, selten nur wirklich alten Leuten.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0424]
risse beider Städte sich in einigen Beziehungen gleichen und daß vor beiden
kleine befestigte Inseln liegen. Im Uebrigen ist der Contrast größer als die
Uebereinstimmung: die Umgebung von Neuyork ist hügelig, anmuthig und
unendlich verschieden, die von Charleston flach, interesselos und einförmig,
und der Cooper- und der Ashley-River sind mit dem Hudson und dem mäch¬
tigen East-River so wenig zu vergleichen, wie die Ausdehnung und Ein¬
wohnerzahl Charlestons mit der Riesenstadt auf der Manhattaninsel.
Charleston ist mie alle großen Städte Nordamerikas im Schachbretstyl
gebaut. Querstraßen über die flache Landzunge von Fluß zu Fluß laufend,
schneiden im rechten Winkel und in genauen Abständen von einander lang¬
gestreckte Hauptstraßen, die sich von Süden nach Norden hinaufziehen. Das
Ganze gewährt einen angenehmen, aber keineswegs großartigen Anblick. Bei
ihrer flachen Lage sieht die Stadt, von der Bucht aus betrachtet, wie ein Mensch
aus, der bis unter die Arme im Wasser steht, und sehr oft ereignet es sich,
daß Überschwemmungen, ganze Stadtheile unter Wasser setzend, den Schein
zur Wirklichkeit werden lassen. Das Innere unterscheidet sich sehr wesentlich
von den großen Städten des Nordens, indem die Architektur hier vor Allem
von dem Bestreben geleitet wird, den Unbequemlichkeiten des heißen Klimas
entgegenzuarbeiten. Die meisten Straßen sind weniger breit als in andern Orten.
Bedeutende Plätze fehlen ganz. Nur die Minderzahl der Häuser ist von Backsteinen
erbaut. Fast alle Privatwohnungen sind hölzerne, nicht sehr hohe Gebäude,
die meist blendend weiß angestrichen, mit luftigen, zierlichen Veranden und
grünen Sommerladcn versehen und mit üppig wuchernden Schlingpflanzen
bewachsen sind. So nimmt sich die Stadt mit Ausnahme der Geschäfts¬
straßen mehr wie ein großes Dorf oder wie eine jener anmuthigen Kleinstädte
im Innern von Pennsylvanien und den Neuenglcmdsstaatcn aus. Von grö¬
ßeren Gebäuden sind nur das Zollhaus, ein gewaltiger mit weißem Marmor
bekleideter Bau, erst im vorigen Jahr, und zwar mit einem Kostenaufwand
von fast zwei Millionen Dollars vollendet, die Cityhall und die Börse, die>
aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammen, und einige Hotels zu nen¬
nen, welche letztere an Eleganz und Comfort denen von Neuyork nicht nach¬
stehen.
Unter die gesunden Orte ist Chcirlcston nicht zu rechnen, indeß ist es, da
die Nähe des Meeres die Atmosphäre von den Fieberdünsten reinigt, welche
dem Boden weiter im Innern entsteigen, wenigstens gesünder gelegen, als
der größte Theil des unmittelbar daran grenzenden Landes. Die Eingebornen
werden nur selten Opfer der giftigen Fieber, denen der Fremde hier ausge¬
setzt ist. aber ihr Aeußeres macht den Eindruck, als wären sie alle vor Kurzem
sehr krank gewesen und befänden sich jetzt im Stadium langsamer Genesung-
Häufig begegnet man frühzeitig gealterten, selten nur wirklich alten Leuten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/424>, abgerufen am 25.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.