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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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die Kutte an, und vertauschte das Schwert mit dem Scapulier, gewiß, dach
einen gottseliger Beschluß die im übrigen Leben verdienten Höllenstrafen der
Ewigkeit abkaufen zu können. Ja der abenteuerliche Kriegsgefährte Kaiser
Heinrichs des Vierten, -Graf Wiprecht von Groitzsch. half nebst seinen Rittern
eigenhändig bei dem Bau des von ihm gestifteten Klosters Pegau. in welchem
er seine Tage beschließen und, angethan mit dem Büßerhemd, die Auferstehung
erwarten sollte. Könige und Fürsten überboten sich im Eifer, immer neue
Kloster zu stiften, und so stieg ihre Zahl zu einer unglaublichen Menge. Zu
der Zeit Markgraf Heinrichs des Erlauchten von Meißen gab es in den wet-
tinischcn Ländern 90 Klöster für Mönche und 60 für Nonnen und zu Anfang
des 15. Jahrhunderts zählte man im ganzen Abendlande, was uns fast un¬
glaublich klingt, 15,107 vollständig organisirte Mönchskloster, wobei also die
für Nonnen bestimmten noch nicht eingerechnet sind.

Geben schon diese Zahlen uns eine Vorstellung von der Bedeutung, welche
die Klöster im Mittelalter hatten, so steigert sich dieselbe noch wesentlich,
wenn wir des unermeßlichen Reichthums denken, der sich in ihren Händen
anhäufte. Denn wenn auch jeder Klosterbewohner bei seinem Eintritt das'
Gelübde persönlicher Armuth ablegen mußte, so war es doch dem Kloster als
solchem unverwehrt, Besitz ohne alle Einschränkung zu erwerben. Der Stifter
eines Klosters übernahm die natürliche Verpflichtung, auch für den Unterhalt
der darin Gott dienenden Brüder und Schwestern zu sorgen, und dies um so
lieber, da ja jedes Geschenk an die Kirche sich in jenem Leben reichlich ver¬
zinste und eine Stufe auf der Leiter zur ewigen Seligkeit war. Bald gingen
ganze Dörfer und Felder, bald einzelne Grundstücke, Hufen. Wälder, Wiesen,
Mühlen, oder Hörige und Vasallen in den Besitz der Klöster über. Das Kloster
Reinhardsbrunn in Thüringen, ein wohlhabendes, aber noch keines der reichsten,
bezog aus seinen Gütern 1000 Malter Waizen und Gerste. Selten verrin¬
gerte sich dieses Besitzthum, in den bei weitem meisten Fällen schwoll es durch
die Freigebigkeit gläubiger Seelen mehr und mehr, zumal da Alles geschah,
um den Klöstern ihre Erwerbungen auf jede mögliche Weise zu erleichtern. So
wurde mehreren unter ihnen von den Kaisern sogar das Recht zugestanden,
Reichsgut von jeder freien Person ohne kaiserliche Einwilligung zu acquiriren.
Einzelne Stifter brachten nach und nach einen wahrhaft fürstlichen Grundbesitz
zusammen; das reichste in Deutschland war die Abtei Se. Mazimin bei Trier,
von deren Vermögen wir uns daraus eine Vorstellung machen können, daß
es durch Kaiser Heinrich den Zweiten genöthigt wurde, ihm 6656 Hufen, das
ist über 200000 preußische Morgen Landes abzutreten. Man konnte daher
im 15. Jahrhundert wol mit Recht sagen, daß der h. Benedict den dritten Theil
der Christenheit besitze. Zu diesem Besitz an liegenden Gründen kam aber
noch eine Unzahl von Einkünften der verschiedensten Art, von Privilegien und


die Kutte an, und vertauschte das Schwert mit dem Scapulier, gewiß, dach
einen gottseliger Beschluß die im übrigen Leben verdienten Höllenstrafen der
Ewigkeit abkaufen zu können. Ja der abenteuerliche Kriegsgefährte Kaiser
Heinrichs des Vierten, -Graf Wiprecht von Groitzsch. half nebst seinen Rittern
eigenhändig bei dem Bau des von ihm gestifteten Klosters Pegau. in welchem
er seine Tage beschließen und, angethan mit dem Büßerhemd, die Auferstehung
erwarten sollte. Könige und Fürsten überboten sich im Eifer, immer neue
Kloster zu stiften, und so stieg ihre Zahl zu einer unglaublichen Menge. Zu
der Zeit Markgraf Heinrichs des Erlauchten von Meißen gab es in den wet-
tinischcn Ländern 90 Klöster für Mönche und 60 für Nonnen und zu Anfang
des 15. Jahrhunderts zählte man im ganzen Abendlande, was uns fast un¬
glaublich klingt, 15,107 vollständig organisirte Mönchskloster, wobei also die
für Nonnen bestimmten noch nicht eingerechnet sind.

Geben schon diese Zahlen uns eine Vorstellung von der Bedeutung, welche
die Klöster im Mittelalter hatten, so steigert sich dieselbe noch wesentlich,
wenn wir des unermeßlichen Reichthums denken, der sich in ihren Händen
anhäufte. Denn wenn auch jeder Klosterbewohner bei seinem Eintritt das'
Gelübde persönlicher Armuth ablegen mußte, so war es doch dem Kloster als
solchem unverwehrt, Besitz ohne alle Einschränkung zu erwerben. Der Stifter
eines Klosters übernahm die natürliche Verpflichtung, auch für den Unterhalt
der darin Gott dienenden Brüder und Schwestern zu sorgen, und dies um so
lieber, da ja jedes Geschenk an die Kirche sich in jenem Leben reichlich ver¬
zinste und eine Stufe auf der Leiter zur ewigen Seligkeit war. Bald gingen
ganze Dörfer und Felder, bald einzelne Grundstücke, Hufen. Wälder, Wiesen,
Mühlen, oder Hörige und Vasallen in den Besitz der Klöster über. Das Kloster
Reinhardsbrunn in Thüringen, ein wohlhabendes, aber noch keines der reichsten,
bezog aus seinen Gütern 1000 Malter Waizen und Gerste. Selten verrin¬
gerte sich dieses Besitzthum, in den bei weitem meisten Fällen schwoll es durch
die Freigebigkeit gläubiger Seelen mehr und mehr, zumal da Alles geschah,
um den Klöstern ihre Erwerbungen auf jede mögliche Weise zu erleichtern. So
wurde mehreren unter ihnen von den Kaisern sogar das Recht zugestanden,
Reichsgut von jeder freien Person ohne kaiserliche Einwilligung zu acquiriren.
Einzelne Stifter brachten nach und nach einen wahrhaft fürstlichen Grundbesitz
zusammen; das reichste in Deutschland war die Abtei Se. Mazimin bei Trier,
von deren Vermögen wir uns daraus eine Vorstellung machen können, daß
es durch Kaiser Heinrich den Zweiten genöthigt wurde, ihm 6656 Hufen, das
ist über 200000 preußische Morgen Landes abzutreten. Man konnte daher
im 15. Jahrhundert wol mit Recht sagen, daß der h. Benedict den dritten Theil
der Christenheit besitze. Zu diesem Besitz an liegenden Gründen kam aber
noch eine Unzahl von Einkünften der verschiedensten Art, von Privilegien und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/400>, abgerufen am 15.01.2025.