Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.haben, und dringe der Feind ein, so könne ihn wie in der guten alten Zeit 48*
haben, und dringe der Feind ein, so könne ihn wie in der guten alten Zeit 48*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111283"/> <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302" next="#ID_1304"> haben, und dringe der Feind ein, so könne ihn wie in der guten alten Zeit<lb/> der Landsturm wieder hinauswerfen. Von all diesen Compagnien kam keine<lb/> einzige in das Feuer; jede andere Angabe, die von einer thatsächlichen Mit¬<lb/> wirkung bei Gefechten spricht, ist aus der Lust gegriffen. Man nahm jedoch<lb/> ein Resultat mit nach Hause: daß der altväterliche Stutzen für den neuen Krieg,<lb/> wo man mit Spitzkugeln schießt, nicht mehr ausreiche und eine ganz an¬<lb/> dere taktische Ausbildung nöthig sei, wenn man den Zuaven und Gari-<lb/> baldini mit Erfolg begegnen wolle. Leider ging auch das Vertrauen<lb/> in die militärische Führung völlig verloren. Sehr aufgebracht waren<lb/> die Bauern des Vinschgnu über den Grafen Huyn, welcher seine Auf¬<lb/> stellung in der Tiefe des Thales nehmen wollte, das nach der Ansicht<lb/> der Schützen nur durch die Besetzung des Joches zu vertheidigen ist.<lb/> Es kam hier zu ernsthaften Reibungen, welche die nothwendige, gegenseitige<lb/> Eintracht störten und erst später ausgeglichen wurden. Graf Huyn, früher<lb/> im Generalstabe Radetzkys, mag ein ganz vorzüglicher Stratege sein,<lb/> bei der Landesvertheidigung dürste er in Zukunft einen schweren Stand haben.<lb/> Mitten in diese Ereignisse siel der Friedensschluß von Villafranca, der nie¬<lb/> mand mit Freude erfüllte. Die Schützen kehrten heim, und um das Werk<lb/> zu krönen, wurde an jeden Adeligen, der mit ausgezogen war, ein eigenes<lb/> Belobungsdecrct erlasse», während die Bürgerlichen leer ausgingen, als ob<lb/> nur das blaue Blut vor dem Feind einen Werth hätte. Am meisten waren<lb/> darüber die Schützen der akademischen Compagnie, welche voll Begeisterung<lb/> für Deutschlands Ehre unter einer Fahne, die schwarz-roth-goldene Bänder<lb/> lchmückten, ins Feld gezogen waren, entrüstet. Als sie im nächsten Jahre den<lb/> Tag ihres Ausmarsches feiern wollten, wurde ihnen bedeutet, daß die schwarz-<lb/> wtl). goldenen Bänder von der Fahne zu entfernen seien. So war man im<lb/> Kleinen und im Großen bemüht, Mißstimmung hervorzurufen und klagte dann,<lb/> wenn man ihre Stimme vernahm, über Undank. Eine Aeußerung Steins<lb/> paßt völlig auf unsere Zustände: „Eine unruhige tyrannische mißtrauische Polizei<lb/> überwacht die öffentliche Meinung. Literatur, Briefwechsel und Lehrstühle.<lb/> Alles ist ihr unterworfen, das gesellige Zutrauen, alle Bande der Freund¬<lb/> schaft werden zerrissen und erschwert." Dazu die Herrschaft des Klerus durch<lb/> das Concordat, der Steuerdruck, die öffentliche Verarmung durch das Agio!<lb/> So überraschte uns der 20. October. mit welchem eine neue Periode beginnt,<lb/> wo der Bürger wieder ausathmen und hoffen darf, wo Schmerling das von<lb/> Bach und Goluchowski heruntergebrachte Erbe übernimmt. Wird es ihm<lb/> gelingen, diese verworrene Welt, welche man fast systematisch dem Untergange<lb/> kutgegenführte, wieder einzurenken? Versprechen und Programme reichen nicht<lb/> aus. wenn nicht thatsächlich ihre letzten Consequenzen gezogen werden. Doch<lb/> wurde schon seine Berufung als der erste aufrichtige Schritt zum Eonsti-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 48*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
haben, und dringe der Feind ein, so könne ihn wie in der guten alten Zeit
der Landsturm wieder hinauswerfen. Von all diesen Compagnien kam keine
einzige in das Feuer; jede andere Angabe, die von einer thatsächlichen Mit¬
wirkung bei Gefechten spricht, ist aus der Lust gegriffen. Man nahm jedoch
ein Resultat mit nach Hause: daß der altväterliche Stutzen für den neuen Krieg,
wo man mit Spitzkugeln schießt, nicht mehr ausreiche und eine ganz an¬
dere taktische Ausbildung nöthig sei, wenn man den Zuaven und Gari-
baldini mit Erfolg begegnen wolle. Leider ging auch das Vertrauen
in die militärische Führung völlig verloren. Sehr aufgebracht waren
die Bauern des Vinschgnu über den Grafen Huyn, welcher seine Auf¬
stellung in der Tiefe des Thales nehmen wollte, das nach der Ansicht
der Schützen nur durch die Besetzung des Joches zu vertheidigen ist.
Es kam hier zu ernsthaften Reibungen, welche die nothwendige, gegenseitige
Eintracht störten und erst später ausgeglichen wurden. Graf Huyn, früher
im Generalstabe Radetzkys, mag ein ganz vorzüglicher Stratege sein,
bei der Landesvertheidigung dürste er in Zukunft einen schweren Stand haben.
Mitten in diese Ereignisse siel der Friedensschluß von Villafranca, der nie¬
mand mit Freude erfüllte. Die Schützen kehrten heim, und um das Werk
zu krönen, wurde an jeden Adeligen, der mit ausgezogen war, ein eigenes
Belobungsdecrct erlasse», während die Bürgerlichen leer ausgingen, als ob
nur das blaue Blut vor dem Feind einen Werth hätte. Am meisten waren
darüber die Schützen der akademischen Compagnie, welche voll Begeisterung
für Deutschlands Ehre unter einer Fahne, die schwarz-roth-goldene Bänder
lchmückten, ins Feld gezogen waren, entrüstet. Als sie im nächsten Jahre den
Tag ihres Ausmarsches feiern wollten, wurde ihnen bedeutet, daß die schwarz-
wtl). goldenen Bänder von der Fahne zu entfernen seien. So war man im
Kleinen und im Großen bemüht, Mißstimmung hervorzurufen und klagte dann,
wenn man ihre Stimme vernahm, über Undank. Eine Aeußerung Steins
paßt völlig auf unsere Zustände: „Eine unruhige tyrannische mißtrauische Polizei
überwacht die öffentliche Meinung. Literatur, Briefwechsel und Lehrstühle.
Alles ist ihr unterworfen, das gesellige Zutrauen, alle Bande der Freund¬
schaft werden zerrissen und erschwert." Dazu die Herrschaft des Klerus durch
das Concordat, der Steuerdruck, die öffentliche Verarmung durch das Agio!
So überraschte uns der 20. October. mit welchem eine neue Periode beginnt,
wo der Bürger wieder ausathmen und hoffen darf, wo Schmerling das von
Bach und Goluchowski heruntergebrachte Erbe übernimmt. Wird es ihm
gelingen, diese verworrene Welt, welche man fast systematisch dem Untergange
kutgegenführte, wieder einzurenken? Versprechen und Programme reichen nicht
aus. wenn nicht thatsächlich ihre letzten Consequenzen gezogen werden. Doch
wurde schon seine Berufung als der erste aufrichtige Schritt zum Eonsti-
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