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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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dem Lande Millionen verloren gegangen und werden vielleicht in nicht langer
Zeit Hunderte von Familien mit dem Bettelstab auf die Straße gesetzt. Sollen
wir auch noch das sogenannte freiwillige Nationalanlehen erwähnen, wo der
Statthalter Bissingen an alle vermöglichen Leute eigenhändige Briefe ergehen
ließ, um sie zum Beitrag aufzufordern, wo ein mächtiger Finanzpascha seinen
untergebenen Beamten bis herab zum, Kcmzlcidiener einfach bestimmte, mit
wie viel von ihrer Monatsgage sie dem Staate beizuspringen hätten, wo
Bezirksrichter den Gemeindevorstehern die Summe angaben, welche die Ge¬
meinde zahlen solle, und dieses thun mußten, wollten sie nicht wegen Lässig¬
keit im Dienste eine Rüge erhalten. Und doch hatte man die Stirn, die so
erzwungenen Summen in servilen Blättern des In- und Auslandes als Be¬
weise für die Opferwilligkeit und Begeisterung der Völker Oestreichs auszu¬
posaunen! Auch des Agios müssen wir als eines bösen Geschwüres gedenken
und seine Wirkungen in finanzieller, sittlicher und politischer Beziehung kurz
andeuten. Wer die Landkarte betrachtet, sieht, daß Tirol nur durch einen
schmalen Hals mit den Provinzen zusammenhängt, wo Banknoten einen Cours
haben. Kärnthen und Salzburg erzeugen nur jene Produkte, welche Tirol
ebenfalls ausführt, aber nichts von dem, was es einführen muß, weil es der
karge Boden versagt. Der lange Grenzzug von Salzburg bis Kärnthen bringt
uns mit Baiern, der ^Schweiz, der Lombardei und Benctien, in welchem letz¬
tem zwar jetzt die Banknoten, jedoch nur zum Courswcrthc gelten, in Berüh¬
rung. Aus diesen Gebieten beziehen wir unsern Bedarf an Korn und zwar
nur gegen Erlag von klingender Münze. Es leuchtet daher jedermann selbst
ein, daß die Preise der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse nicht nur von den
Märkten des Auslandes, sondern auch von dem Agio als Zusatz zum Einkaufs¬
betrage und Zolle, welcher ebenfalls an die k. ?. Grenzämter in Silber zu er¬
legen ist, abhängen. In Tirol wird davon nicht blos der Beamte und der
Bürger, sondern auch der Bauer in den meisten Gegenden betroffen, weil
dieser von seinen Feldern nicht so viel abnimmt, als er für das Hauswesen
bedarf. Für das Ctschland war in früherer Zeit eine Ausgleichung durch den
Verkauf der Weine in die Lombardei möglich; das hat jedoch seit der Trauben¬
krankheit fast ganz aufgehört. Jetzt kommt das Agio nur den Fleimsern, welche
Holz, den Unterinnthalern, welche Korn und Schmalz, und den Pusterthalern,
die Schlachtvieh verkaufen, zu Gute, weil ihnen bei Bezahlung von Steuern
und Capitalien die Banknoten als voll genommen werden. Höchst drollig ist
es, wenn bei dieser Lage der Dinge Wohldiener die Verhältnisse des Landes
als glänzend und den Reichthum desselben als im Zunehmen begriffen sah>^
dern. Den übelsten Einfluß übt das unberechenbare Wechseln des Agio auf
die Geschäfte der Kaufleute, welche ihre Waaren vom Auslande beziehen.
Um sich nur einigermaßen zu decken, müssen sie den Handel wie ein Hazan'd-


dem Lande Millionen verloren gegangen und werden vielleicht in nicht langer
Zeit Hunderte von Familien mit dem Bettelstab auf die Straße gesetzt. Sollen
wir auch noch das sogenannte freiwillige Nationalanlehen erwähnen, wo der
Statthalter Bissingen an alle vermöglichen Leute eigenhändige Briefe ergehen
ließ, um sie zum Beitrag aufzufordern, wo ein mächtiger Finanzpascha seinen
untergebenen Beamten bis herab zum, Kcmzlcidiener einfach bestimmte, mit
wie viel von ihrer Monatsgage sie dem Staate beizuspringen hätten, wo
Bezirksrichter den Gemeindevorstehern die Summe angaben, welche die Ge¬
meinde zahlen solle, und dieses thun mußten, wollten sie nicht wegen Lässig¬
keit im Dienste eine Rüge erhalten. Und doch hatte man die Stirn, die so
erzwungenen Summen in servilen Blättern des In- und Auslandes als Be¬
weise für die Opferwilligkeit und Begeisterung der Völker Oestreichs auszu¬
posaunen! Auch des Agios müssen wir als eines bösen Geschwüres gedenken
und seine Wirkungen in finanzieller, sittlicher und politischer Beziehung kurz
andeuten. Wer die Landkarte betrachtet, sieht, daß Tirol nur durch einen
schmalen Hals mit den Provinzen zusammenhängt, wo Banknoten einen Cours
haben. Kärnthen und Salzburg erzeugen nur jene Produkte, welche Tirol
ebenfalls ausführt, aber nichts von dem, was es einführen muß, weil es der
karge Boden versagt. Der lange Grenzzug von Salzburg bis Kärnthen bringt
uns mit Baiern, der ^Schweiz, der Lombardei und Benctien, in welchem letz¬
tem zwar jetzt die Banknoten, jedoch nur zum Courswcrthc gelten, in Berüh¬
rung. Aus diesen Gebieten beziehen wir unsern Bedarf an Korn und zwar
nur gegen Erlag von klingender Münze. Es leuchtet daher jedermann selbst
ein, daß die Preise der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse nicht nur von den
Märkten des Auslandes, sondern auch von dem Agio als Zusatz zum Einkaufs¬
betrage und Zolle, welcher ebenfalls an die k. ?. Grenzämter in Silber zu er¬
legen ist, abhängen. In Tirol wird davon nicht blos der Beamte und der
Bürger, sondern auch der Bauer in den meisten Gegenden betroffen, weil
dieser von seinen Feldern nicht so viel abnimmt, als er für das Hauswesen
bedarf. Für das Ctschland war in früherer Zeit eine Ausgleichung durch den
Verkauf der Weine in die Lombardei möglich; das hat jedoch seit der Trauben¬
krankheit fast ganz aufgehört. Jetzt kommt das Agio nur den Fleimsern, welche
Holz, den Unterinnthalern, welche Korn und Schmalz, und den Pusterthalern,
die Schlachtvieh verkaufen, zu Gute, weil ihnen bei Bezahlung von Steuern
und Capitalien die Banknoten als voll genommen werden. Höchst drollig ist
es, wenn bei dieser Lage der Dinge Wohldiener die Verhältnisse des Landes
als glänzend und den Reichthum desselben als im Zunehmen begriffen sah>^
dern. Den übelsten Einfluß übt das unberechenbare Wechseln des Agio auf
die Geschäfte der Kaufleute, welche ihre Waaren vom Auslande beziehen.
Um sich nur einigermaßen zu decken, müssen sie den Handel wie ein Hazan'd-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/382>, abgerufen am 15.01.2025.