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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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das der brutalen Gewalt geopfert wurde, daher umgab ihn die Sympathie aller
derer, die unter gleichem Drucke litten. Wenn aber Pius der Neunte heute
Rom verläßt, so ist es, weil Italien die weltliche Gewalt des Papstthums für
unverträglich mit seiner nationalen und einheitlichen Organisation hält.

Die englischen Depeschen, die das Blaubuch über die venetianische Frage
bringt, zeigen, daß der oberste Grundsatz Lord John Russells-ist. den Frieden
um jeden Preis zu erhalten. So lange er noch glaubt Sardinien vom An¬
griff auf Venetien zurückhalten zu können, erklärt er in den stärksten Ausdrücken,
daß dies ein ganz unverantwortlicher Act sein würde, als aber Graf Cavour im
italienischen Parlamente sagt, daß Venetien zwar jetzt nicht anzugreifen sei,
aber früher oder später zu Italien gehören müsse, als Garibaldi seinen Ent¬
schluß kund gibt, im künftigen Frühjahr gegen Oestreich vorzugehen, da hält
Lord John plötzlich den Verkauf der Provinz sür unvermeidlich und bittet das
Berliner Cabinet ihn zu befürworten. Wir finden hierin das Wort Mazzinis
bewahrheitet, daß Englands Politik ist, sich jeder Veränderung im europäischen
Staatensystem zu widersetzen und sie hernach als vollendete Thatsache armer^
kennen, wenn sie seine eicMn Interessen nicht direct verletzt. Weit wichtiger
find die französischen Actenstücke, welche diese Frage bei Gelegenheit der War-
schnner Zusammenkunft behandeln. Der Kaiser von Rußland, um seineu
östreichischen Gästen sofort zu zeigen, daß keine Frankreich feindlichen Absichten
von ihm begünstigt werden würden, legt ein französisches Memorandum vor,
das folgende 4 Punkte enthält: 1) Frankreich läßt Piemont ohne Unterstützung
im Fall eines Angriffs ans Venetien, unter der Bedingung, daß Deutschland
sich streng zurückhält2) der Stand der Dinge in Italien, der zum Kriege
Veranlassung gab. kann nicht wiederhergestellt, die Abtretung der Lombardei
kann nicht in Frage gestellt werden. Italien wird dem Züricher. Vertrag g>''
maß als Staaten-Föderation (peat liidm^til) eingerichtet; 3) die Gebiets-
Abgrcnzungen in Italien und die Einsetzung der Regierungen werden aus einem
Eongreß geregelt; 4) auch wenn Piemont seine Erwerbungen außer den in
Villafranca und Zürich festgestellten verliert, wird die Einverleibung von Nizz"
und Savoyen in Frankreich vom Congreß unberührt gelassen.

Ueber dieses Thema werden dann von den^verschiedenen Cabinetten verseht
dene Depeschen gewechselt, die kein sonderliches Ergebniß bieten, man müßte denn
als solches nehmen, daß Herr v. Schlcinitz. der im vorigen Frühjahr England
aufforderte, gemeinsam gegen die Abtretung von Nizza und Savoyen zu pu'
testiren. am 3. October desselben Jahres versichert, es werde keiner Macht einfallen,
bei einem künstigen Congreß Frankreich den Besitz dieser Provinzen streitig 5»
machen. Die Frage über Vciietien ist vertagt, bis die römische zu einer KNI>6
geführt ist; was aber Deutschlands Stellung zu ihr betrifft, so meinen wir,
daß. wie man auch über den Vincteschcn Antrug denken möge, eines sicher ist-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/378>, abgerufen am 24.01.2025.