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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Sprüche und Bräuche, über die der Altgeselle wachte, hier ein peinlich strenger
Comment, Streifen und Ehren in der Hand regierte, so war auch die hohe
Jagd mit allerlei wundersamen (Zeremoniell, das zum Theil dem höchsten Alter¬
thum entstammte, arabeskcnhast verschnörkelt. Der Jäger hatte den Hirsch
wie einen Menschen anzureden. Der Gesell hatte einen andern Jagdschrei als
der Meister. Es war genau vorgeschrieben, wie mit den Hunden zu sprechen,
in welcher Weise Sie Gefährten zu wecken, welche Signale auf dem Hifthorn
bei dem oder jenem Vorgang zu blasen. Es gab nach der Jagd beim Gelage
bestimmte commentmäßige Unterhaltung mit Fragen und Antworten, comment¬
mäßige Strafen und Belohnungen für Herren, Knechte und Hunde, welche
letzteren ganz ebenso ihr besonderes Recht hatten, wie die menschlichen Jagd¬
genoss?".

Vergegenwärtigen wir uns eine solche Galajagd. Fürstliche Durchlaucht
ist auf dem Jagdpalais eingetroffen und zwar schon um Abend' vor dem
großen Tage. Die Bauern, die zu Treiberdiensten aufgeboten sind, die Jä¬
gersleute in der Runde sind benachrichtigt, sich zu festgesetzter Stunde am
Stelldichein finden zu lassen. Gewisse Theile des Forstes hat man mit Gar¬
nen umzogen, damit das Wild nicht entfliehen kann. Ans einer Waldblöße
ist ein Pavillon oder Zelt als Schießstand für Damen eingerichtet, und hier
stehen und sitzen außerhalb der Netzwand auf Wagen aus der Residenz herbei-
gckommene Zuschauer in buntem Gemisch. Marketender halten Erfrischungen
feil. Lange Züge von Hunden, ein Gewimmel von Beinen und Schwänzen,
grüne Jagdbediente mit allerlei Geräth gehen in der Ferne zwischen den
Bäumen vorbei. Sie verschwinden wieder in den Büschen. Allenthalben
herrscht erwartungsvolle Stille.

Da läßt sich in der Richtung des Jagdschlosses ein lauter Ruf hören.
Das Drama beginnt: Die Jäger wecken mit dem vorgeschriebenen Waidschrei
die Herrschaften auf. Sie rufen:

Auf! auf! Edle Waidleut, Herren. Ritter, Reuter und Knecht, auch alle
guten Gesellen, so mit mir heut' aufs Jagen wöllen! Auf! auf! Edle Damen
""d Jungfrauen, laßt uns heut'das brave Jagen beschämn^ mit Fleiß, Ver¬
gnügen und ohne alles Grauen. Auf! aus! Kellermeister und Koch, füllet die
Rasch' und richtet doch das Frühstück gut und fein balde, damit wir zieh'"
nun Walde, damit wir uns können ergötzen, ehe wir das Jagen fortsetzen.

Darauf erschallt aus den Fenstern des Jngdpalais die Antwort herab:
Waidmanns Heil! Waidmanns Heil! Waidmanns Heil!

Nachdem dann das Frühstück eingenommen ist und die Herrschaften sich
Pferde gesetzt haben, fragt einer: Ho! ho! mein lieber Waidmann, wo
sollen.wir heut hinan? Die Antwort erfolgt wieder in Reimen, etwa: Hin,
zum Stadtberg auf A und Nummer sechs, an jener Buchen, da wollen


Sprüche und Bräuche, über die der Altgeselle wachte, hier ein peinlich strenger
Comment, Streifen und Ehren in der Hand regierte, so war auch die hohe
Jagd mit allerlei wundersamen (Zeremoniell, das zum Theil dem höchsten Alter¬
thum entstammte, arabeskcnhast verschnörkelt. Der Jäger hatte den Hirsch
wie einen Menschen anzureden. Der Gesell hatte einen andern Jagdschrei als
der Meister. Es war genau vorgeschrieben, wie mit den Hunden zu sprechen,
in welcher Weise Sie Gefährten zu wecken, welche Signale auf dem Hifthorn
bei dem oder jenem Vorgang zu blasen. Es gab nach der Jagd beim Gelage
bestimmte commentmäßige Unterhaltung mit Fragen und Antworten, comment¬
mäßige Strafen und Belohnungen für Herren, Knechte und Hunde, welche
letzteren ganz ebenso ihr besonderes Recht hatten, wie die menschlichen Jagd¬
genoss?».

Vergegenwärtigen wir uns eine solche Galajagd. Fürstliche Durchlaucht
ist auf dem Jagdpalais eingetroffen und zwar schon um Abend' vor dem
großen Tage. Die Bauern, die zu Treiberdiensten aufgeboten sind, die Jä¬
gersleute in der Runde sind benachrichtigt, sich zu festgesetzter Stunde am
Stelldichein finden zu lassen. Gewisse Theile des Forstes hat man mit Gar¬
nen umzogen, damit das Wild nicht entfliehen kann. Ans einer Waldblöße
ist ein Pavillon oder Zelt als Schießstand für Damen eingerichtet, und hier
stehen und sitzen außerhalb der Netzwand auf Wagen aus der Residenz herbei-
gckommene Zuschauer in buntem Gemisch. Marketender halten Erfrischungen
feil. Lange Züge von Hunden, ein Gewimmel von Beinen und Schwänzen,
grüne Jagdbediente mit allerlei Geräth gehen in der Ferne zwischen den
Bäumen vorbei. Sie verschwinden wieder in den Büschen. Allenthalben
herrscht erwartungsvolle Stille.

Da läßt sich in der Richtung des Jagdschlosses ein lauter Ruf hören.
Das Drama beginnt: Die Jäger wecken mit dem vorgeschriebenen Waidschrei
die Herrschaften auf. Sie rufen:

Auf! auf! Edle Waidleut, Herren. Ritter, Reuter und Knecht, auch alle
guten Gesellen, so mit mir heut' aufs Jagen wöllen! Auf! auf! Edle Damen
""d Jungfrauen, laßt uns heut'das brave Jagen beschämn^ mit Fleiß, Ver¬
gnügen und ohne alles Grauen. Auf! aus! Kellermeister und Koch, füllet die
Rasch' und richtet doch das Frühstück gut und fein balde, damit wir zieh'»
nun Walde, damit wir uns können ergötzen, ehe wir das Jagen fortsetzen.

Darauf erschallt aus den Fenstern des Jngdpalais die Antwort herab:
Waidmanns Heil! Waidmanns Heil! Waidmanns Heil!

Nachdem dann das Frühstück eingenommen ist und die Herrschaften sich
Pferde gesetzt haben, fragt einer: Ho! ho! mein lieber Waidmann, wo
sollen.wir heut hinan? Die Antwort erfolgt wieder in Reimen, etwa: Hin,
zum Stadtberg auf A und Nummer sechs, an jener Buchen, da wollen


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[0351] Sprüche und Bräuche, über die der Altgeselle wachte, hier ein peinlich strenger Comment, Streifen und Ehren in der Hand regierte, so war auch die hohe Jagd mit allerlei wundersamen (Zeremoniell, das zum Theil dem höchsten Alter¬ thum entstammte, arabeskcnhast verschnörkelt. Der Jäger hatte den Hirsch wie einen Menschen anzureden. Der Gesell hatte einen andern Jagdschrei als der Meister. Es war genau vorgeschrieben, wie mit den Hunden zu sprechen, in welcher Weise Sie Gefährten zu wecken, welche Signale auf dem Hifthorn bei dem oder jenem Vorgang zu blasen. Es gab nach der Jagd beim Gelage bestimmte commentmäßige Unterhaltung mit Fragen und Antworten, comment¬ mäßige Strafen und Belohnungen für Herren, Knechte und Hunde, welche letzteren ganz ebenso ihr besonderes Recht hatten, wie die menschlichen Jagd¬ genoss?». Vergegenwärtigen wir uns eine solche Galajagd. Fürstliche Durchlaucht ist auf dem Jagdpalais eingetroffen und zwar schon um Abend' vor dem großen Tage. Die Bauern, die zu Treiberdiensten aufgeboten sind, die Jä¬ gersleute in der Runde sind benachrichtigt, sich zu festgesetzter Stunde am Stelldichein finden zu lassen. Gewisse Theile des Forstes hat man mit Gar¬ nen umzogen, damit das Wild nicht entfliehen kann. Ans einer Waldblöße ist ein Pavillon oder Zelt als Schießstand für Damen eingerichtet, und hier stehen und sitzen außerhalb der Netzwand auf Wagen aus der Residenz herbei- gckommene Zuschauer in buntem Gemisch. Marketender halten Erfrischungen feil. Lange Züge von Hunden, ein Gewimmel von Beinen und Schwänzen, grüne Jagdbediente mit allerlei Geräth gehen in der Ferne zwischen den Bäumen vorbei. Sie verschwinden wieder in den Büschen. Allenthalben herrscht erwartungsvolle Stille. Da läßt sich in der Richtung des Jagdschlosses ein lauter Ruf hören. Das Drama beginnt: Die Jäger wecken mit dem vorgeschriebenen Waidschrei die Herrschaften auf. Sie rufen: Auf! auf! Edle Waidleut, Herren. Ritter, Reuter und Knecht, auch alle guten Gesellen, so mit mir heut' aufs Jagen wöllen! Auf! auf! Edle Damen ""d Jungfrauen, laßt uns heut'das brave Jagen beschämn^ mit Fleiß, Ver¬ gnügen und ohne alles Grauen. Auf! aus! Kellermeister und Koch, füllet die Rasch' und richtet doch das Frühstück gut und fein balde, damit wir zieh'» nun Walde, damit wir uns können ergötzen, ehe wir das Jagen fortsetzen. Darauf erschallt aus den Fenstern des Jngdpalais die Antwort herab: Waidmanns Heil! Waidmanns Heil! Waidmanns Heil! Nachdem dann das Frühstück eingenommen ist und die Herrschaften sich Pferde gesetzt haben, fragt einer: Ho! ho! mein lieber Waidmann, wo sollen.wir heut hinan? Die Antwort erfolgt wieder in Reimen, etwa: Hin, zum Stadtberg auf A und Nummer sechs, an jener Buchen, da wollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/351>, abgerufen am 22.07.2024.