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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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ihrer Lieblingsäsung die hinter ihr rudernden Feinde vergaß, nahm mit Be¬
gierde die Körner an und schwamm ihnen nach bis zur Einkehle, wo ich das
Malz am dichtesten gestreut hatte. Hier stutzte sie, aber ich thue einen derben
Schrei, und husch fährt sie in die Reuße und die ganze liebwerthe Gesellschaft
hinter ihr drein.

Nun denken Sie sich die Komödie, die jetzt drinnen los ging. Der Fuchs
würgte die Ente, mein Fcldmcmn den Fuchs. Der Geier hackte dem Hecht
nach den Augen. Dieser ließ vom Hunde ab, wälzte sich auf die Seite, und
der Geier war platt gedrückt wie ein Kupferdreier. Nun genethen Feldmann
und der Fisch um einander, und mir war eine Weile Angst um den Hund;
denn der Hecht bäumte sich in die Höhe und zeigte in dem angelweit auf¬
gerissenen Rachen zwei Reihen Zähne, von denen der kleinste gut seine drei¬
viertel Ellen Länge maß.

Donner! denk' ich, jetzt ist's die höchste Zeit, und reiße meine Flinte an
den Backen, da -- was meinen Sie -- so ein Hund ist doch ein unvernünftig
gescheidtes Vieh! -- drückt sich der Feldmann wie ein? Katze, und springt
Ihnen -- hopsa! -- dem Hecht durch die Kehle in den Leib. Dem Fisch¬
dieb verging davon das Beißen, er ließ die Kinnlade fallen und schnitt die
erbärmlichsten Gesichter. Aber auch Feldmann lag in dem Bauche des Hechts
nicht auf Rosen, und mir war bange, daß er mir darinnen ersticken könnte.
Ich merkte aber bald, daß der Pfiffikus wußte, wo der rechte Weg war. Zum
Nachen war er hineingesprungen, am Hinterpförtchen kam er wieder heraus.
Hatte sich durch den ganzen Hecht hindurchgefressen, als ob der Fisch von
Butter wäre. --

Wie der Handwerksbursch, der beim Meister Arbeit oder Zehrung an¬
spricht, dies in der alten Zeit mit Sprüchen zu thun hatte, durch die er
bewies, daß er ausgelernt und in dem Brauch der Zunft wohl bewandert, so
auch der Jägerbursch; denn auch die Jägerei, ja sie ganz vorzüglich, liebt
ein sinniges (Zeremoniell und complicirte Satzungen. Ein großer Theil ihres
Wissens war in mehr oder minder geschickte Reime gebracht, die ein hirlch"
gerechter Waidmann von seinem Lehrherrn mit auf den Weg bekam, wenn
er auf die Wanderschaft ging, und die ihm, wenn er sich bei einem andern
Meister zum Dienst meldete, abgefragt wurden. Das "Jägerbrevier" theilt
von diesen Waidsprüchen nach Döbel, Flemming und Andern eine betracht'
liebe Anzahl mit, aus der wir im Nachstehenden einige besonders charakteri¬
stische auslesen.

Der Meister fragt: Ho! ho! ho! lieber Waidmann mein, sage mir. was
für drei Stücken sein, welche ein geschickter Waidmann haben soll und
haben kann?

Antwort des Burschen: Ho! ho! ho! mein lieber Waidmann, das will
'^'


ihrer Lieblingsäsung die hinter ihr rudernden Feinde vergaß, nahm mit Be¬
gierde die Körner an und schwamm ihnen nach bis zur Einkehle, wo ich das
Malz am dichtesten gestreut hatte. Hier stutzte sie, aber ich thue einen derben
Schrei, und husch fährt sie in die Reuße und die ganze liebwerthe Gesellschaft
hinter ihr drein.

Nun denken Sie sich die Komödie, die jetzt drinnen los ging. Der Fuchs
würgte die Ente, mein Fcldmcmn den Fuchs. Der Geier hackte dem Hecht
nach den Augen. Dieser ließ vom Hunde ab, wälzte sich auf die Seite, und
der Geier war platt gedrückt wie ein Kupferdreier. Nun genethen Feldmann
und der Fisch um einander, und mir war eine Weile Angst um den Hund;
denn der Hecht bäumte sich in die Höhe und zeigte in dem angelweit auf¬
gerissenen Rachen zwei Reihen Zähne, von denen der kleinste gut seine drei¬
viertel Ellen Länge maß.

Donner! denk' ich, jetzt ist's die höchste Zeit, und reiße meine Flinte an
den Backen, da — was meinen Sie — so ein Hund ist doch ein unvernünftig
gescheidtes Vieh! — drückt sich der Feldmann wie ein? Katze, und springt
Ihnen — hopsa! — dem Hecht durch die Kehle in den Leib. Dem Fisch¬
dieb verging davon das Beißen, er ließ die Kinnlade fallen und schnitt die
erbärmlichsten Gesichter. Aber auch Feldmann lag in dem Bauche des Hechts
nicht auf Rosen, und mir war bange, daß er mir darinnen ersticken könnte.
Ich merkte aber bald, daß der Pfiffikus wußte, wo der rechte Weg war. Zum
Nachen war er hineingesprungen, am Hinterpförtchen kam er wieder heraus.
Hatte sich durch den ganzen Hecht hindurchgefressen, als ob der Fisch von
Butter wäre. —

Wie der Handwerksbursch, der beim Meister Arbeit oder Zehrung an¬
spricht, dies in der alten Zeit mit Sprüchen zu thun hatte, durch die er
bewies, daß er ausgelernt und in dem Brauch der Zunft wohl bewandert, so
auch der Jägerbursch; denn auch die Jägerei, ja sie ganz vorzüglich, liebt
ein sinniges (Zeremoniell und complicirte Satzungen. Ein großer Theil ihres
Wissens war in mehr oder minder geschickte Reime gebracht, die ein hirlch"
gerechter Waidmann von seinem Lehrherrn mit auf den Weg bekam, wenn
er auf die Wanderschaft ging, und die ihm, wenn er sich bei einem andern
Meister zum Dienst meldete, abgefragt wurden. Das „Jägerbrevier" theilt
von diesen Waidsprüchen nach Döbel, Flemming und Andern eine betracht'
liebe Anzahl mit, aus der wir im Nachstehenden einige besonders charakteri¬
stische auslesen.

Der Meister fragt: Ho! ho! ho! lieber Waidmann mein, sage mir. was
für drei Stücken sein, welche ein geschickter Waidmann haben soll und
haben kann?

Antwort des Burschen: Ho! ho! ho! mein lieber Waidmann, das will
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[0348] ihrer Lieblingsäsung die hinter ihr rudernden Feinde vergaß, nahm mit Be¬ gierde die Körner an und schwamm ihnen nach bis zur Einkehle, wo ich das Malz am dichtesten gestreut hatte. Hier stutzte sie, aber ich thue einen derben Schrei, und husch fährt sie in die Reuße und die ganze liebwerthe Gesellschaft hinter ihr drein. Nun denken Sie sich die Komödie, die jetzt drinnen los ging. Der Fuchs würgte die Ente, mein Fcldmcmn den Fuchs. Der Geier hackte dem Hecht nach den Augen. Dieser ließ vom Hunde ab, wälzte sich auf die Seite, und der Geier war platt gedrückt wie ein Kupferdreier. Nun genethen Feldmann und der Fisch um einander, und mir war eine Weile Angst um den Hund; denn der Hecht bäumte sich in die Höhe und zeigte in dem angelweit auf¬ gerissenen Rachen zwei Reihen Zähne, von denen der kleinste gut seine drei¬ viertel Ellen Länge maß. Donner! denk' ich, jetzt ist's die höchste Zeit, und reiße meine Flinte an den Backen, da — was meinen Sie — so ein Hund ist doch ein unvernünftig gescheidtes Vieh! — drückt sich der Feldmann wie ein? Katze, und springt Ihnen — hopsa! — dem Hecht durch die Kehle in den Leib. Dem Fisch¬ dieb verging davon das Beißen, er ließ die Kinnlade fallen und schnitt die erbärmlichsten Gesichter. Aber auch Feldmann lag in dem Bauche des Hechts nicht auf Rosen, und mir war bange, daß er mir darinnen ersticken könnte. Ich merkte aber bald, daß der Pfiffikus wußte, wo der rechte Weg war. Zum Nachen war er hineingesprungen, am Hinterpförtchen kam er wieder heraus. Hatte sich durch den ganzen Hecht hindurchgefressen, als ob der Fisch von Butter wäre. — Wie der Handwerksbursch, der beim Meister Arbeit oder Zehrung an¬ spricht, dies in der alten Zeit mit Sprüchen zu thun hatte, durch die er bewies, daß er ausgelernt und in dem Brauch der Zunft wohl bewandert, so auch der Jägerbursch; denn auch die Jägerei, ja sie ganz vorzüglich, liebt ein sinniges (Zeremoniell und complicirte Satzungen. Ein großer Theil ihres Wissens war in mehr oder minder geschickte Reime gebracht, die ein hirlch" gerechter Waidmann von seinem Lehrherrn mit auf den Weg bekam, wenn er auf die Wanderschaft ging, und die ihm, wenn er sich bei einem andern Meister zum Dienst meldete, abgefragt wurden. Das „Jägerbrevier" theilt von diesen Waidsprüchen nach Döbel, Flemming und Andern eine betracht' liebe Anzahl mit, aus der wir im Nachstehenden einige besonders charakteri¬ stische auslesen. Der Meister fragt: Ho! ho! ho! lieber Waidmann mein, sage mir. was für drei Stücken sein, welche ein geschickter Waidmann haben soll und haben kann? Antwort des Burschen: Ho! ho! ho! mein lieber Waidmann, das will '^'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/348>, abgerufen am 22.07.2024.