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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Daß auch die Seeseite stärker ist, als man annahm, hat der vergebliche
Angriff der Flotte Persanos gezeigt.

Die Stadt Gaeta, auf die wir jetzt einen Blick werfen, liegt auf dem
kleineren der beiden Berge und zwar auf dessen nördlicher Seite, sowie unten
auf dem schmalen Streifen, der sich auf der Golfscite unter jenem, dem Castell-
bcrge und dem Monte Orlando hinzieht. Jener obere Theil ist überaus un¬
freundlich, eine wahre Troglodytcnstadt, die an afrikanische Barbarcskcnstädte
sowie namentlich auch an Jaffa im heiligen Lande erinnert, nur daß Alles
hier noch höhlenartiger, düstrer und wilder ist. Man steigt, bald auf dem
rohen Fels, bald auf Stufen durch enge, von hohen Mauern überragte Gassen
hinan, die so schmal sind, daß wir einem uns Entgegenkommenden kaum aus¬
weichen können, und in denen fast den ganzen Tag nur ein mattes Zwielicht
herrscht. Hier und da sind dieselben mit Bogen überwölbt, ja bisweilen sind
ganze lange Strecken überbaut, und wir gehen durch sie wie durch eine Höhle.
An manchen Stellen haben sie nur auf der einen Seite Häuser, auf der an¬
dern starrt uns der nackte Fels entgegen. Die Lust in ihnen ist feucht und
kalt wie in einem Keller, und nur in die obersten Fenster der Häuser fällt
das Licht der Sonne.

Die Unterstadt ist etwas freundlicher. Sie besteht an den meisten Stellen
nur aus einer Gasse, die sich hier und da zu einem Platz erweitert, oft aber
auch nur eine Häuserzeile hat und gegen den Fuß des Monte Orlando hin
blos noch einzelne Gruppen von Gebäuden zeigt. Daß es hier wie dort an
Schmutzhaufen und üblen Gerüchen nicht fehlt, versteht sich, da wir in einer
süditalienischen Stadt sind, von selbst. Ansehnliche Gebäude gibt es nur wenige,
solche von architektonischer Schönheit, gar keine in Gaeta. Zu den größeren
gehört der königliche Palast, ein ziemlich bescheidenes zweistöckiges Haus mit
einer Marinortrcppe, in welchem 1S49 Pius der Neunte nach seiner Flucht
aus Rom wohnte, während hart daneben in einem noch einfacheren Hause,
das an einem freien Platz liegt, König Ferdinand Quartier genommen hatte.
Der Palast hat, im schmalsten Theil der Unterstadt gelegen, sich gegenüber
keine Häuser, sondern nur eine Batterie. Vom obern Stock überschaut man
den Golf; eine kleine mit Bäumen bepflanzte Terrasse aus der Berglehne da¬
hinter bietet Gelegenheit, sich Bewegung zu machen. Andere Gebäude bes¬
serer Klasse sind: Der neue königliche Palast, der ebenfalls Terrassen anlagen
hinter sich hat, die Wohnung des Couunandanten hinter dem Bastion Am""'-
alata, und der Palast des Bischofs. Indeß sind auch diese Bauwerke sowol
an Größe als an architektonischem Schmuck unbedeutend und nichts weniger
als das. was wir in Deutschland einen Palast nennen. Anmuth und Behag¬
lichkeit sind in Gaeta Nebensache. Man zieht hierher blos, um sicher zu se"^

Auch von Kirchen findet sich hier nichts von Bedeutung. Die Kathedrale


Daß auch die Seeseite stärker ist, als man annahm, hat der vergebliche
Angriff der Flotte Persanos gezeigt.

Die Stadt Gaeta, auf die wir jetzt einen Blick werfen, liegt auf dem
kleineren der beiden Berge und zwar auf dessen nördlicher Seite, sowie unten
auf dem schmalen Streifen, der sich auf der Golfscite unter jenem, dem Castell-
bcrge und dem Monte Orlando hinzieht. Jener obere Theil ist überaus un¬
freundlich, eine wahre Troglodytcnstadt, die an afrikanische Barbarcskcnstädte
sowie namentlich auch an Jaffa im heiligen Lande erinnert, nur daß Alles
hier noch höhlenartiger, düstrer und wilder ist. Man steigt, bald auf dem
rohen Fels, bald auf Stufen durch enge, von hohen Mauern überragte Gassen
hinan, die so schmal sind, daß wir einem uns Entgegenkommenden kaum aus¬
weichen können, und in denen fast den ganzen Tag nur ein mattes Zwielicht
herrscht. Hier und da sind dieselben mit Bogen überwölbt, ja bisweilen sind
ganze lange Strecken überbaut, und wir gehen durch sie wie durch eine Höhle.
An manchen Stellen haben sie nur auf der einen Seite Häuser, auf der an¬
dern starrt uns der nackte Fels entgegen. Die Lust in ihnen ist feucht und
kalt wie in einem Keller, und nur in die obersten Fenster der Häuser fällt
das Licht der Sonne.

Die Unterstadt ist etwas freundlicher. Sie besteht an den meisten Stellen
nur aus einer Gasse, die sich hier und da zu einem Platz erweitert, oft aber
auch nur eine Häuserzeile hat und gegen den Fuß des Monte Orlando hin
blos noch einzelne Gruppen von Gebäuden zeigt. Daß es hier wie dort an
Schmutzhaufen und üblen Gerüchen nicht fehlt, versteht sich, da wir in einer
süditalienischen Stadt sind, von selbst. Ansehnliche Gebäude gibt es nur wenige,
solche von architektonischer Schönheit, gar keine in Gaeta. Zu den größeren
gehört der königliche Palast, ein ziemlich bescheidenes zweistöckiges Haus mit
einer Marinortrcppe, in welchem 1S49 Pius der Neunte nach seiner Flucht
aus Rom wohnte, während hart daneben in einem noch einfacheren Hause,
das an einem freien Platz liegt, König Ferdinand Quartier genommen hatte.
Der Palast hat, im schmalsten Theil der Unterstadt gelegen, sich gegenüber
keine Häuser, sondern nur eine Batterie. Vom obern Stock überschaut man
den Golf; eine kleine mit Bäumen bepflanzte Terrasse aus der Berglehne da¬
hinter bietet Gelegenheit, sich Bewegung zu machen. Andere Gebäude bes¬
serer Klasse sind: Der neue königliche Palast, der ebenfalls Terrassen anlagen
hinter sich hat, die Wohnung des Couunandanten hinter dem Bastion Am»»'-
alata, und der Palast des Bischofs. Indeß sind auch diese Bauwerke sowol
an Größe als an architektonischem Schmuck unbedeutend und nichts weniger
als das. was wir in Deutschland einen Palast nennen. Anmuth und Behag¬
lichkeit sind in Gaeta Nebensache. Man zieht hierher blos, um sicher zu se"^

Auch von Kirchen findet sich hier nichts von Bedeutung. Die Kathedrale


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[0322] Daß auch die Seeseite stärker ist, als man annahm, hat der vergebliche Angriff der Flotte Persanos gezeigt. Die Stadt Gaeta, auf die wir jetzt einen Blick werfen, liegt auf dem kleineren der beiden Berge und zwar auf dessen nördlicher Seite, sowie unten auf dem schmalen Streifen, der sich auf der Golfscite unter jenem, dem Castell- bcrge und dem Monte Orlando hinzieht. Jener obere Theil ist überaus un¬ freundlich, eine wahre Troglodytcnstadt, die an afrikanische Barbarcskcnstädte sowie namentlich auch an Jaffa im heiligen Lande erinnert, nur daß Alles hier noch höhlenartiger, düstrer und wilder ist. Man steigt, bald auf dem rohen Fels, bald auf Stufen durch enge, von hohen Mauern überragte Gassen hinan, die so schmal sind, daß wir einem uns Entgegenkommenden kaum aus¬ weichen können, und in denen fast den ganzen Tag nur ein mattes Zwielicht herrscht. Hier und da sind dieselben mit Bogen überwölbt, ja bisweilen sind ganze lange Strecken überbaut, und wir gehen durch sie wie durch eine Höhle. An manchen Stellen haben sie nur auf der einen Seite Häuser, auf der an¬ dern starrt uns der nackte Fels entgegen. Die Lust in ihnen ist feucht und kalt wie in einem Keller, und nur in die obersten Fenster der Häuser fällt das Licht der Sonne. Die Unterstadt ist etwas freundlicher. Sie besteht an den meisten Stellen nur aus einer Gasse, die sich hier und da zu einem Platz erweitert, oft aber auch nur eine Häuserzeile hat und gegen den Fuß des Monte Orlando hin blos noch einzelne Gruppen von Gebäuden zeigt. Daß es hier wie dort an Schmutzhaufen und üblen Gerüchen nicht fehlt, versteht sich, da wir in einer süditalienischen Stadt sind, von selbst. Ansehnliche Gebäude gibt es nur wenige, solche von architektonischer Schönheit, gar keine in Gaeta. Zu den größeren gehört der königliche Palast, ein ziemlich bescheidenes zweistöckiges Haus mit einer Marinortrcppe, in welchem 1S49 Pius der Neunte nach seiner Flucht aus Rom wohnte, während hart daneben in einem noch einfacheren Hause, das an einem freien Platz liegt, König Ferdinand Quartier genommen hatte. Der Palast hat, im schmalsten Theil der Unterstadt gelegen, sich gegenüber keine Häuser, sondern nur eine Batterie. Vom obern Stock überschaut man den Golf; eine kleine mit Bäumen bepflanzte Terrasse aus der Berglehne da¬ hinter bietet Gelegenheit, sich Bewegung zu machen. Andere Gebäude bes¬ serer Klasse sind: Der neue königliche Palast, der ebenfalls Terrassen anlagen hinter sich hat, die Wohnung des Couunandanten hinter dem Bastion Am»»'- alata, und der Palast des Bischofs. Indeß sind auch diese Bauwerke sowol an Größe als an architektonischem Schmuck unbedeutend und nichts weniger als das. was wir in Deutschland einen Palast nennen. Anmuth und Behag¬ lichkeit sind in Gaeta Nebensache. Man zieht hierher blos, um sicher zu se"^ Auch von Kirchen findet sich hier nichts von Bedeutung. Die Kathedrale

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/322>, abgerufen am 15.01.2025.