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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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vieren verscheucht. Er hat eine läufische Hündin geschlachtet -- besser wäre
eine Wölfin gewesen -- ihr beide Augen, das Gehirn und das Mark genom¬
men, das Wasser aus der Blase dazu geschüttet und klein gestoßncn Teufels-
drcck darunter gerührt. Nachdem es etliche Tage an der Sonne geweicht ist,
wird er es seinem Gegner an den Zaun seines Thiergartens streichen, und der
Mann kann sicher sein, daß sich alles Wildpret von dort wegziehen wird, so¬
bald es die Witterung davon bekommt.

Unser Förster weiß ferner die wundersamsten Künste, wie man Hirsche
sich vor die Flinte lockt, daß sie zu mehr als einem Schuß stehen, daß sie
sogar ihre Vettern und Oheime mitbringen; wie man Wölfe in ganzen Ru¬
deln herbeiködert und einschläfert, so daß sie sich mit Knüppeln todtschlagen
lassen; wie man sie vergiftet; wie man sie von Ställen und Gehöften fern
hält, und er hat mit letztgenanntem Kapitel seiner Wissenschaft, so kurz es ist
- man vergräbt nur einen Wolfsschwanz unter der Schwelle -- seine Ein¬
nahmen mit manchem blanken Gulden oder Laubthaler verbessert, Zahlreich
und zum Theil ergötzlich sind die Recepte, mit denen er die Schlauheit des
Fuchses in Thorheit verwandelt, ihn sich nachzutraben nöthigt, ihn ins Netz
zu springen zwingt; wie er die gestimmte Hasenschast einer Flur zur Lands¬
gemeinde versammelt; wie er desgleichen mit wilden Gänsen und Enten thut.
"Nimm Elchenmisteln." sagt unter anderm eine seiner Regeln, "und das Krau
Merdion oder Silicum, hänge es sammt einem Flügel von einer Schwalbe
an einen Baum, so werden sich alle Vögel, die innerhalb einer Meile sind,
dahin versammeln."

Daß er alle Feinheiten des Unterrichts der Hunde inne hat, versteht sich
von selbst. Das beste junge Hündlein ist das, welches zuletzt von einem
Wurfe sehen lernt, und das die Mutter zuerst in den Mund nimmt und in
ein anderes Nest trägt. Um junge Hunde an sich zu gewöhnen, bindet er
sich ein Stück Brot unter die Achsel, läßt es wohl durchschwitzen und gibt
es dann dem Thier zu fressen. Ebenfalls gut ist, ihm dann und wann in
den Mund zu speien. Auch nicht zu verachten ist der Rath, ihm ein Katzen-
herz zum Fraß zu reichen. Vor dem Tollwcrden bewahrt er seinen Wald-
u>ann, indem er ihm Frauenmilch zu saufen giebt. Hat ein Hund, der toll
scheint. Jemand gebissen, so weiß der Jäger sofort Rath, wie man erfährt,
ob die Wunde wirklich giftig ist. Er nimmt einen Bissen Brot, taucht ihn
'n die Wunde und giebt es einer Henne zu fressen. Verzehrt sie es und stirbt,
so ist der Biß schädlich, und dann darf man ihn wenigstens vierzig Tage
^et>t zuseiten lassen. Ein treffliches Recept, Hunde, die gebissen worden, vor
dem Wüthendwerden zu schützen, besteht darin, daß man auf ein Zettelchen
°>e Worte "Hraiu> quiram ektraw eakratremquv oakratrosyuv" schreibt und
das Papier dem Thiere in einem El eingiebt.


vieren verscheucht. Er hat eine läufische Hündin geschlachtet — besser wäre
eine Wölfin gewesen — ihr beide Augen, das Gehirn und das Mark genom¬
men, das Wasser aus der Blase dazu geschüttet und klein gestoßncn Teufels-
drcck darunter gerührt. Nachdem es etliche Tage an der Sonne geweicht ist,
wird er es seinem Gegner an den Zaun seines Thiergartens streichen, und der
Mann kann sicher sein, daß sich alles Wildpret von dort wegziehen wird, so¬
bald es die Witterung davon bekommt.

Unser Förster weiß ferner die wundersamsten Künste, wie man Hirsche
sich vor die Flinte lockt, daß sie zu mehr als einem Schuß stehen, daß sie
sogar ihre Vettern und Oheime mitbringen; wie man Wölfe in ganzen Ru¬
deln herbeiködert und einschläfert, so daß sie sich mit Knüppeln todtschlagen
lassen; wie man sie vergiftet; wie man sie von Ställen und Gehöften fern
hält, und er hat mit letztgenanntem Kapitel seiner Wissenschaft, so kurz es ist
- man vergräbt nur einen Wolfsschwanz unter der Schwelle — seine Ein¬
nahmen mit manchem blanken Gulden oder Laubthaler verbessert, Zahlreich
und zum Theil ergötzlich sind die Recepte, mit denen er die Schlauheit des
Fuchses in Thorheit verwandelt, ihn sich nachzutraben nöthigt, ihn ins Netz
zu springen zwingt; wie er die gestimmte Hasenschast einer Flur zur Lands¬
gemeinde versammelt; wie er desgleichen mit wilden Gänsen und Enten thut.
„Nimm Elchenmisteln." sagt unter anderm eine seiner Regeln, „und das Krau
Merdion oder Silicum, hänge es sammt einem Flügel von einer Schwalbe
an einen Baum, so werden sich alle Vögel, die innerhalb einer Meile sind,
dahin versammeln."

Daß er alle Feinheiten des Unterrichts der Hunde inne hat, versteht sich
von selbst. Das beste junge Hündlein ist das, welches zuletzt von einem
Wurfe sehen lernt, und das die Mutter zuerst in den Mund nimmt und in
ein anderes Nest trägt. Um junge Hunde an sich zu gewöhnen, bindet er
sich ein Stück Brot unter die Achsel, läßt es wohl durchschwitzen und gibt
es dann dem Thier zu fressen. Ebenfalls gut ist, ihm dann und wann in
den Mund zu speien. Auch nicht zu verachten ist der Rath, ihm ein Katzen-
herz zum Fraß zu reichen. Vor dem Tollwcrden bewahrt er seinen Wald-
u>ann, indem er ihm Frauenmilch zu saufen giebt. Hat ein Hund, der toll
scheint. Jemand gebissen, so weiß der Jäger sofort Rath, wie man erfährt,
ob die Wunde wirklich giftig ist. Er nimmt einen Bissen Brot, taucht ihn
'n die Wunde und giebt es einer Henne zu fressen. Verzehrt sie es und stirbt,
so ist der Biß schädlich, und dann darf man ihn wenigstens vierzig Tage
^et>t zuseiten lassen. Ein treffliches Recept, Hunde, die gebissen worden, vor
dem Wüthendwerden zu schützen, besteht darin, daß man auf ein Zettelchen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/305>, abgerufen am 26.08.2024.