Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.jedes Mal etwas genieße. Abends ist das Haus am vollsten, zur Zeit der Wir wenden uns nun, da es Sonntag ist, und wir gute Christen sind, Das Innere derselben ist überall prunkvoll, aber selten geschmackvoll. jedes Mal etwas genieße. Abends ist das Haus am vollsten, zur Zeit der Wir wenden uns nun, da es Sonntag ist, und wir gute Christen sind, Das Innere derselben ist überall prunkvoll, aber selten geschmackvoll. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111164"/> <p xml:id="ID_917" prev="#ID_916"> jedes Mal etwas genieße. Abends ist das Haus am vollsten, zur Zeit der<lb/> Siesta am leersten. Vor dem Eingange befinden sich ebenfalls Tischchen und<lb/> Stühle, wo die Besucher, unter einer bunten Marquise gegen die Sonnen¬<lb/> strahlen geschützt, ihren Mokka schlürfend, den Platz oder den Corso beobachtend,<lb/> mehre beschauliche Stunden zubringen. . Zu allen Tageszeiten sprechen hier<lb/> Bettler vor und iincvmmodiren uns auf Schritt und Tritt mit ihren An¬<lb/> liegen. Jungen kommen und bitten, wenn wir ihnen kein Geld geben wollen,<lb/> ihnen wenigstens das Stückchen Cigarre zu überlassen, das wir im Munde<lb/> halten. Werfen wir es zufällig in die Stube oder aus die Straße hinaus,<lb/> so stürzen sich im Augenblick mehrere darauf los. Der Glückliche, welcher den<lb/> Preis erringt, benutzt seine Trophäe entweder zum Selbstgebrauch, oder er<lb/> sammelt solche Cigarrenstümpfe und verkauft sie an Tabakhändler, welche sie<lb/> trocknen, schneiden und als billigsten Tabak verkaufen. Der Nordländer, welcher<lb/> nach Italien kommt, muß sich von einer Masse von Borurtheilen frei machen,<lb/> wenn er dort mit leiblichem Behagen leben will. Im Kaffee hat er sich vor<lb/> Allem daran zu gewöhnen, Unreinlichkeit als ein nothwendiges Zubehör<lb/> anzusehen. schmutzige Servietten, zerbrochene Tassen, verbogene Löffel, zoll¬<lb/> hoch auf dem unausgekehrtcn Fußboden liegender Staub und Koth, die uuab-<lb/> gewischteu Spiegel und bestaubten Sofas, endlich die zum Theil ungewaschene ><lb/> Gesellschaft dürfen seinen Appetit nicht schmälern; er muß denken, daß Alles<lb/> in der Natur aus so und so vielen Elementen besteht, daß also der Begriff<lb/> „Schmutz" eigentlich nur ein Vorurtheil ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_918"> Wir wenden uns nun, da es Sonntag ist, und wir gute Christen sind,<lb/> in ti'e Kirche.</p><lb/> <p xml:id="ID_919" next="#ID_920"> Das Innere derselben ist überall prunkvoll, aber selten geschmackvoll.<lb/> Die Kreuzesform ist die üblichste. Das Presbiterium sowie die Seitencapellen<lb/> sind kuppelartig gewölbt, und das Licht fällt durch buntes Glas von oben<lb/> herein. Säulen korinthischen, jonischen, dorischen und toskanischen Stiles<lb/> von verschiedenfarbigem Marmor tragen das Hauptschiff, welches mit dem¬<lb/> selben Steine parquet- oder mosaikartig gepflastert ist. Durch farbige Tücher,<lb/> meist roth und gold, ist die Kirche an den Wänden tapetenartig verziert.<lb/> Die Ausstattung der Altäre ist kostbar. Bilder, die oft von guten Meistern<lb/> sind, verherrlichen dieselben. Bänke befinden sich gewöhnlich nur in den<lb/> Nevcnccipellen und den Seitenschiffen. Im Hauptschiff verrichtet die fromme<lb/> Menge stehend oder knieend ihre Andacht. Fresken an den Decken sowie<lb/> Bildhaucrwerk, Marmor- und Alabasterzierrathen fehlen nirgends. Dagegen<lb/> trifft man höchst selten eine Kanzel. Predigt einmal ein Priester oder Mönch,<lb/> geht er an das Gitter des Presbitcriums und spricht von einem Stuhle aus;<lb/> doch steht letzterer in der Regel nur pro form« da, und der Redner zieht es<lb/> vor, zu seiner Gemeinde stehend zu sprechen. Orgeln sind ebenfalls selten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
jedes Mal etwas genieße. Abends ist das Haus am vollsten, zur Zeit der
Siesta am leersten. Vor dem Eingange befinden sich ebenfalls Tischchen und
Stühle, wo die Besucher, unter einer bunten Marquise gegen die Sonnen¬
strahlen geschützt, ihren Mokka schlürfend, den Platz oder den Corso beobachtend,
mehre beschauliche Stunden zubringen. . Zu allen Tageszeiten sprechen hier
Bettler vor und iincvmmodiren uns auf Schritt und Tritt mit ihren An¬
liegen. Jungen kommen und bitten, wenn wir ihnen kein Geld geben wollen,
ihnen wenigstens das Stückchen Cigarre zu überlassen, das wir im Munde
halten. Werfen wir es zufällig in die Stube oder aus die Straße hinaus,
so stürzen sich im Augenblick mehrere darauf los. Der Glückliche, welcher den
Preis erringt, benutzt seine Trophäe entweder zum Selbstgebrauch, oder er
sammelt solche Cigarrenstümpfe und verkauft sie an Tabakhändler, welche sie
trocknen, schneiden und als billigsten Tabak verkaufen. Der Nordländer, welcher
nach Italien kommt, muß sich von einer Masse von Borurtheilen frei machen,
wenn er dort mit leiblichem Behagen leben will. Im Kaffee hat er sich vor
Allem daran zu gewöhnen, Unreinlichkeit als ein nothwendiges Zubehör
anzusehen. schmutzige Servietten, zerbrochene Tassen, verbogene Löffel, zoll¬
hoch auf dem unausgekehrtcn Fußboden liegender Staub und Koth, die uuab-
gewischteu Spiegel und bestaubten Sofas, endlich die zum Theil ungewaschene >
Gesellschaft dürfen seinen Appetit nicht schmälern; er muß denken, daß Alles
in der Natur aus so und so vielen Elementen besteht, daß also der Begriff
„Schmutz" eigentlich nur ein Vorurtheil ist.
Wir wenden uns nun, da es Sonntag ist, und wir gute Christen sind,
in ti'e Kirche.
Das Innere derselben ist überall prunkvoll, aber selten geschmackvoll.
Die Kreuzesform ist die üblichste. Das Presbiterium sowie die Seitencapellen
sind kuppelartig gewölbt, und das Licht fällt durch buntes Glas von oben
herein. Säulen korinthischen, jonischen, dorischen und toskanischen Stiles
von verschiedenfarbigem Marmor tragen das Hauptschiff, welches mit dem¬
selben Steine parquet- oder mosaikartig gepflastert ist. Durch farbige Tücher,
meist roth und gold, ist die Kirche an den Wänden tapetenartig verziert.
Die Ausstattung der Altäre ist kostbar. Bilder, die oft von guten Meistern
sind, verherrlichen dieselben. Bänke befinden sich gewöhnlich nur in den
Nevcnccipellen und den Seitenschiffen. Im Hauptschiff verrichtet die fromme
Menge stehend oder knieend ihre Andacht. Fresken an den Decken sowie
Bildhaucrwerk, Marmor- und Alabasterzierrathen fehlen nirgends. Dagegen
trifft man höchst selten eine Kanzel. Predigt einmal ein Priester oder Mönch,
geht er an das Gitter des Presbitcriums und spricht von einem Stuhle aus;
doch steht letzterer in der Regel nur pro form« da, und der Redner zieht es
vor, zu seiner Gemeinde stehend zu sprechen. Orgeln sind ebenfalls selten.
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