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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Die englische Freilvilligeiilmvegimg und Preußen.*)

Unter den Gegenständen, welche grade jetzt die
öffentliche Theilnahme ganz Englands in Anspruch nehmen, stehen zwei allen
andern so sehr voran, daß wir nicht zu viel sagen werden, wenn wir behaup-
ten. es gibt keinen einzigen Bewohner des mächtigen Jnselreiches, dessen gespann¬
teste Aufmerksamkeit sich nicht auf sie richtete. Vom Premier bis zum letzten
Schreiber, vom höchsten Lord bis zum Tagelöhner, vom Börsenkönig bis zum
Straßenkehrer ist Alles erfüllt von zwei neuen Erscheinungen im Gebiete des
staatlichen Lebens: von dem ersten, ganz aus Eisen erbauten großen Kriegs¬
schiffe, dem Warrior, der glücklich vom Stapel gelaufen, und von den Frei-
wUligencorps. Fast täglich füllen die Times lange Seiten mit Betrachtungen
und Mittheilungen über diese beiden Erscheinungen. Kein Wunder, wenn es
so ist, da ihre unermeßliche Wichtigkeit schon der oberflächlichsten Betrach¬
tung sich aufdrängt. Die eisernen Schiffe bedeuten, daß England auch ferner die
erste Seemacht der Welt sein wird. Die Freiwilligencorps bedeuten seine
Sicherheit gegen eine Invasion. Wir wissen, welches Aufsehn es in England
machte, als das erste eisengcpcmzerte Schiff, la Gloire den Hafen von Toulon
verließ und über seine Brauchbarkeit, die bezweifelt worden war, günstige
Berichte einliefen. Man hatte behauptet, die Platten des Panzers würden
den ungeheuer verbesserten Geschützen doch nicht widerstehen, das Holz hinter
dem Eisen würde bald faulen. Daran zweifelte Niemand, daß ganz eiserne
Schiffe den Zweck, dem man nachging, selbst gegen die furchtbare neue Artillerie
geschützte Fahrzeuge zu haben, noch besser erfüllen würden. Aber wer sollte
es wagen, große Kriegsschiffe mit Dampf und Schraube -- denn das muß'
ten sie sein -- ganz aus Eisen zu bauen? Selbst die Regierung Englands
versuchte es nicht, aber eine Gesellschaft, die Themseschiffbaugesellschaft
es gewagt, und das große Problem ist gelöst. Der Warrior schwimmt bereit
in seinem Elemente, wie es scheint, nach einem veränderten Prinzipe für Trag'
kraft und Schnelligkeit glücklich vollendet. Er faßt 1500 Tonnen mehr als
das größte Schiff der Welt mit Ausnahme des Great Eastern, und er wird
seine untere Reihe Schießlöcher etwa 3 Fuß höher über dem Wasser habe"
als die Gloire und sie zugleich weithin an Schnelligkeit überholen. Es han-
delt sich hier also nur noch um etwas, worin England allen anderen Staate"
noch auf lange hin überlegen sein wird, um Geld, um Arbeitskraft un
Eisen. Es wird jetzt nur darauf ankommen, wer am schnellsten eine Eiscnslot^



") Der Verfasser ist ein hoher preußischer Offizier.
Die englische Freilvilligeiilmvegimg und Preußen.*)

Unter den Gegenständen, welche grade jetzt die
öffentliche Theilnahme ganz Englands in Anspruch nehmen, stehen zwei allen
andern so sehr voran, daß wir nicht zu viel sagen werden, wenn wir behaup-
ten. es gibt keinen einzigen Bewohner des mächtigen Jnselreiches, dessen gespann¬
teste Aufmerksamkeit sich nicht auf sie richtete. Vom Premier bis zum letzten
Schreiber, vom höchsten Lord bis zum Tagelöhner, vom Börsenkönig bis zum
Straßenkehrer ist Alles erfüllt von zwei neuen Erscheinungen im Gebiete des
staatlichen Lebens: von dem ersten, ganz aus Eisen erbauten großen Kriegs¬
schiffe, dem Warrior, der glücklich vom Stapel gelaufen, und von den Frei-
wUligencorps. Fast täglich füllen die Times lange Seiten mit Betrachtungen
und Mittheilungen über diese beiden Erscheinungen. Kein Wunder, wenn es
so ist, da ihre unermeßliche Wichtigkeit schon der oberflächlichsten Betrach¬
tung sich aufdrängt. Die eisernen Schiffe bedeuten, daß England auch ferner die
erste Seemacht der Welt sein wird. Die Freiwilligencorps bedeuten seine
Sicherheit gegen eine Invasion. Wir wissen, welches Aufsehn es in England
machte, als das erste eisengcpcmzerte Schiff, la Gloire den Hafen von Toulon
verließ und über seine Brauchbarkeit, die bezweifelt worden war, günstige
Berichte einliefen. Man hatte behauptet, die Platten des Panzers würden
den ungeheuer verbesserten Geschützen doch nicht widerstehen, das Holz hinter
dem Eisen würde bald faulen. Daran zweifelte Niemand, daß ganz eiserne
Schiffe den Zweck, dem man nachging, selbst gegen die furchtbare neue Artillerie
geschützte Fahrzeuge zu haben, noch besser erfüllen würden. Aber wer sollte
es wagen, große Kriegsschiffe mit Dampf und Schraube — denn das muß'
ten sie sein — ganz aus Eisen zu bauen? Selbst die Regierung Englands
versuchte es nicht, aber eine Gesellschaft, die Themseschiffbaugesellschaft
es gewagt, und das große Problem ist gelöst. Der Warrior schwimmt bereit
in seinem Elemente, wie es scheint, nach einem veränderten Prinzipe für Trag'
kraft und Schnelligkeit glücklich vollendet. Er faßt 1500 Tonnen mehr als
das größte Schiff der Welt mit Ausnahme des Great Eastern, und er wird
seine untere Reihe Schießlöcher etwa 3 Fuß höher über dem Wasser habe"
als die Gloire und sie zugleich weithin an Schnelligkeit überholen. Es han-
delt sich hier also nur noch um etwas, worin England allen anderen Staate»
noch auf lange hin überlegen sein wird, um Geld, um Arbeitskraft un
Eisen. Es wird jetzt nur darauf ankommen, wer am schnellsten eine Eiscnslot^



") Der Verfasser ist ein hoher preußischer Offizier.
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[0258] Die englische Freilvilligeiilmvegimg und Preußen.*) Unter den Gegenständen, welche grade jetzt die öffentliche Theilnahme ganz Englands in Anspruch nehmen, stehen zwei allen andern so sehr voran, daß wir nicht zu viel sagen werden, wenn wir behaup- ten. es gibt keinen einzigen Bewohner des mächtigen Jnselreiches, dessen gespann¬ teste Aufmerksamkeit sich nicht auf sie richtete. Vom Premier bis zum letzten Schreiber, vom höchsten Lord bis zum Tagelöhner, vom Börsenkönig bis zum Straßenkehrer ist Alles erfüllt von zwei neuen Erscheinungen im Gebiete des staatlichen Lebens: von dem ersten, ganz aus Eisen erbauten großen Kriegs¬ schiffe, dem Warrior, der glücklich vom Stapel gelaufen, und von den Frei- wUligencorps. Fast täglich füllen die Times lange Seiten mit Betrachtungen und Mittheilungen über diese beiden Erscheinungen. Kein Wunder, wenn es so ist, da ihre unermeßliche Wichtigkeit schon der oberflächlichsten Betrach¬ tung sich aufdrängt. Die eisernen Schiffe bedeuten, daß England auch ferner die erste Seemacht der Welt sein wird. Die Freiwilligencorps bedeuten seine Sicherheit gegen eine Invasion. Wir wissen, welches Aufsehn es in England machte, als das erste eisengcpcmzerte Schiff, la Gloire den Hafen von Toulon verließ und über seine Brauchbarkeit, die bezweifelt worden war, günstige Berichte einliefen. Man hatte behauptet, die Platten des Panzers würden den ungeheuer verbesserten Geschützen doch nicht widerstehen, das Holz hinter dem Eisen würde bald faulen. Daran zweifelte Niemand, daß ganz eiserne Schiffe den Zweck, dem man nachging, selbst gegen die furchtbare neue Artillerie geschützte Fahrzeuge zu haben, noch besser erfüllen würden. Aber wer sollte es wagen, große Kriegsschiffe mit Dampf und Schraube — denn das muß' ten sie sein — ganz aus Eisen zu bauen? Selbst die Regierung Englands versuchte es nicht, aber eine Gesellschaft, die Themseschiffbaugesellschaft es gewagt, und das große Problem ist gelöst. Der Warrior schwimmt bereit in seinem Elemente, wie es scheint, nach einem veränderten Prinzipe für Trag' kraft und Schnelligkeit glücklich vollendet. Er faßt 1500 Tonnen mehr als das größte Schiff der Welt mit Ausnahme des Great Eastern, und er wird seine untere Reihe Schießlöcher etwa 3 Fuß höher über dem Wasser habe" als die Gloire und sie zugleich weithin an Schnelligkeit überholen. Es han- delt sich hier also nur noch um etwas, worin England allen anderen Staate» noch auf lange hin überlegen sein wird, um Geld, um Arbeitskraft un Eisen. Es wird jetzt nur darauf ankommen, wer am schnellsten eine Eiscnslot^ ") Der Verfasser ist ein hoher preußischer Offizier.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/258>, abgerufen am 23.07.2024.