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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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deren alsdann 120 halten müssen. Woher diese Schiffe kommen, woher
ihre Bemannung, woher das Geld, und wozu sie endlich da sind, wenn nicht
um den gründlichen Bankerot aller jener Staaten herbeizuführen, oder zu be¬
schleunigen, darüber vernehmen wir wenig.

Die Kriege des letzten Jahrzehnts zu Land und zu Wasser sollten aber
doch lehren, daß die marktschreierisch anschwellenden Papierheere und Papier-
flotten einer bedeutenden Ermäßigung bedürfen, wo es den Ernst des Krieges
gilt. Wer an der Hand der Erfahrung und mit Würdigung der wirtlichen
Verhältnisse die Möglichkeiten erwägt, wird die zur kriegerischen Operation
verwendbaren Heere eines gesunden Staates auf allerhöchstens 1 Procent und
die Flotten nnr so hoch annehme" dürfen, daß die Hälfte der Mannschaft
der Handelsflotte dazu ausreicht. Was darüber, ist vom Uebel im Frieden,
weil es das Mark des Landes frißt, und unerschwinglich im Kriege, wo der
Ueberschuß höchstens zur Füllung der Lücken dient.

Die Bedeutung Venedigs und Triests für den orientalischen Handel sollte
Niemand in Abrede stellen. Ob aber je ein Welthandel in jenen Gegenden
sich wieder entwickeln kann, auch nach der Durchstechung der Landenge von
Suez, scheint uns nundestens sehr fraglich. Jedenfalls aber dünkt uns ein
freies Venedig für Deutschlands Handelsinteressen Wünschenswerther, als das
unter stetem Belagerungszustände befindliche. Wir fragen, was der Zustand
der deutschen Rheinlande sein würde, wenn Holland und Belgien östreichische Sn-
trapien wären?

Das Hauptargument des Verfassers indeß für die Wichtigkeit der strate¬
gischen Position ist die": daß die zu vertheidigende Linie nur 7 oder 3'/-
Meilen lang, daß sie eine doppelte, und daß sie durch die Kunst, d. h-
die vier Festungen, noch erheblich verstärkt sei. Wir wollen die Stärke
der Festungen an sich nicht bestreiten und es einem Blicke auf die Karte über¬
lassen, zu zeigen, daß die Etsch dem Mincio etwa parallel fließt; wir wollen
hinzufügen, daß der Mincio auf der 3^2 Meilen langen Strecke leicht, die Etsch
fast überall schwer zu Passiren ist. Dagegen müssen wir sehr bestimmt in Ab¬
rede stellen, daß die Vcrtheidigungslinie überall nur 3'/, oder 7 Meilen, d. h-
die Länge von Peschiera bis zu den Sümpfen von Mantua, resp, zum Po,
betrage.

Wir müssen ferner ausdrücklich bemerken, daß es darauf ankommt, den
Werth der strategischen Position Venetiens für einen allgemeinen Krieg zu er¬
wägen: so thut auch der Versasser, so seine Meinungsgenossen in der Presse
überhaupt. Denn gegen Italien allein, das gibt jeder zu, bedarf Oestreich
keiner so gewaltigen Vertheidigungsmittel; gegen Frankrejch und Italien aber
ist Oestreich entweder in seinen Erbländer durch die deutsche Neutralitätsgrenze
höchst bequem und sicher gedeckt und die Bedeutung Venedigs zur Schützung


deren alsdann 120 halten müssen. Woher diese Schiffe kommen, woher
ihre Bemannung, woher das Geld, und wozu sie endlich da sind, wenn nicht
um den gründlichen Bankerot aller jener Staaten herbeizuführen, oder zu be¬
schleunigen, darüber vernehmen wir wenig.

Die Kriege des letzten Jahrzehnts zu Land und zu Wasser sollten aber
doch lehren, daß die marktschreierisch anschwellenden Papierheere und Papier-
flotten einer bedeutenden Ermäßigung bedürfen, wo es den Ernst des Krieges
gilt. Wer an der Hand der Erfahrung und mit Würdigung der wirtlichen
Verhältnisse die Möglichkeiten erwägt, wird die zur kriegerischen Operation
verwendbaren Heere eines gesunden Staates auf allerhöchstens 1 Procent und
die Flotten nnr so hoch annehme» dürfen, daß die Hälfte der Mannschaft
der Handelsflotte dazu ausreicht. Was darüber, ist vom Uebel im Frieden,
weil es das Mark des Landes frißt, und unerschwinglich im Kriege, wo der
Ueberschuß höchstens zur Füllung der Lücken dient.

Die Bedeutung Venedigs und Triests für den orientalischen Handel sollte
Niemand in Abrede stellen. Ob aber je ein Welthandel in jenen Gegenden
sich wieder entwickeln kann, auch nach der Durchstechung der Landenge von
Suez, scheint uns nundestens sehr fraglich. Jedenfalls aber dünkt uns ein
freies Venedig für Deutschlands Handelsinteressen Wünschenswerther, als das
unter stetem Belagerungszustände befindliche. Wir fragen, was der Zustand
der deutschen Rheinlande sein würde, wenn Holland und Belgien östreichische Sn-
trapien wären?

Das Hauptargument des Verfassers indeß für die Wichtigkeit der strate¬
gischen Position ist die«: daß die zu vertheidigende Linie nur 7 oder 3'/-
Meilen lang, daß sie eine doppelte, und daß sie durch die Kunst, d. h-
die vier Festungen, noch erheblich verstärkt sei. Wir wollen die Stärke
der Festungen an sich nicht bestreiten und es einem Blicke auf die Karte über¬
lassen, zu zeigen, daß die Etsch dem Mincio etwa parallel fließt; wir wollen
hinzufügen, daß der Mincio auf der 3^2 Meilen langen Strecke leicht, die Etsch
fast überall schwer zu Passiren ist. Dagegen müssen wir sehr bestimmt in Ab¬
rede stellen, daß die Vcrtheidigungslinie überall nur 3'/, oder 7 Meilen, d. h-
die Länge von Peschiera bis zu den Sümpfen von Mantua, resp, zum Po,
betrage.

Wir müssen ferner ausdrücklich bemerken, daß es darauf ankommt, den
Werth der strategischen Position Venetiens für einen allgemeinen Krieg zu er¬
wägen: so thut auch der Versasser, so seine Meinungsgenossen in der Presse
überhaupt. Denn gegen Italien allein, das gibt jeder zu, bedarf Oestreich
keiner so gewaltigen Vertheidigungsmittel; gegen Frankrejch und Italien aber
ist Oestreich entweder in seinen Erbländer durch die deutsche Neutralitätsgrenze
höchst bequem und sicher gedeckt und die Bedeutung Venedigs zur Schützung


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[0252] deren alsdann 120 halten müssen. Woher diese Schiffe kommen, woher ihre Bemannung, woher das Geld, und wozu sie endlich da sind, wenn nicht um den gründlichen Bankerot aller jener Staaten herbeizuführen, oder zu be¬ schleunigen, darüber vernehmen wir wenig. Die Kriege des letzten Jahrzehnts zu Land und zu Wasser sollten aber doch lehren, daß die marktschreierisch anschwellenden Papierheere und Papier- flotten einer bedeutenden Ermäßigung bedürfen, wo es den Ernst des Krieges gilt. Wer an der Hand der Erfahrung und mit Würdigung der wirtlichen Verhältnisse die Möglichkeiten erwägt, wird die zur kriegerischen Operation verwendbaren Heere eines gesunden Staates auf allerhöchstens 1 Procent und die Flotten nnr so hoch annehme» dürfen, daß die Hälfte der Mannschaft der Handelsflotte dazu ausreicht. Was darüber, ist vom Uebel im Frieden, weil es das Mark des Landes frißt, und unerschwinglich im Kriege, wo der Ueberschuß höchstens zur Füllung der Lücken dient. Die Bedeutung Venedigs und Triests für den orientalischen Handel sollte Niemand in Abrede stellen. Ob aber je ein Welthandel in jenen Gegenden sich wieder entwickeln kann, auch nach der Durchstechung der Landenge von Suez, scheint uns nundestens sehr fraglich. Jedenfalls aber dünkt uns ein freies Venedig für Deutschlands Handelsinteressen Wünschenswerther, als das unter stetem Belagerungszustände befindliche. Wir fragen, was der Zustand der deutschen Rheinlande sein würde, wenn Holland und Belgien östreichische Sn- trapien wären? Das Hauptargument des Verfassers indeß für die Wichtigkeit der strate¬ gischen Position ist die«: daß die zu vertheidigende Linie nur 7 oder 3'/- Meilen lang, daß sie eine doppelte, und daß sie durch die Kunst, d. h- die vier Festungen, noch erheblich verstärkt sei. Wir wollen die Stärke der Festungen an sich nicht bestreiten und es einem Blicke auf die Karte über¬ lassen, zu zeigen, daß die Etsch dem Mincio etwa parallel fließt; wir wollen hinzufügen, daß der Mincio auf der 3^2 Meilen langen Strecke leicht, die Etsch fast überall schwer zu Passiren ist. Dagegen müssen wir sehr bestimmt in Ab¬ rede stellen, daß die Vcrtheidigungslinie überall nur 3'/, oder 7 Meilen, d. h- die Länge von Peschiera bis zu den Sümpfen von Mantua, resp, zum Po, betrage. Wir müssen ferner ausdrücklich bemerken, daß es darauf ankommt, den Werth der strategischen Position Venetiens für einen allgemeinen Krieg zu er¬ wägen: so thut auch der Versasser, so seine Meinungsgenossen in der Presse überhaupt. Denn gegen Italien allein, das gibt jeder zu, bedarf Oestreich keiner so gewaltigen Vertheidigungsmittel; gegen Frankrejch und Italien aber ist Oestreich entweder in seinen Erbländer durch die deutsche Neutralitätsgrenze höchst bequem und sicher gedeckt und die Bedeutung Venedigs zur Schützung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/252>, abgerufen am 22.07.2024.