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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Kenntniß der Verhältnisse jener Zeit beweisen, die Gefahren, welche mit jedem
der empfohlenen Stände verbunden sind, erklärt jedoch schließlich das eheliche
Leben für das beste und fügt noch bei, er möge, was ihm Gott gegeben, mit
gutem Gewissen genießen, allhier seliglich sterben und dort in jener Welt die
ewige Seligfeit erlangen. Nun entrollt sich, als Drama im Drama, vor dem
Auge des Jünglings eine Reihe von Bildern, die das menschliche Leben ab¬
spiegeln. Die Composition ist durchweg eine unkünstlerischc, sie folgt dem
Leitfaden des Katechismus, in dem sie die lieblichen Werke der Barmherzig¬
keit im Gegensatze zu den Todsünden versinnlicht.

Ein frommer mildthätiger Mann besucht den Markt mit seinem hoffär-
tigen Weibe, welches lieber in einem schönen Garten sich an den wolriechen¬
den Röslein und Blumen erlustigen möchte, als hier unter stinkenden Waaren
die Kleider verderben. Er sagt, es sei jetzt Theurung, man müßte den Armen
zu Hilfe kommen und Gott nachahmen, der für Menschen und Thiere sorge.
Sie erwidert spitzig: "O mein Herr, vermeinet ihr es Gott nachzuthun, so ziehet
eure Hosen und Schuhe ub und gehet barfuß, es wird euch bald verdrießen/'
Er kehrt sich nicht daran und trägt trotz ihres Spottes dem Diener auf, M
die versammelten Hausarmen Lebensmittel zu kaufen. Nun folgt die Straft
der bösen Frau. Die zweite Scene zeigt sie auf dem Krankenbette, wo sie vor
dem Priester jammert: "Mich dünkt doch nit anders, mein Leib und Seel.
Mark und Bein, Herz und Gemüt empfinden all bereits den Rauch, Gestank
und Flammen des ewigen Feuers. O weh meiner armen betrübten Seel!"
Der Priester tröstet sie mit dem Leiden Christi, der für uns alle sein Blut
vergossen, und reicht ihr, während die Chöre der Engel den Psalm anstimmen:


"lanhUÄw aurum in tornaoe probavit."

die Sterbsacrcimente. Sie stirbt, ihre Seele fährt zwar nicht in die Hölle,
jedoch in das Fegfeuer, wo sie unter schrecklichen Qualen jammert, bis ein
Engel niederschwebt und sie tröstet, weil sich Gott ihrer bald erbarmen werde,

Das zweite Werk der Barmherzigkeit gebeut die Durstigen zu tränken, ihm
werden Zorn und Geiz gegenübergestellt. Man erblickt in der Nähe eines
Brunnens zwei Männer im Gespräche:

Der erste: O lieber Gott, wie dürft es mich so hart!

Der zweite: Es dürft mich wahrlich auch, wir wollen dort zum nächste"
Brunnen gehen.

Der erste: Was ists, wenn wir schon lang dahin gehen, ist es doch ein
Schöpfbrunn, und wir sind krumm und lahm, können uns doch kein Waffe>
heraufschöpfen.

Der zweite: El lieber Gesell, kümmere dich nichts, laß uns nur herum¬
gehen, etwa kommt ein guter frommer Mann, der sich über uns erbarmet.
Da erscheint der Fromme mit seinem Knechte, legt Rock und Degen ab


Kenntniß der Verhältnisse jener Zeit beweisen, die Gefahren, welche mit jedem
der empfohlenen Stände verbunden sind, erklärt jedoch schließlich das eheliche
Leben für das beste und fügt noch bei, er möge, was ihm Gott gegeben, mit
gutem Gewissen genießen, allhier seliglich sterben und dort in jener Welt die
ewige Seligfeit erlangen. Nun entrollt sich, als Drama im Drama, vor dem
Auge des Jünglings eine Reihe von Bildern, die das menschliche Leben ab¬
spiegeln. Die Composition ist durchweg eine unkünstlerischc, sie folgt dem
Leitfaden des Katechismus, in dem sie die lieblichen Werke der Barmherzig¬
keit im Gegensatze zu den Todsünden versinnlicht.

Ein frommer mildthätiger Mann besucht den Markt mit seinem hoffär-
tigen Weibe, welches lieber in einem schönen Garten sich an den wolriechen¬
den Röslein und Blumen erlustigen möchte, als hier unter stinkenden Waaren
die Kleider verderben. Er sagt, es sei jetzt Theurung, man müßte den Armen
zu Hilfe kommen und Gott nachahmen, der für Menschen und Thiere sorge.
Sie erwidert spitzig: „O mein Herr, vermeinet ihr es Gott nachzuthun, so ziehet
eure Hosen und Schuhe ub und gehet barfuß, es wird euch bald verdrießen/'
Er kehrt sich nicht daran und trägt trotz ihres Spottes dem Diener auf, M
die versammelten Hausarmen Lebensmittel zu kaufen. Nun folgt die Straft
der bösen Frau. Die zweite Scene zeigt sie auf dem Krankenbette, wo sie vor
dem Priester jammert: „Mich dünkt doch nit anders, mein Leib und Seel.
Mark und Bein, Herz und Gemüt empfinden all bereits den Rauch, Gestank
und Flammen des ewigen Feuers. O weh meiner armen betrübten Seel!"
Der Priester tröstet sie mit dem Leiden Christi, der für uns alle sein Blut
vergossen, und reicht ihr, während die Chöre der Engel den Psalm anstimmen:


„lanhUÄw aurum in tornaoe probavit."

die Sterbsacrcimente. Sie stirbt, ihre Seele fährt zwar nicht in die Hölle,
jedoch in das Fegfeuer, wo sie unter schrecklichen Qualen jammert, bis ein
Engel niederschwebt und sie tröstet, weil sich Gott ihrer bald erbarmen werde,

Das zweite Werk der Barmherzigkeit gebeut die Durstigen zu tränken, ihm
werden Zorn und Geiz gegenübergestellt. Man erblickt in der Nähe eines
Brunnens zwei Männer im Gespräche:

Der erste: O lieber Gott, wie dürft es mich so hart!

Der zweite: Es dürft mich wahrlich auch, wir wollen dort zum nächste"
Brunnen gehen.

Der erste: Was ists, wenn wir schon lang dahin gehen, ist es doch ein
Schöpfbrunn, und wir sind krumm und lahm, können uns doch kein Waffe>
heraufschöpfen.

Der zweite: El lieber Gesell, kümmere dich nichts, laß uns nur herum¬
gehen, etwa kommt ein guter frommer Mann, der sich über uns erbarmet.
Da erscheint der Fromme mit seinem Knechte, legt Rock und Degen ab


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[0230] Kenntniß der Verhältnisse jener Zeit beweisen, die Gefahren, welche mit jedem der empfohlenen Stände verbunden sind, erklärt jedoch schließlich das eheliche Leben für das beste und fügt noch bei, er möge, was ihm Gott gegeben, mit gutem Gewissen genießen, allhier seliglich sterben und dort in jener Welt die ewige Seligfeit erlangen. Nun entrollt sich, als Drama im Drama, vor dem Auge des Jünglings eine Reihe von Bildern, die das menschliche Leben ab¬ spiegeln. Die Composition ist durchweg eine unkünstlerischc, sie folgt dem Leitfaden des Katechismus, in dem sie die lieblichen Werke der Barmherzig¬ keit im Gegensatze zu den Todsünden versinnlicht. Ein frommer mildthätiger Mann besucht den Markt mit seinem hoffär- tigen Weibe, welches lieber in einem schönen Garten sich an den wolriechen¬ den Röslein und Blumen erlustigen möchte, als hier unter stinkenden Waaren die Kleider verderben. Er sagt, es sei jetzt Theurung, man müßte den Armen zu Hilfe kommen und Gott nachahmen, der für Menschen und Thiere sorge. Sie erwidert spitzig: „O mein Herr, vermeinet ihr es Gott nachzuthun, so ziehet eure Hosen und Schuhe ub und gehet barfuß, es wird euch bald verdrießen/' Er kehrt sich nicht daran und trägt trotz ihres Spottes dem Diener auf, M die versammelten Hausarmen Lebensmittel zu kaufen. Nun folgt die Straft der bösen Frau. Die zweite Scene zeigt sie auf dem Krankenbette, wo sie vor dem Priester jammert: „Mich dünkt doch nit anders, mein Leib und Seel. Mark und Bein, Herz und Gemüt empfinden all bereits den Rauch, Gestank und Flammen des ewigen Feuers. O weh meiner armen betrübten Seel!" Der Priester tröstet sie mit dem Leiden Christi, der für uns alle sein Blut vergossen, und reicht ihr, während die Chöre der Engel den Psalm anstimmen: „lanhUÄw aurum in tornaoe probavit." die Sterbsacrcimente. Sie stirbt, ihre Seele fährt zwar nicht in die Hölle, jedoch in das Fegfeuer, wo sie unter schrecklichen Qualen jammert, bis ein Engel niederschwebt und sie tröstet, weil sich Gott ihrer bald erbarmen werde, Das zweite Werk der Barmherzigkeit gebeut die Durstigen zu tränken, ihm werden Zorn und Geiz gegenübergestellt. Man erblickt in der Nähe eines Brunnens zwei Männer im Gespräche: Der erste: O lieber Gott, wie dürft es mich so hart! Der zweite: Es dürft mich wahrlich auch, wir wollen dort zum nächste" Brunnen gehen. Der erste: Was ists, wenn wir schon lang dahin gehen, ist es doch ein Schöpfbrunn, und wir sind krumm und lahm, können uns doch kein Waffe> heraufschöpfen. Der zweite: El lieber Gesell, kümmere dich nichts, laß uns nur herum¬ gehen, etwa kommt ein guter frommer Mann, der sich über uns erbarmet. Da erscheint der Fromme mit seinem Knechte, legt Rock und Degen ab

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/230>, abgerufen am 26.08.2024.