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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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wurde er neuerdings durch Redwitz, der seine Vermählung mit der schönen
Philippine Weiser in einem Drama behandelte, vorgeführt.

Von ihm liegt uns ein merkwürdiges Schauspiel vor. welches unter dem
Titel: "Eine schöne Comödie. 8x<zeulum viwe IiumkwÄL, auf deutsch ein Spie¬
gel des menschlichen Lebens" 1584 in der fürstlichen Stadt Insbruck durch
Johan Pawer gedruckt wurde. Die Einleitung sagt, es sei von dem durch-
lciuchtigsten Fürsten selbst erdacht und gemacht und auf seine Erlaubniß in
Druck gegeben worden, damit der Leser alles desto besser ins Gedächtniß fasse,
sein Leben darnach richten und bessern möge. Das Stück, welches ich bisher
in keinem Werke deutscher Literatur erwähnt fand, ist jedenfalls für die Ge-
schichte des Dramas von Belang und auch abgesehn von jeder streng wissen¬
schaftlichen Beziehung durch Form und Inhalt interessant. Wer freilich beim
Gemahl der holden Philippine süße Liebeslieder sucht, geht seht; der Charakter
dieser "Comödie" ist durchweg prosaisch und moralisirend. obgleich sich in den
Gestalten mitunter ein kräftigeres und individuelleres Leben regt, als in den
meisten Erzeugnissen jener Spützeit nach der Reformation. Man denkt hier
und da an Hans Sachs, während die Scenerie, welche uns sogar den Thron
der heiligen Dreifaltigkeit und der Mutter Gottes vor Augen stellt, an Faust
erinnern möchte, wenn auch von dem hohen Schwunge dieser Dichtung hier
durchaus nichts zu spüren ist.

Die Bühne zeigt, nachdem sich der Vorhang gehoben, die Chöre der
Engel, welche unter Musikbegleitung den Psalm beginnen: I^auäate vommum
6ö teri-g., ciraeonos et onmW "l^ssi! Nachdem sie geendet, tritt lustwandelnd
W der schönen Landschaft ein Jüngling von vornehmem Stande auf. ihn be¬
reiten sein Hofmeister, der Stallmeister. Secretär und Hausmeister. Er fragt
su um Rath, wie er seine Jugend mit Ehren hinbringen solle? Der erste em¬
pfiehlt ihm. er solle sich an den Hof begeben; denn es sei ein feines Ding,
wenn ein Herr seine Unterthanen und die Unterthanen ihren Herrn erkennen
lernen, wodurch Beider Liebe und Vertrauen gegeneinander wachsen. Der
Weite empfiehlt den Waffendienst; denn das Kriegswesen sei das lustigste Leben
auf der Welt. Der dritte meint, nachdem er seinen Schrecken vor Pulver und
Lanzen ausgedrückt, er möge auf Reisen gehen. Der vierte spricht: "das beste
Wär. Euer Gnaden ließen sich umsehen, ob ein schönes, junges, häusliches
Fräulein dem Stand und Herkommen gemäß und von einem fruchtbaren Ge¬
schlecht vorhanden wäre, die nit viel in Städten und an 'Höfen erzogen, so
bei allen Kirchweihen, Hochzeiten und Banketten sein wöllen. und verheurathen
fich mit ihr."

Da erscheint ein alter Einsiedler, der aus himmlischer Eingebung weiß,
daß sich der Jüngling nicht entschließen kann, welchen Weg er einzuschlagen.
^ zeichnet dem jungen Edelmann mit scharfen Worten, die eine gründliche


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wurde er neuerdings durch Redwitz, der seine Vermählung mit der schönen
Philippine Weiser in einem Drama behandelte, vorgeführt.

Von ihm liegt uns ein merkwürdiges Schauspiel vor. welches unter dem
Titel: „Eine schöne Comödie. 8x<zeulum viwe IiumkwÄL, auf deutsch ein Spie¬
gel des menschlichen Lebens" 1584 in der fürstlichen Stadt Insbruck durch
Johan Pawer gedruckt wurde. Die Einleitung sagt, es sei von dem durch-
lciuchtigsten Fürsten selbst erdacht und gemacht und auf seine Erlaubniß in
Druck gegeben worden, damit der Leser alles desto besser ins Gedächtniß fasse,
sein Leben darnach richten und bessern möge. Das Stück, welches ich bisher
in keinem Werke deutscher Literatur erwähnt fand, ist jedenfalls für die Ge-
schichte des Dramas von Belang und auch abgesehn von jeder streng wissen¬
schaftlichen Beziehung durch Form und Inhalt interessant. Wer freilich beim
Gemahl der holden Philippine süße Liebeslieder sucht, geht seht; der Charakter
dieser „Comödie" ist durchweg prosaisch und moralisirend. obgleich sich in den
Gestalten mitunter ein kräftigeres und individuelleres Leben regt, als in den
meisten Erzeugnissen jener Spützeit nach der Reformation. Man denkt hier
und da an Hans Sachs, während die Scenerie, welche uns sogar den Thron
der heiligen Dreifaltigkeit und der Mutter Gottes vor Augen stellt, an Faust
erinnern möchte, wenn auch von dem hohen Schwunge dieser Dichtung hier
durchaus nichts zu spüren ist.

Die Bühne zeigt, nachdem sich der Vorhang gehoben, die Chöre der
Engel, welche unter Musikbegleitung den Psalm beginnen: I^auäate vommum
6ö teri-g., ciraeonos et onmW »l^ssi! Nachdem sie geendet, tritt lustwandelnd
W der schönen Landschaft ein Jüngling von vornehmem Stande auf. ihn be¬
reiten sein Hofmeister, der Stallmeister. Secretär und Hausmeister. Er fragt
su um Rath, wie er seine Jugend mit Ehren hinbringen solle? Der erste em¬
pfiehlt ihm. er solle sich an den Hof begeben; denn es sei ein feines Ding,
wenn ein Herr seine Unterthanen und die Unterthanen ihren Herrn erkennen
lernen, wodurch Beider Liebe und Vertrauen gegeneinander wachsen. Der
Weite empfiehlt den Waffendienst; denn das Kriegswesen sei das lustigste Leben
auf der Welt. Der dritte meint, nachdem er seinen Schrecken vor Pulver und
Lanzen ausgedrückt, er möge auf Reisen gehen. Der vierte spricht: „das beste
Wär. Euer Gnaden ließen sich umsehen, ob ein schönes, junges, häusliches
Fräulein dem Stand und Herkommen gemäß und von einem fruchtbaren Ge¬
schlecht vorhanden wäre, die nit viel in Städten und an 'Höfen erzogen, so
bei allen Kirchweihen, Hochzeiten und Banketten sein wöllen. und verheurathen
fich mit ihr."

Da erscheint ein alter Einsiedler, der aus himmlischer Eingebung weiß,
daß sich der Jüngling nicht entschließen kann, welchen Weg er einzuschlagen.
^ zeichnet dem jungen Edelmann mit scharfen Worten, die eine gründliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/229>, abgerufen am 26.08.2024.