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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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ZeiMser Studenten im Zähre 1687.

Nachstehende Skizze aus dem Studentenleben Jenas sollte bei Gelegen¬
heit der Jubiläumsfeier veröffentlicht werden, wo die Mittheilung sich vielleicht
noch aus andern Gründen hätte rechtfertigen lassen. Es unterblieb damals we¬
gen zufälliger äußerer Hindernisse, Aber auch jetzt noch dürfte diese Schilderung
Interesse erregen, da sie viele charakteristische Züge aus dem jugendlichen Trei¬
ben der damaligen Studenten in lebhafter Darstellung enthält. Der Held und
Verfasser nahm später in Weimar eine sehr ehrenvolle Stellung ein, und HZt
die summarische Erzählung, wie er in der Überschrift sagt. Andern zur Nach¬
licht, sich zur Warnung niedergeschrieben. Wir geben sie, einige Kürzungen
abgerechnet, ohne Veränderung wieder, weil eine Umarbeitung den ursprüng¬
lichen Charakter verwischt hätte, und der Stil trotz einiger veralteten Wen¬
dungen leicht verständlich ist. Nur die Mittheilung einer Anzahl sehr ergötz¬
licher Randglossen müssen wir uns versagen.

Daß ein Mensch unglücklicher als der andere, auch Manchem eher Un¬
glück als Glück zu Händen stoße, habe ich leider mehr als zu sehr und zwar
mit meinem großen Schaden erfahren müssen. Denn als am 17. Juli 1687
unserer zehn bei Mr. Härtung it.. swä. in Herrn Dr. Fuchsens Hause zu
Jena beisammen schmaußten, und etliche unter uns sich im Geigen übten,
kam unserm Hvspiti Härtung eine Lust zu tanzen an. Da nun in dem Hause.
Wo wir lustig waren, im untern Stock die Frau Neuenhahn mit ihren beiden
Jgfr. Töchtern wohnte, so ging er herunter, um deroselben bemeldete Jgfr.
Töchter auf ein Ehrentänzchen zu laden. Nachdem er nun hinuntergekommen,
ist Martin Matthäi, Skua. tkeol, da, um einen Besuch abzustatten, welchen
Härtung, weil er die Jungfern wegführte, des Anstandswegen nothwendig in-
vitiren mußte, mit hinauf auf ein Pfeifchen Tabak und ein Tänzchen zu kom¬
men, wofern ihm die Gesellschaft beliebig sein möchte. Er hätte viel besser
gethan, wenn er ihn nicht eingeladen! Da nun derselbe zugleich mit hinauf
k"in. so begrüßten wir ihn zugleich mit den beiden Jungfern, und baten ihn
höflichst, sich niederzulassen, sich mit uns lustig zu machen, und sich unsere
Weise gefallen zu lassen. Einer von uns trank ihm sodann zu, und er that
'n freundlicher Weise Bescheid. Weil nun das Frauenzimmer angekommen
^"r. so durste man es nicht lange brach liegen lassen. Deshalb faßte Här¬
tung die älteste Jungfer Neuenhahn, nachdem er ihr zuvor ein Gläschen zu¬
getrunken, an, und tanzte. Ihm folgte sogleich ein anderer aus unserer Mitte,
Welcher die jüngste Jungfer Neuenhahn aufforderte. Nachdem sie nun etliche


Grenzboten I. 1861. 27
ZeiMser Studenten im Zähre 1687.

Nachstehende Skizze aus dem Studentenleben Jenas sollte bei Gelegen¬
heit der Jubiläumsfeier veröffentlicht werden, wo die Mittheilung sich vielleicht
noch aus andern Gründen hätte rechtfertigen lassen. Es unterblieb damals we¬
gen zufälliger äußerer Hindernisse, Aber auch jetzt noch dürfte diese Schilderung
Interesse erregen, da sie viele charakteristische Züge aus dem jugendlichen Trei¬
ben der damaligen Studenten in lebhafter Darstellung enthält. Der Held und
Verfasser nahm später in Weimar eine sehr ehrenvolle Stellung ein, und HZt
die summarische Erzählung, wie er in der Überschrift sagt. Andern zur Nach¬
licht, sich zur Warnung niedergeschrieben. Wir geben sie, einige Kürzungen
abgerechnet, ohne Veränderung wieder, weil eine Umarbeitung den ursprüng¬
lichen Charakter verwischt hätte, und der Stil trotz einiger veralteten Wen¬
dungen leicht verständlich ist. Nur die Mittheilung einer Anzahl sehr ergötz¬
licher Randglossen müssen wir uns versagen.

Daß ein Mensch unglücklicher als der andere, auch Manchem eher Un¬
glück als Glück zu Händen stoße, habe ich leider mehr als zu sehr und zwar
mit meinem großen Schaden erfahren müssen. Denn als am 17. Juli 1687
unserer zehn bei Mr. Härtung it.. swä. in Herrn Dr. Fuchsens Hause zu
Jena beisammen schmaußten, und etliche unter uns sich im Geigen übten,
kam unserm Hvspiti Härtung eine Lust zu tanzen an. Da nun in dem Hause.
Wo wir lustig waren, im untern Stock die Frau Neuenhahn mit ihren beiden
Jgfr. Töchtern wohnte, so ging er herunter, um deroselben bemeldete Jgfr.
Töchter auf ein Ehrentänzchen zu laden. Nachdem er nun hinuntergekommen,
ist Martin Matthäi, Skua. tkeol, da, um einen Besuch abzustatten, welchen
Härtung, weil er die Jungfern wegführte, des Anstandswegen nothwendig in-
vitiren mußte, mit hinauf auf ein Pfeifchen Tabak und ein Tänzchen zu kom¬
men, wofern ihm die Gesellschaft beliebig sein möchte. Er hätte viel besser
gethan, wenn er ihn nicht eingeladen! Da nun derselbe zugleich mit hinauf
k«in. so begrüßten wir ihn zugleich mit den beiden Jungfern, und baten ihn
höflichst, sich niederzulassen, sich mit uns lustig zu machen, und sich unsere
Weise gefallen zu lassen. Einer von uns trank ihm sodann zu, und er that
'n freundlicher Weise Bescheid. Weil nun das Frauenzimmer angekommen
^«r. so durste man es nicht lange brach liegen lassen. Deshalb faßte Här¬
tung die älteste Jungfer Neuenhahn, nachdem er ihr zuvor ein Gläschen zu¬
getrunken, an, und tanzte. Ihm folgte sogleich ein anderer aus unserer Mitte,
Welcher die jüngste Jungfer Neuenhahn aufforderte. Nachdem sie nun etliche


Grenzboten I. 1861. 27
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[0219] ZeiMser Studenten im Zähre 1687. Nachstehende Skizze aus dem Studentenleben Jenas sollte bei Gelegen¬ heit der Jubiläumsfeier veröffentlicht werden, wo die Mittheilung sich vielleicht noch aus andern Gründen hätte rechtfertigen lassen. Es unterblieb damals we¬ gen zufälliger äußerer Hindernisse, Aber auch jetzt noch dürfte diese Schilderung Interesse erregen, da sie viele charakteristische Züge aus dem jugendlichen Trei¬ ben der damaligen Studenten in lebhafter Darstellung enthält. Der Held und Verfasser nahm später in Weimar eine sehr ehrenvolle Stellung ein, und HZt die summarische Erzählung, wie er in der Überschrift sagt. Andern zur Nach¬ licht, sich zur Warnung niedergeschrieben. Wir geben sie, einige Kürzungen abgerechnet, ohne Veränderung wieder, weil eine Umarbeitung den ursprüng¬ lichen Charakter verwischt hätte, und der Stil trotz einiger veralteten Wen¬ dungen leicht verständlich ist. Nur die Mittheilung einer Anzahl sehr ergötz¬ licher Randglossen müssen wir uns versagen. Daß ein Mensch unglücklicher als der andere, auch Manchem eher Un¬ glück als Glück zu Händen stoße, habe ich leider mehr als zu sehr und zwar mit meinem großen Schaden erfahren müssen. Denn als am 17. Juli 1687 unserer zehn bei Mr. Härtung it.. swä. in Herrn Dr. Fuchsens Hause zu Jena beisammen schmaußten, und etliche unter uns sich im Geigen übten, kam unserm Hvspiti Härtung eine Lust zu tanzen an. Da nun in dem Hause. Wo wir lustig waren, im untern Stock die Frau Neuenhahn mit ihren beiden Jgfr. Töchtern wohnte, so ging er herunter, um deroselben bemeldete Jgfr. Töchter auf ein Ehrentänzchen zu laden. Nachdem er nun hinuntergekommen, ist Martin Matthäi, Skua. tkeol, da, um einen Besuch abzustatten, welchen Härtung, weil er die Jungfern wegführte, des Anstandswegen nothwendig in- vitiren mußte, mit hinauf auf ein Pfeifchen Tabak und ein Tänzchen zu kom¬ men, wofern ihm die Gesellschaft beliebig sein möchte. Er hätte viel besser gethan, wenn er ihn nicht eingeladen! Da nun derselbe zugleich mit hinauf k«in. so begrüßten wir ihn zugleich mit den beiden Jungfern, und baten ihn höflichst, sich niederzulassen, sich mit uns lustig zu machen, und sich unsere Weise gefallen zu lassen. Einer von uns trank ihm sodann zu, und er that 'n freundlicher Weise Bescheid. Weil nun das Frauenzimmer angekommen ^«r. so durste man es nicht lange brach liegen lassen. Deshalb faßte Här¬ tung die älteste Jungfer Neuenhahn, nachdem er ihr zuvor ein Gläschen zu¬ getrunken, an, und tanzte. Ihm folgte sogleich ein anderer aus unserer Mitte, Welcher die jüngste Jungfer Neuenhahn aufforderte. Nachdem sie nun etliche Grenzboten I. 1861. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/219>, abgerufen am 27.08.2024.