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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Vortheil richtig erkennen, so werde" die Kausieute, d. h. die Buckhändler, in
der Regel bemüht sein, diese Waare wirklich zu liefern. -- Die Darstellung
ist gewiß nicht überschwenglich, sondern sehr nüchtern, sie ist aber der sicherste
Beleg, daß in der Presse wie in dem Gewerbe freie Concurrenz. d. h. unbe¬
dingte Preßfreiheit. dem Zweck am besten entspricht, daß durch sie das Publicum
im Durchschnitt wirklich gefördert und zwar so weit gefördert wird, als es im
Stande rst zu gehen. -- So viel, um das Princip der Wechselwirkung zu
erläutern.

Da Professor Gneist weder in Bezug auf die Wahlen -noch auf die freie
Meinungsäußerung der Presse in der öffentlichen Meinung eine genügende
Garantie für daß Staatsleben erblickt, da er vielmehr in beiden den noth¬
wendigen Grund des Verfalls der staatlichen Beziehungen in rein gesellschaft¬
liche Beziehungen zu erkennen glaubt (beiläufig ein Unterschied, der uns nicht
recht deutlich geworden ist, der aber wol ungefähr auf das herauskommen
wird, was die Kreuzzeitung unter dem Gegensatz zwischen "Corporation" und
"Association" versteht) so ist er genöthigt auf andere -Hülfsmittel zu sinnen.
Er findet zwei.

Einmal will er das Publicum durch Amtsgentry ersetzen. Nicht die Zei-
wngsleser sollen den Staat regieren, sondern diejenigen, die im Organismus
des Staats obrigkeitlich oder administrativ betheiligt sind. Ob wir hier voll¬
ständig errathen, was er eigentlich meint, können wir nicht behaupten, denn
seine Ausdrücke sind oft sehr gewunden und metaphysisch. Wir wollen die
Sache ins Concrete zu übersetzen suchen.

Eine Stadtverwaltung hat verschiedene Ausgaben: Straßenpolizei. An-
leguiig von öffentlichen Gebäuden u. s. w. Dazu bedarf sie Einnahmen, die
unter die Bewohner repartirt werden. Damit die Obrigkeit nun nicht will¬
kürlich verfährt, hat man ihr Stadtverordnete zur Seite gesetzt, die, wenn
der Nath auf Kosten der Gemeinde zu viel unternehmen will, ihn beschränken,
wo er saumselig ist, ihn antreiben, die Art der Steuer ihm bestimmen, die
Stadtgesctze bewilligen, die richtige Durchführung desselben überwachen u. s. w.

Wer soll nun diese Stadtverordneten wählen? Der Vernunft nach alle
diejenigen, welche bei der zweckmäßigen Anordnung und richtigen Ausübung
der Gesetze betheiligt sind. d. h. die gesammte Einwohnerschaft, das gesammte
Publicum. Wo hier die Amtsgentry zu finden sein soll, würde uns Herr
Gneist schwerlich weisen können; wol aber wissen es die consequenten Gegner
der Freiheit: die Amtsgentry sind die Patricier, die Hausbesitzer, die erd-
,gefesselte Bürgerschaft, die Zunftvorsteher u. s. w. -- Nicht Association son¬
dern Corporation! -- Auf den Staat angewendet, dessen Haushalt im We¬
sentliche,, doch nur ein erweiterter Stndthaushalt ist. heißt die Antwort: die
Amtsgentry sind die Stände.


Vortheil richtig erkennen, so werde» die Kausieute, d. h. die Buckhändler, in
der Regel bemüht sein, diese Waare wirklich zu liefern. — Die Darstellung
ist gewiß nicht überschwenglich, sondern sehr nüchtern, sie ist aber der sicherste
Beleg, daß in der Presse wie in dem Gewerbe freie Concurrenz. d. h. unbe¬
dingte Preßfreiheit. dem Zweck am besten entspricht, daß durch sie das Publicum
im Durchschnitt wirklich gefördert und zwar so weit gefördert wird, als es im
Stande rst zu gehen. — So viel, um das Princip der Wechselwirkung zu
erläutern.

Da Professor Gneist weder in Bezug auf die Wahlen -noch auf die freie
Meinungsäußerung der Presse in der öffentlichen Meinung eine genügende
Garantie für daß Staatsleben erblickt, da er vielmehr in beiden den noth¬
wendigen Grund des Verfalls der staatlichen Beziehungen in rein gesellschaft¬
liche Beziehungen zu erkennen glaubt (beiläufig ein Unterschied, der uns nicht
recht deutlich geworden ist, der aber wol ungefähr auf das herauskommen
wird, was die Kreuzzeitung unter dem Gegensatz zwischen „Corporation" und
»Association" versteht) so ist er genöthigt auf andere -Hülfsmittel zu sinnen.
Er findet zwei.

Einmal will er das Publicum durch Amtsgentry ersetzen. Nicht die Zei-
wngsleser sollen den Staat regieren, sondern diejenigen, die im Organismus
des Staats obrigkeitlich oder administrativ betheiligt sind. Ob wir hier voll¬
ständig errathen, was er eigentlich meint, können wir nicht behaupten, denn
seine Ausdrücke sind oft sehr gewunden und metaphysisch. Wir wollen die
Sache ins Concrete zu übersetzen suchen.

Eine Stadtverwaltung hat verschiedene Ausgaben: Straßenpolizei. An-
leguiig von öffentlichen Gebäuden u. s. w. Dazu bedarf sie Einnahmen, die
unter die Bewohner repartirt werden. Damit die Obrigkeit nun nicht will¬
kürlich verfährt, hat man ihr Stadtverordnete zur Seite gesetzt, die, wenn
der Nath auf Kosten der Gemeinde zu viel unternehmen will, ihn beschränken,
wo er saumselig ist, ihn antreiben, die Art der Steuer ihm bestimmen, die
Stadtgesctze bewilligen, die richtige Durchführung desselben überwachen u. s. w.

Wer soll nun diese Stadtverordneten wählen? Der Vernunft nach alle
diejenigen, welche bei der zweckmäßigen Anordnung und richtigen Ausübung
der Gesetze betheiligt sind. d. h. die gesammte Einwohnerschaft, das gesammte
Publicum. Wo hier die Amtsgentry zu finden sein soll, würde uns Herr
Gneist schwerlich weisen können; wol aber wissen es die consequenten Gegner
der Freiheit: die Amtsgentry sind die Patricier, die Hausbesitzer, die erd-
,gefesselte Bürgerschaft, die Zunftvorsteher u. s. w. — Nicht Association son¬
dern Corporation! — Auf den Staat angewendet, dessen Haushalt im We¬
sentliche,, doch nur ein erweiterter Stndthaushalt ist. heißt die Antwort: die
Amtsgentry sind die Stände.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/201>, abgerufen am 25.08.2024.