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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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mals Italiener in den Kampf gegen Italiener zu schicken. Auch Gehorsams¬
verweigerungen und Feigheit werden nicht leicht vorkommen. Dank der un¬
verwüstlichen Zähigkeit und Ausdauer der meisten östreichischen, zumal der
deutschöstreichischen und nordslawischen Truppen, werden sich unsre Leute tapfer
schlagen und wol auch an einigen Orten kleine Erfolge erringen. Aber das
Bewußtsein, für eine von Vielen im Voraus aufgegebene Sache zu kämpfen,
mitunter auch der Mangel an Vertrauen zu de" Führern und die Folgen der
mangelhaften Verproviantirungsanstalten werden nur zu bald Unwillen und
Mutlosigkeit herbeiführen. Die Uneinigkeit und theilweise Unfähigkeit der
Oberoffiziere, sowie die Abhängigkeit derselben von den aus Wien ertheilten
Befehlen, manche andere schlechte Anstalten, endlich aber die entschiedene Ab¬
neigung der italienischen Bevölkerung, deren passiver Widerstand, heimliche
Verrätherei, oder gar offene Jnsurrection, werden das Neblige thun. Sehr
wahrscheinlich werden sich dann die Erscheinungen des letzten Krieges in noch
grellerer Weise wiederholen. Helfen könnte nur ein Mann, welcher durch die
unwiderstehliche Kraft seiner Umsicht und seines Willens die Armee in kurzer
Zeit umschaffen und jeden Widerstand, sowol von feindlicher als von der eig¬
nen Seite niederzuwerfen vermöchte. Ob Bencdek dieser Mann ist, wird ab¬
zuwarten sein. Selbst Radetzky hätte unter den gegenwärtigen Verhältnissen
nur wenig zu leisten vermocht. Er hätte aber auch wol schwerlich die Dinge
A. D. so weit kommen lassen.




Die Drusen nach Berichten eines Drusen.
2.

Wir geben nun das, was Professor Petermanns Exdruse über die po¬
litischen Verhältnisse seiner ehemaligen Glaubensgenossen mittheilt. Es geht
daraus hervor, daß sie eine Art aristokratischer Hierarchie bilden. Jede Ort¬
schaft hat einen Versammlungsort, den sie Mcdschlis (Rathhaus) oder Chalwe
(Einsiedelei) nennen. Hier finden sich in jeder Nacht zwischen Donnerstag und
Freitag die Wissenden und zwar sowol Männer als Frauen ein. um Gottes¬
dienst und zugleich Rath über weltliche Angelegenheiten zu halten, da Regie-


mals Italiener in den Kampf gegen Italiener zu schicken. Auch Gehorsams¬
verweigerungen und Feigheit werden nicht leicht vorkommen. Dank der un¬
verwüstlichen Zähigkeit und Ausdauer der meisten östreichischen, zumal der
deutschöstreichischen und nordslawischen Truppen, werden sich unsre Leute tapfer
schlagen und wol auch an einigen Orten kleine Erfolge erringen. Aber das
Bewußtsein, für eine von Vielen im Voraus aufgegebene Sache zu kämpfen,
mitunter auch der Mangel an Vertrauen zu de» Führern und die Folgen der
mangelhaften Verproviantirungsanstalten werden nur zu bald Unwillen und
Mutlosigkeit herbeiführen. Die Uneinigkeit und theilweise Unfähigkeit der
Oberoffiziere, sowie die Abhängigkeit derselben von den aus Wien ertheilten
Befehlen, manche andere schlechte Anstalten, endlich aber die entschiedene Ab¬
neigung der italienischen Bevölkerung, deren passiver Widerstand, heimliche
Verrätherei, oder gar offene Jnsurrection, werden das Neblige thun. Sehr
wahrscheinlich werden sich dann die Erscheinungen des letzten Krieges in noch
grellerer Weise wiederholen. Helfen könnte nur ein Mann, welcher durch die
unwiderstehliche Kraft seiner Umsicht und seines Willens die Armee in kurzer
Zeit umschaffen und jeden Widerstand, sowol von feindlicher als von der eig¬
nen Seite niederzuwerfen vermöchte. Ob Bencdek dieser Mann ist, wird ab¬
zuwarten sein. Selbst Radetzky hätte unter den gegenwärtigen Verhältnissen
nur wenig zu leisten vermocht. Er hätte aber auch wol schwerlich die Dinge
A. D. so weit kommen lassen.




Die Drusen nach Berichten eines Drusen.
2.

Wir geben nun das, was Professor Petermanns Exdruse über die po¬
litischen Verhältnisse seiner ehemaligen Glaubensgenossen mittheilt. Es geht
daraus hervor, daß sie eine Art aristokratischer Hierarchie bilden. Jede Ort¬
schaft hat einen Versammlungsort, den sie Mcdschlis (Rathhaus) oder Chalwe
(Einsiedelei) nennen. Hier finden sich in jeder Nacht zwischen Donnerstag und
Freitag die Wissenden und zwar sowol Männer als Frauen ein. um Gottes¬
dienst und zugleich Rath über weltliche Angelegenheiten zu halten, da Regie-


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[0184] mals Italiener in den Kampf gegen Italiener zu schicken. Auch Gehorsams¬ verweigerungen und Feigheit werden nicht leicht vorkommen. Dank der un¬ verwüstlichen Zähigkeit und Ausdauer der meisten östreichischen, zumal der deutschöstreichischen und nordslawischen Truppen, werden sich unsre Leute tapfer schlagen und wol auch an einigen Orten kleine Erfolge erringen. Aber das Bewußtsein, für eine von Vielen im Voraus aufgegebene Sache zu kämpfen, mitunter auch der Mangel an Vertrauen zu de» Führern und die Folgen der mangelhaften Verproviantirungsanstalten werden nur zu bald Unwillen und Mutlosigkeit herbeiführen. Die Uneinigkeit und theilweise Unfähigkeit der Oberoffiziere, sowie die Abhängigkeit derselben von den aus Wien ertheilten Befehlen, manche andere schlechte Anstalten, endlich aber die entschiedene Ab¬ neigung der italienischen Bevölkerung, deren passiver Widerstand, heimliche Verrätherei, oder gar offene Jnsurrection, werden das Neblige thun. Sehr wahrscheinlich werden sich dann die Erscheinungen des letzten Krieges in noch grellerer Weise wiederholen. Helfen könnte nur ein Mann, welcher durch die unwiderstehliche Kraft seiner Umsicht und seines Willens die Armee in kurzer Zeit umschaffen und jeden Widerstand, sowol von feindlicher als von der eig¬ nen Seite niederzuwerfen vermöchte. Ob Bencdek dieser Mann ist, wird ab¬ zuwarten sein. Selbst Radetzky hätte unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur wenig zu leisten vermocht. Er hätte aber auch wol schwerlich die Dinge A. D. so weit kommen lassen. Die Drusen nach Berichten eines Drusen. 2. Wir geben nun das, was Professor Petermanns Exdruse über die po¬ litischen Verhältnisse seiner ehemaligen Glaubensgenossen mittheilt. Es geht daraus hervor, daß sie eine Art aristokratischer Hierarchie bilden. Jede Ort¬ schaft hat einen Versammlungsort, den sie Mcdschlis (Rathhaus) oder Chalwe (Einsiedelei) nennen. Hier finden sich in jeder Nacht zwischen Donnerstag und Freitag die Wissenden und zwar sowol Männer als Frauen ein. um Gottes¬ dienst und zugleich Rath über weltliche Angelegenheiten zu halten, da Regie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/184>, abgerufen am 26.08.2024.