Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Spruch ging nämlich von der Ansicht aus, daß die früheren Stände zwar ihrer In dem Vorstehenden ist entwickelt, daß die bestehende ständische Vertre¬ Spruch ging nämlich von der Ansicht aus, daß die früheren Stände zwar ihrer In dem Vorstehenden ist entwickelt, daß die bestehende ständische Vertre¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110444"/> <p xml:id="ID_231" prev="#ID_230"> Spruch ging nämlich von der Ansicht aus, daß die früheren Stände zwar ihrer<lb/> Mitwirkung, aber nicht ihrer Mitbegutachtung der neuen Verfassung sich be¬<lb/> geben hätten. Die Nothwendigkeit einer Verfassungsreform findet sich zu die¬<lb/> ser Zeit auch niemals geleugnet und gewann sofort ihre Bethätigung dadurch,<lb/> daß desfallsige commissarisch-deputaUsche Verhandlungen zu Schwerin eröffnet<lb/> wurden, die freilich resultatlos verliefen, weil sich die Ansichten inmittelst<lb/> abermals geändert hatten. Indessen war dies nur auf Seiten der Stände<lb/> der Fall; die Regierungen hielten an ihrer Auffassung fest, indem das h.<lb/> Rescript vom 25. November 1851 ausdrücklich erwähnte, daß die Verfassungs-<lb/> Verhandlungen demnächst (d. i. unter günstigeren Umständen) wieder aufgenom¬<lb/> men werden sollten. Daß die Sache nun bis zum heutigen Tage auf diesem<lb/> Standpunkte verblieben ist, wird den nicht wundern können, welcher die stän¬<lb/> dischen Verhandlungen der letzten acht Jahre ohne Vorurtheil verfolgte. Nicht<lb/> nur haben die Stände grade während dieser Zeit einer jeden Reform auf das<lb/> Kräftigste widerstanden, sondern auch durch ihr immer weiteres Zurückgehn auf<lb/> das im Landesgnnidgesetzlichen Erbvergleich sanctionirt sein sollende particulari-<lb/> stischc Wesen des feudalen Patrimonialstaates den Landesherrn positiv unmöglich<lb/> gemacht, mit Reformvorschiägen, welche die Verfassung im Ganzen betreffen,<lb/> wieder hervorzugehn. Daß dies nicht geschehn konnte, darf der Landesherr-<lb/> schaft nicht zum Vorwurfe gemacht werden; ihre Würde leidet ein abermali¬<lb/> ges Zurückweisen solcher Vorlagen nicht, und sie weiß am besten, daß ein<lb/> solches ganz sicher der Fall sein würde. Es gibt nur einen Weg, welcher<lb/> zum Ziele zu führen gegeignet sein möchte: Ausnahme der Versassungsreform<lb/> im Schooße der Stände selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_232" next="#ID_233"> In dem Vorstehenden ist entwickelt, daß die bestehende ständische Vertre¬<lb/> tung Mecklenburgs eine wirkliche Landesvertretung nicht ist, ja daß sie nicht<lb/> einmal wehr auf der Voraussetzung beruht, welcher gemäß sie im Jahre 1850<lb/> wieder zusammentreten konnte. Es darf daher mit Fug und Recht gesagt<lb/> werden, daß dieselbe den berechtigten Wünschen des Volks durchaus widerstrebt<lb/> und in dieser Hinsicht dem öffentlichen Wohle zuwider läuft. Wo aber ein<lb/> bestehendes Verhältniß im Allgemeinen mit der Wohlfahrt des Landes nicht<lb/> verträglich ist. da wird sich dies auch in seinen besondern Beziehungen zeigen<lb/> müssen. Das ist nirgends deutlicher hervorgetreten, als bei den ständischen<lb/> Verhandlungen der letzten acht Jahre. Grade während dieser Zeit, in welcher<lb/> das Staatsleben sich nach allen Seiten hin hätte entwickeln müssen, hat<lb/> sich das Zurückgehn der Stände auf ihre papiernen, aber „wohl erworbnen"<lb/> Gerechtsame verstärkt und haben sie nicht nur den Reformen aller Art einen<lb/> um so größeren Widerstand entgegengesetzt, sondern sind sie auch in Dingen<lb/> des allgemeinen Landeswvhls, in welchen der Staat nicht wol ohne ihre Bei¬<lb/> hilfe fortschreiten konnte, weil es sich um die Garantie von bedeutenderen An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Spruch ging nämlich von der Ansicht aus, daß die früheren Stände zwar ihrer
Mitwirkung, aber nicht ihrer Mitbegutachtung der neuen Verfassung sich be¬
geben hätten. Die Nothwendigkeit einer Verfassungsreform findet sich zu die¬
ser Zeit auch niemals geleugnet und gewann sofort ihre Bethätigung dadurch,
daß desfallsige commissarisch-deputaUsche Verhandlungen zu Schwerin eröffnet
wurden, die freilich resultatlos verliefen, weil sich die Ansichten inmittelst
abermals geändert hatten. Indessen war dies nur auf Seiten der Stände
der Fall; die Regierungen hielten an ihrer Auffassung fest, indem das h.
Rescript vom 25. November 1851 ausdrücklich erwähnte, daß die Verfassungs-
Verhandlungen demnächst (d. i. unter günstigeren Umständen) wieder aufgenom¬
men werden sollten. Daß die Sache nun bis zum heutigen Tage auf diesem
Standpunkte verblieben ist, wird den nicht wundern können, welcher die stän¬
dischen Verhandlungen der letzten acht Jahre ohne Vorurtheil verfolgte. Nicht
nur haben die Stände grade während dieser Zeit einer jeden Reform auf das
Kräftigste widerstanden, sondern auch durch ihr immer weiteres Zurückgehn auf
das im Landesgnnidgesetzlichen Erbvergleich sanctionirt sein sollende particulari-
stischc Wesen des feudalen Patrimonialstaates den Landesherrn positiv unmöglich
gemacht, mit Reformvorschiägen, welche die Verfassung im Ganzen betreffen,
wieder hervorzugehn. Daß dies nicht geschehn konnte, darf der Landesherr-
schaft nicht zum Vorwurfe gemacht werden; ihre Würde leidet ein abermali¬
ges Zurückweisen solcher Vorlagen nicht, und sie weiß am besten, daß ein
solches ganz sicher der Fall sein würde. Es gibt nur einen Weg, welcher
zum Ziele zu führen gegeignet sein möchte: Ausnahme der Versassungsreform
im Schooße der Stände selbst.
In dem Vorstehenden ist entwickelt, daß die bestehende ständische Vertre¬
tung Mecklenburgs eine wirkliche Landesvertretung nicht ist, ja daß sie nicht
einmal wehr auf der Voraussetzung beruht, welcher gemäß sie im Jahre 1850
wieder zusammentreten konnte. Es darf daher mit Fug und Recht gesagt
werden, daß dieselbe den berechtigten Wünschen des Volks durchaus widerstrebt
und in dieser Hinsicht dem öffentlichen Wohle zuwider läuft. Wo aber ein
bestehendes Verhältniß im Allgemeinen mit der Wohlfahrt des Landes nicht
verträglich ist. da wird sich dies auch in seinen besondern Beziehungen zeigen
müssen. Das ist nirgends deutlicher hervorgetreten, als bei den ständischen
Verhandlungen der letzten acht Jahre. Grade während dieser Zeit, in welcher
das Staatsleben sich nach allen Seiten hin hätte entwickeln müssen, hat
sich das Zurückgehn der Stände auf ihre papiernen, aber „wohl erworbnen"
Gerechtsame verstärkt und haben sie nicht nur den Reformen aller Art einen
um so größeren Widerstand entgegengesetzt, sondern sind sie auch in Dingen
des allgemeinen Landeswvhls, in welchen der Staat nicht wol ohne ihre Bei¬
hilfe fortschreiten konnte, weil es sich um die Garantie von bedeutenderen An-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |