Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Fallen die Begriffe von Handwerk und Kunst bei Homer meist noch zu¬ Fallen die Begriffe von Handwerk und Kunst bei Homer meist noch zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110416"/> <p xml:id="ID_146" next="#ID_147"> Fallen die Begriffe von Handwerk und Kunst bei Homer meist noch zu¬<lb/> sammen, so finden wir doch nirgends, daß die mechanische dem Erwerb ge¬<lb/> widmete Thätigkeit nur auf Sklaven beschränkt gewesen wäre, deren Zahl im<lb/> Verhältniß zu spätern Zeiten überhaupt als eine sehr geringe zu denken ist.<lb/> Die Theken als freie Leute ohne Grundbesitz und Heerden und deshalb auf<lb/> Lohnarbeit angewiesen, verrichten dieselben Dienste wie die Sklaven, werden<lb/> jedoch ausdrücklich von diesen unterschieden, und selbst einem Freier der Pe-<lb/> nelope kann es nur im Uebermuthe beikommen, mit einer gewissen Gering¬<lb/> schätzung auf einen um Lohn Dienenden herabzusehn. Weiß doch Euryma-<lb/> chos so gut wie die übrigen Freier den Werth der Arbeit zu schätzen, und er-,<lb/> klären sie doch den Odysseus hauptsächlich deshalb für so verächtlich, weil er<lb/> als Bettler und Hungerleider auftrete, der weder Geschick, noch Lust und Kräfte<lb/> zur Arbeit habe und unter dem Volke umherschleiche, um seinen unersättlichen<lb/> Bauch zu füllen. Entschiedene Freude an der Arbeit und Achtung vor der¬<lb/> selben spricht Odysseus aus, wenn er in Erwiderung auf die frechen Bemer¬<lb/> kungen des Eurymachos diesen zu einem Wettstreite der Arbeit herausfordert.<lb/> Ja selbst das Ideal griechischen Heldenthums, Achill, bei dem wir gewiß keine.<lb/> Neigung voraussetzen dürfen, seiner Würde auch nur das Geringste zu verge¬<lb/> ben, erklärt mit Bestimmtheit dem Odysseus, der das Loos des mächtigen<lb/> Todten pries, daß er, natürlich als freier Thete. ja nicht etwa als Sklave,<lb/> lieber einem armen Manne um Tagelohn dienen, als über all die Todten<lb/> im Schattenreiche herrschen wolle. Erst der Sophokleische Teukros glaubt in<lb/> dem Streite mit Menelaos sich dagegen verwahren zu müssen, daß man ihm<lb/> die Bogenschützenkunst als eine banause Fertigkeit anrechne. Die ältere Zeit<lb/> kennt die Banausen als Feuer- oder Ofcnarbeiter, als Stubensitzer in dein<lb/> verächtlichen Sinne, in welchem man sich später dieses Ausdrucks bediente,<lb/> durchaus nicht: dem Homer und Hesiod ist selbst das Wort unbekannt. Ihnen<lb/> sind vielmehr die Demiourgcn, die des Erwerbs wegen für das Volk, für<lb/> die Mitbürger arbeiten, achtbare und gesuchte Leute. Der Zimmermann, der<lb/> Schiffsbaumeister steht in gleicher Geltung wie der Scher, der Arzt, der<lb/> Sänger oder wie der Gefährte der Edeln, der Herold. Den Tychios, welcher<lb/> dem Ajax den siebenhäutigen Schild verfertigt hatte, schließt kein unliebsamer<lb/> Ledergeruch von einer ehrenvollen Erwähnung in der Ilias aus, trotzdem,<lb/> daß wir vermuthen möchten, er sei in häufigere und nähere Berührung mit<lb/> dem Rohmaterial seines Handwerks gekommen als der Kleon des Aristopha-<lb/> nes. Den gefallenen Patroklos entehrt es nicht, daß der Kampf um seinen<lb/> Leichnam durch ein Bild veranschaulicht wird, das von der Gerberei entlehnt<lb/> ist. Und wie das zahlreiche Geschlecht der Lederarbeiter vom Gerber und<lb/> Kürschner herab bis zum Schuh- und Handschuhmacher volle Anerkennung<lb/> findet, so werden auch die übrigen Handwerker von dem Altmeister der Dicht-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
Fallen die Begriffe von Handwerk und Kunst bei Homer meist noch zu¬
sammen, so finden wir doch nirgends, daß die mechanische dem Erwerb ge¬
widmete Thätigkeit nur auf Sklaven beschränkt gewesen wäre, deren Zahl im
Verhältniß zu spätern Zeiten überhaupt als eine sehr geringe zu denken ist.
Die Theken als freie Leute ohne Grundbesitz und Heerden und deshalb auf
Lohnarbeit angewiesen, verrichten dieselben Dienste wie die Sklaven, werden
jedoch ausdrücklich von diesen unterschieden, und selbst einem Freier der Pe-
nelope kann es nur im Uebermuthe beikommen, mit einer gewissen Gering¬
schätzung auf einen um Lohn Dienenden herabzusehn. Weiß doch Euryma-
chos so gut wie die übrigen Freier den Werth der Arbeit zu schätzen, und er-,
klären sie doch den Odysseus hauptsächlich deshalb für so verächtlich, weil er
als Bettler und Hungerleider auftrete, der weder Geschick, noch Lust und Kräfte
zur Arbeit habe und unter dem Volke umherschleiche, um seinen unersättlichen
Bauch zu füllen. Entschiedene Freude an der Arbeit und Achtung vor der¬
selben spricht Odysseus aus, wenn er in Erwiderung auf die frechen Bemer¬
kungen des Eurymachos diesen zu einem Wettstreite der Arbeit herausfordert.
Ja selbst das Ideal griechischen Heldenthums, Achill, bei dem wir gewiß keine.
Neigung voraussetzen dürfen, seiner Würde auch nur das Geringste zu verge¬
ben, erklärt mit Bestimmtheit dem Odysseus, der das Loos des mächtigen
Todten pries, daß er, natürlich als freier Thete. ja nicht etwa als Sklave,
lieber einem armen Manne um Tagelohn dienen, als über all die Todten
im Schattenreiche herrschen wolle. Erst der Sophokleische Teukros glaubt in
dem Streite mit Menelaos sich dagegen verwahren zu müssen, daß man ihm
die Bogenschützenkunst als eine banause Fertigkeit anrechne. Die ältere Zeit
kennt die Banausen als Feuer- oder Ofcnarbeiter, als Stubensitzer in dein
verächtlichen Sinne, in welchem man sich später dieses Ausdrucks bediente,
durchaus nicht: dem Homer und Hesiod ist selbst das Wort unbekannt. Ihnen
sind vielmehr die Demiourgcn, die des Erwerbs wegen für das Volk, für
die Mitbürger arbeiten, achtbare und gesuchte Leute. Der Zimmermann, der
Schiffsbaumeister steht in gleicher Geltung wie der Scher, der Arzt, der
Sänger oder wie der Gefährte der Edeln, der Herold. Den Tychios, welcher
dem Ajax den siebenhäutigen Schild verfertigt hatte, schließt kein unliebsamer
Ledergeruch von einer ehrenvollen Erwähnung in der Ilias aus, trotzdem,
daß wir vermuthen möchten, er sei in häufigere und nähere Berührung mit
dem Rohmaterial seines Handwerks gekommen als der Kleon des Aristopha-
nes. Den gefallenen Patroklos entehrt es nicht, daß der Kampf um seinen
Leichnam durch ein Bild veranschaulicht wird, das von der Gerberei entlehnt
ist. Und wie das zahlreiche Geschlecht der Lederarbeiter vom Gerber und
Kürschner herab bis zum Schuh- und Handschuhmacher volle Anerkennung
findet, so werden auch die übrigen Handwerker von dem Altmeister der Dicht-
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