Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mangelung eines Parlaments -- wird die Bedingung der Einstimmigkeit nicht
zu beseitigen sein, und eben so wenig die Rntification der Regierungen und
die Zustimmung sämmtlicher Kammern in den Einzelstaaten zu den seltenen
einstimmig gefaßten Beschlüssen der Gcneralconferenzen wie zu den mühsam zu
Stande gebrachten Verträgen zwischen den Regierungen. Steht dagegen der
Ccntralverwaltung eine Repräsentation der gewerblichen, der Handels- und Ver-
kehrsthätigkeit zur Seite, so wird die Wahrung dieser Interessen sehr bald mit
größerm Vertrauen dort, als in den Verhandlungen der Generalconfercnzen
und der Spccialkcnnmern allseitig erwartet werden. Endlich aber wird durch
die Schaffung und das Leben einer tüchtigen Vertretung der Interessen auf
die noch außerhalb des Verbandes stehenden deutschen Städte und Länder eine
Anziehungskraft geübt werden, welche den Beitritt derselben ungemein erleich¬
tern muß.

Die Zusammensetzung der Repräsentation der volkswirtschaftlichen
Interessen des Vereins wird füglich unter Mitwirkung der Landesvertretungen
geschehn können, etwa in der Weise, daß dieselben die doppelte oder dreifache
Anzahl der Candidaten, und zwar ohne Beschränkung auf ihre eignen Mit¬
glieder bezeichnen, aus denen die Regierung die Abgeordneten zu dem Vereins¬
tage ernennt; oder es könnten dieselben zum Theil von den Regierungen er¬
nannt werden, zum Theil aus Wahlen der Stände- und der Handelskammern
hervorgehn. Jedenfalls dürfte es zweckmäßig sein, wenn über die Eigenschaf¬
ten und die Wahlart der Abgeordneten zu dem Vereinstage allgemeine Be¬
stimmungen vereinbart würden, innerhalb deren dem Einzelstaate ein gewisser
Spielraum zur Berücksichtigung seiner besondern Verhältnisse bliebe. Die Fest¬
setzung der Zahl der Abgeordneten eines jeden Vereinslandes zu dem Ver¬
einstage wird einen der schwierigsten Punkte der Unterhandlungen bilden:
schwierig, nicht ans innern, in der Sache liegenden Gründen, gar nicht schwie¬
rig, wenn der von Preußen 1852 erhoffte gute Wille zu dem großen Werke
bessere Fortschritte als bisher in den nächsten Jahren zu machen veranlaßt
werden sollte; schwierig nur, weil seine billige und befriedigende Lösung dnrch
gewisse Schattenseiten des deutschen Charakters und durch das große Spiel
kleiner Leidenschaften erschwert wird. Gelingt es jedoch, einen billigen Nepar-
titionsfuß, welcher neben der Volkszahl auch noch andere Factoren aus den
Hauptzweigen der volkswirthschnstlichen Thätigkeit in Anschlag bringen müßte,
vorzuschlagen'und die bedeutenderen Glieder des Vereins dafür zu gewinnen,
dann ist die Durchführung lediglich Sache einer geschickten und kräftigen Leitung
der Verhandlungen. Der Bundestag hat seine Stimmen, seine Matrikel, er hat sein
Simplum für die Kanzleikosten unter die Curiatstimmen bis auf Drittelkreuzer
glücklich repartirt; in Frankfurt und in Erfurt bat man sich schließlich über
ähnliche Schwierigkeiten hinweggeholfen; der Zollverein hat sich zu Modisi-


mangelung eines Parlaments — wird die Bedingung der Einstimmigkeit nicht
zu beseitigen sein, und eben so wenig die Rntification der Regierungen und
die Zustimmung sämmtlicher Kammern in den Einzelstaaten zu den seltenen
einstimmig gefaßten Beschlüssen der Gcneralconferenzen wie zu den mühsam zu
Stande gebrachten Verträgen zwischen den Regierungen. Steht dagegen der
Ccntralverwaltung eine Repräsentation der gewerblichen, der Handels- und Ver-
kehrsthätigkeit zur Seite, so wird die Wahrung dieser Interessen sehr bald mit
größerm Vertrauen dort, als in den Verhandlungen der Generalconfercnzen
und der Spccialkcnnmern allseitig erwartet werden. Endlich aber wird durch
die Schaffung und das Leben einer tüchtigen Vertretung der Interessen auf
die noch außerhalb des Verbandes stehenden deutschen Städte und Länder eine
Anziehungskraft geübt werden, welche den Beitritt derselben ungemein erleich¬
tern muß.

Die Zusammensetzung der Repräsentation der volkswirtschaftlichen
Interessen des Vereins wird füglich unter Mitwirkung der Landesvertretungen
geschehn können, etwa in der Weise, daß dieselben die doppelte oder dreifache
Anzahl der Candidaten, und zwar ohne Beschränkung auf ihre eignen Mit¬
glieder bezeichnen, aus denen die Regierung die Abgeordneten zu dem Vereins¬
tage ernennt; oder es könnten dieselben zum Theil von den Regierungen er¬
nannt werden, zum Theil aus Wahlen der Stände- und der Handelskammern
hervorgehn. Jedenfalls dürfte es zweckmäßig sein, wenn über die Eigenschaf¬
ten und die Wahlart der Abgeordneten zu dem Vereinstage allgemeine Be¬
stimmungen vereinbart würden, innerhalb deren dem Einzelstaate ein gewisser
Spielraum zur Berücksichtigung seiner besondern Verhältnisse bliebe. Die Fest¬
setzung der Zahl der Abgeordneten eines jeden Vereinslandes zu dem Ver¬
einstage wird einen der schwierigsten Punkte der Unterhandlungen bilden:
schwierig, nicht ans innern, in der Sache liegenden Gründen, gar nicht schwie¬
rig, wenn der von Preußen 1852 erhoffte gute Wille zu dem großen Werke
bessere Fortschritte als bisher in den nächsten Jahren zu machen veranlaßt
werden sollte; schwierig nur, weil seine billige und befriedigende Lösung dnrch
gewisse Schattenseiten des deutschen Charakters und durch das große Spiel
kleiner Leidenschaften erschwert wird. Gelingt es jedoch, einen billigen Nepar-
titionsfuß, welcher neben der Volkszahl auch noch andere Factoren aus den
Hauptzweigen der volkswirthschnstlichen Thätigkeit in Anschlag bringen müßte,
vorzuschlagen'und die bedeutenderen Glieder des Vereins dafür zu gewinnen,
dann ist die Durchführung lediglich Sache einer geschickten und kräftigen Leitung
der Verhandlungen. Der Bundestag hat seine Stimmen, seine Matrikel, er hat sein
Simplum für die Kanzleikosten unter die Curiatstimmen bis auf Drittelkreuzer
glücklich repartirt; in Frankfurt und in Erfurt bat man sich schließlich über
ähnliche Schwierigkeiten hinweggeholfen; der Zollverein hat sich zu Modisi-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110404"/>
          <p xml:id="ID_123" prev="#ID_122"> mangelung eines Parlaments &#x2014; wird die Bedingung der Einstimmigkeit nicht<lb/>
zu beseitigen sein, und eben so wenig die Rntification der Regierungen und<lb/>
die Zustimmung sämmtlicher Kammern in den Einzelstaaten zu den seltenen<lb/>
einstimmig gefaßten Beschlüssen der Gcneralconferenzen wie zu den mühsam zu<lb/>
Stande gebrachten Verträgen zwischen den Regierungen. Steht dagegen der<lb/>
Ccntralverwaltung eine Repräsentation der gewerblichen, der Handels- und Ver-<lb/>
kehrsthätigkeit zur Seite, so wird die Wahrung dieser Interessen sehr bald mit<lb/>
größerm Vertrauen dort, als in den Verhandlungen der Generalconfercnzen<lb/>
und der Spccialkcnnmern allseitig erwartet werden. Endlich aber wird durch<lb/>
die Schaffung und das Leben einer tüchtigen Vertretung der Interessen auf<lb/>
die noch außerhalb des Verbandes stehenden deutschen Städte und Länder eine<lb/>
Anziehungskraft geübt werden, welche den Beitritt derselben ungemein erleich¬<lb/>
tern muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_124" next="#ID_125"> Die Zusammensetzung der Repräsentation der volkswirtschaftlichen<lb/>
Interessen des Vereins wird füglich unter Mitwirkung der Landesvertretungen<lb/>
geschehn können, etwa in der Weise, daß dieselben die doppelte oder dreifache<lb/>
Anzahl der Candidaten, und zwar ohne Beschränkung auf ihre eignen Mit¬<lb/>
glieder bezeichnen, aus denen die Regierung die Abgeordneten zu dem Vereins¬<lb/>
tage ernennt; oder es könnten dieselben zum Theil von den Regierungen er¬<lb/>
nannt werden, zum Theil aus Wahlen der Stände- und der Handelskammern<lb/>
hervorgehn. Jedenfalls dürfte es zweckmäßig sein, wenn über die Eigenschaf¬<lb/>
ten und die Wahlart der Abgeordneten zu dem Vereinstage allgemeine Be¬<lb/>
stimmungen vereinbart würden, innerhalb deren dem Einzelstaate ein gewisser<lb/>
Spielraum zur Berücksichtigung seiner besondern Verhältnisse bliebe. Die Fest¬<lb/>
setzung der Zahl der Abgeordneten eines jeden Vereinslandes zu dem Ver¬<lb/>
einstage wird einen der schwierigsten Punkte der Unterhandlungen bilden:<lb/>
schwierig, nicht ans innern, in der Sache liegenden Gründen, gar nicht schwie¬<lb/>
rig, wenn der von Preußen 1852 erhoffte gute Wille zu dem großen Werke<lb/>
bessere Fortschritte als bisher in den nächsten Jahren zu machen veranlaßt<lb/>
werden sollte; schwierig nur, weil seine billige und befriedigende Lösung dnrch<lb/>
gewisse Schattenseiten des deutschen Charakters und durch das große Spiel<lb/>
kleiner Leidenschaften erschwert wird. Gelingt es jedoch, einen billigen Nepar-<lb/>
titionsfuß, welcher neben der Volkszahl auch noch andere Factoren aus den<lb/>
Hauptzweigen der volkswirthschnstlichen Thätigkeit in Anschlag bringen müßte,<lb/>
vorzuschlagen'und die bedeutenderen Glieder des Vereins dafür zu gewinnen,<lb/>
dann ist die Durchführung lediglich Sache einer geschickten und kräftigen Leitung<lb/>
der Verhandlungen. Der Bundestag hat seine Stimmen, seine Matrikel, er hat sein<lb/>
Simplum für die Kanzleikosten unter die Curiatstimmen bis auf Drittelkreuzer<lb/>
glücklich repartirt; in Frankfurt und in Erfurt bat man sich schließlich über<lb/>
ähnliche Schwierigkeiten hinweggeholfen; der Zollverein hat sich zu Modisi-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] mangelung eines Parlaments — wird die Bedingung der Einstimmigkeit nicht zu beseitigen sein, und eben so wenig die Rntification der Regierungen und die Zustimmung sämmtlicher Kammern in den Einzelstaaten zu den seltenen einstimmig gefaßten Beschlüssen der Gcneralconferenzen wie zu den mühsam zu Stande gebrachten Verträgen zwischen den Regierungen. Steht dagegen der Ccntralverwaltung eine Repräsentation der gewerblichen, der Handels- und Ver- kehrsthätigkeit zur Seite, so wird die Wahrung dieser Interessen sehr bald mit größerm Vertrauen dort, als in den Verhandlungen der Generalconfercnzen und der Spccialkcnnmern allseitig erwartet werden. Endlich aber wird durch die Schaffung und das Leben einer tüchtigen Vertretung der Interessen auf die noch außerhalb des Verbandes stehenden deutschen Städte und Länder eine Anziehungskraft geübt werden, welche den Beitritt derselben ungemein erleich¬ tern muß. Die Zusammensetzung der Repräsentation der volkswirtschaftlichen Interessen des Vereins wird füglich unter Mitwirkung der Landesvertretungen geschehn können, etwa in der Weise, daß dieselben die doppelte oder dreifache Anzahl der Candidaten, und zwar ohne Beschränkung auf ihre eignen Mit¬ glieder bezeichnen, aus denen die Regierung die Abgeordneten zu dem Vereins¬ tage ernennt; oder es könnten dieselben zum Theil von den Regierungen er¬ nannt werden, zum Theil aus Wahlen der Stände- und der Handelskammern hervorgehn. Jedenfalls dürfte es zweckmäßig sein, wenn über die Eigenschaf¬ ten und die Wahlart der Abgeordneten zu dem Vereinstage allgemeine Be¬ stimmungen vereinbart würden, innerhalb deren dem Einzelstaate ein gewisser Spielraum zur Berücksichtigung seiner besondern Verhältnisse bliebe. Die Fest¬ setzung der Zahl der Abgeordneten eines jeden Vereinslandes zu dem Ver¬ einstage wird einen der schwierigsten Punkte der Unterhandlungen bilden: schwierig, nicht ans innern, in der Sache liegenden Gründen, gar nicht schwie¬ rig, wenn der von Preußen 1852 erhoffte gute Wille zu dem großen Werke bessere Fortschritte als bisher in den nächsten Jahren zu machen veranlaßt werden sollte; schwierig nur, weil seine billige und befriedigende Lösung dnrch gewisse Schattenseiten des deutschen Charakters und durch das große Spiel kleiner Leidenschaften erschwert wird. Gelingt es jedoch, einen billigen Nepar- titionsfuß, welcher neben der Volkszahl auch noch andere Factoren aus den Hauptzweigen der volkswirthschnstlichen Thätigkeit in Anschlag bringen müßte, vorzuschlagen'und die bedeutenderen Glieder des Vereins dafür zu gewinnen, dann ist die Durchführung lediglich Sache einer geschickten und kräftigen Leitung der Verhandlungen. Der Bundestag hat seine Stimmen, seine Matrikel, er hat sein Simplum für die Kanzleikosten unter die Curiatstimmen bis auf Drittelkreuzer glücklich repartirt; in Frankfurt und in Erfurt bat man sich schließlich über ähnliche Schwierigkeiten hinweggeholfen; der Zollverein hat sich zu Modisi-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/56
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/56>, abgerufen am 15.01.2025.