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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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den gewöhnlichen Quellen vorkommenden Notizen über Schrapfer, Cagliostro,
Bischoffswerder u. s. w. (Butans geheime Geschichten u. s. w.) fleißig be¬
nutzt; was er selber dazu gethan, ist leichte Waare. Uebrigens würde sich
die Zeit sehr wohl zu einem -- auf strenger Forschung beruhenden -- Ge-
sammtbild eignen. --

C. L. Werther: Kleindeutschland oder Magnus XVIX'von Thoren.
2. Bd. (Berlin, Zanke). -- Eine Satire gegen die Fürsten und das fürstliche
Leben im Allgemeinen. Wenig Witz und viel Behagen: der Witz beruht zum
Theil darauf, daß der eine Fürst immer in Infinitiven redet, daß zwei andere
stottern u. s. w. Einmal entsteht sogar zwischen den Fürsten auf einem Kon¬
greß eine förmliche Prügelei, was, soviel uns bekannt, in jenen hohen Regionen
doch niemals vorgekommen ist. --

Muckerromantik oder Tagebuch eines Seelensuchers. Roman aus dem
Wupperthal. (Bonn, Oelbermann). -- Ein Pedant wird von einer Coquette
gehänselt: was die Zustande des Wupperthals damit zu thun haben, ist uns
nicht verständlich. --

Ernst Thränenlacher: Genien in Prosa oder die Extrablätter des
Genius. Fliegende Arabesken zur laufenden Literatur- und Culturgeschichte.
(Bonn, Oelbermann). -- Abgesehn von den Satiren gegen Düntzer, Paul Hesse
u. s. w. scheint der Verfasser der jungen Literatur (es ist von einer neuen
Schule noch hinter den Junggcrmanen die Rede) den Humor zu empfehlen:
er scheint, denn nach der beliebten Jean-Paul'schen Methode erfährt man
nicht recht, ob er das meint, was er sagt, oder etwas anderes. -- Wollte
Gott, daß die Empfehlung auch That würde! An Humor fehlt es uns wirklich
ganz erstaunlich, und für eine Stunde gesunden Gelächters gäben wir gern
Jahrhunderte blasirter Sentimentalität. Nur ist mit dem guten Willen noch
wenig gethan: man wird noch nicht komisch, wenn man in ungewöhnlichen
Redensarten und Constructionen. spricht. --

Edmund About: Die Bank gesprengt! (Ireirte et Huarcww!) Aus
dem Französischen (Leipzig, Lvrck). -- Hier ist echter, gesunder Humor, wirkliche
Zeichnung und wirkliches Leben. Seit langer Zeit können wir uns nicht er¬
innern, im Gebiet der komischen Erzählung etwas so Musterhaftes gelesen zu
haben. Einige dreiste Erfindungen, die aber das Wesen der Sache nicht be¬
rühren, nimmt man gern mit in den Kauf. Der bissige Capitän, das junge Mäd¬
chen, der verliebte Italiener, das deutsche Ehepaar -- lauter Figuren, die man
nicht vergißt, die leben und athmen und die es verdienen, zu leben! Wir
setzen den kleinen Roman den besten Erzählungen von Charles de Bernard
ein die Seite. Ueberhaupt, wo die jüngsten Franzosen wirklich Franzosen sind,


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den gewöhnlichen Quellen vorkommenden Notizen über Schrapfer, Cagliostro,
Bischoffswerder u. s. w. (Butans geheime Geschichten u. s. w.) fleißig be¬
nutzt; was er selber dazu gethan, ist leichte Waare. Uebrigens würde sich
die Zeit sehr wohl zu einem — auf strenger Forschung beruhenden — Ge-
sammtbild eignen. —

C. L. Werther: Kleindeutschland oder Magnus XVIX'von Thoren.
2. Bd. (Berlin, Zanke). — Eine Satire gegen die Fürsten und das fürstliche
Leben im Allgemeinen. Wenig Witz und viel Behagen: der Witz beruht zum
Theil darauf, daß der eine Fürst immer in Infinitiven redet, daß zwei andere
stottern u. s. w. Einmal entsteht sogar zwischen den Fürsten auf einem Kon¬
greß eine förmliche Prügelei, was, soviel uns bekannt, in jenen hohen Regionen
doch niemals vorgekommen ist. —

Muckerromantik oder Tagebuch eines Seelensuchers. Roman aus dem
Wupperthal. (Bonn, Oelbermann). — Ein Pedant wird von einer Coquette
gehänselt: was die Zustande des Wupperthals damit zu thun haben, ist uns
nicht verständlich. —

Ernst Thränenlacher: Genien in Prosa oder die Extrablätter des
Genius. Fliegende Arabesken zur laufenden Literatur- und Culturgeschichte.
(Bonn, Oelbermann). — Abgesehn von den Satiren gegen Düntzer, Paul Hesse
u. s. w. scheint der Verfasser der jungen Literatur (es ist von einer neuen
Schule noch hinter den Junggcrmanen die Rede) den Humor zu empfehlen:
er scheint, denn nach der beliebten Jean-Paul'schen Methode erfährt man
nicht recht, ob er das meint, was er sagt, oder etwas anderes. — Wollte
Gott, daß die Empfehlung auch That würde! An Humor fehlt es uns wirklich
ganz erstaunlich, und für eine Stunde gesunden Gelächters gäben wir gern
Jahrhunderte blasirter Sentimentalität. Nur ist mit dem guten Willen noch
wenig gethan: man wird noch nicht komisch, wenn man in ungewöhnlichen
Redensarten und Constructionen. spricht. —

Edmund About: Die Bank gesprengt! (Ireirte et Huarcww!) Aus
dem Französischen (Leipzig, Lvrck). — Hier ist echter, gesunder Humor, wirkliche
Zeichnung und wirkliches Leben. Seit langer Zeit können wir uns nicht er¬
innern, im Gebiet der komischen Erzählung etwas so Musterhaftes gelesen zu
haben. Einige dreiste Erfindungen, die aber das Wesen der Sache nicht be¬
rühren, nimmt man gern mit in den Kauf. Der bissige Capitän, das junge Mäd¬
chen, der verliebte Italiener, das deutsche Ehepaar — lauter Figuren, die man
nicht vergißt, die leben und athmen und die es verdienen, zu leben! Wir
setzen den kleinen Roman den besten Erzählungen von Charles de Bernard
ein die Seite. Ueberhaupt, wo die jüngsten Franzosen wirklich Franzosen sind,


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[0503] den gewöhnlichen Quellen vorkommenden Notizen über Schrapfer, Cagliostro, Bischoffswerder u. s. w. (Butans geheime Geschichten u. s. w.) fleißig be¬ nutzt; was er selber dazu gethan, ist leichte Waare. Uebrigens würde sich die Zeit sehr wohl zu einem — auf strenger Forschung beruhenden — Ge- sammtbild eignen. — C. L. Werther: Kleindeutschland oder Magnus XVIX'von Thoren. 2. Bd. (Berlin, Zanke). — Eine Satire gegen die Fürsten und das fürstliche Leben im Allgemeinen. Wenig Witz und viel Behagen: der Witz beruht zum Theil darauf, daß der eine Fürst immer in Infinitiven redet, daß zwei andere stottern u. s. w. Einmal entsteht sogar zwischen den Fürsten auf einem Kon¬ greß eine förmliche Prügelei, was, soviel uns bekannt, in jenen hohen Regionen doch niemals vorgekommen ist. — Muckerromantik oder Tagebuch eines Seelensuchers. Roman aus dem Wupperthal. (Bonn, Oelbermann). — Ein Pedant wird von einer Coquette gehänselt: was die Zustande des Wupperthals damit zu thun haben, ist uns nicht verständlich. — Ernst Thränenlacher: Genien in Prosa oder die Extrablätter des Genius. Fliegende Arabesken zur laufenden Literatur- und Culturgeschichte. (Bonn, Oelbermann). — Abgesehn von den Satiren gegen Düntzer, Paul Hesse u. s. w. scheint der Verfasser der jungen Literatur (es ist von einer neuen Schule noch hinter den Junggcrmanen die Rede) den Humor zu empfehlen: er scheint, denn nach der beliebten Jean-Paul'schen Methode erfährt man nicht recht, ob er das meint, was er sagt, oder etwas anderes. — Wollte Gott, daß die Empfehlung auch That würde! An Humor fehlt es uns wirklich ganz erstaunlich, und für eine Stunde gesunden Gelächters gäben wir gern Jahrhunderte blasirter Sentimentalität. Nur ist mit dem guten Willen noch wenig gethan: man wird noch nicht komisch, wenn man in ungewöhnlichen Redensarten und Constructionen. spricht. — Edmund About: Die Bank gesprengt! (Ireirte et Huarcww!) Aus dem Französischen (Leipzig, Lvrck). — Hier ist echter, gesunder Humor, wirkliche Zeichnung und wirkliches Leben. Seit langer Zeit können wir uns nicht er¬ innern, im Gebiet der komischen Erzählung etwas so Musterhaftes gelesen zu haben. Einige dreiste Erfindungen, die aber das Wesen der Sache nicht be¬ rühren, nimmt man gern mit in den Kauf. Der bissige Capitän, das junge Mäd¬ chen, der verliebte Italiener, das deutsche Ehepaar — lauter Figuren, die man nicht vergißt, die leben und athmen und die es verdienen, zu leben! Wir setzen den kleinen Roman den besten Erzählungen von Charles de Bernard ein die Seite. Ueberhaupt, wo die jüngsten Franzosen wirklich Franzosen sind, 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/503>, abgerufen am 15.01.2025.