Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.tet zu haben. Jetzt wo keine fremde Hilfe mehr zu erwarte" war, wo ferner Wir hofften nach langer Zeit eine ruhige Nacht zu erleben. Allein wir Dabei flatterten ans allen Werken die weißen Flaggen und auf allen Am 29. des Morgens waren wir darauf gefaßt, den Monte Gardetto G'knzbote" IV. 18M, 60
tet zu haben. Jetzt wo keine fremde Hilfe mehr zu erwarte» war, wo ferner Wir hofften nach langer Zeit eine ruhige Nacht zu erleben. Allein wir Dabei flatterten ans allen Werken die weißen Flaggen und auf allen Am 29. des Morgens waren wir darauf gefaßt, den Monte Gardetto G'knzbote» IV. 18M, 60
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110833"/> <p xml:id="ID_1455" prev="#ID_1454"> tet zu haben. Jetzt wo keine fremde Hilfe mehr zu erwarte» war, wo ferner<lb/> ein wichtiges Hauptwerk der Unsrigen in die Hände des Feindes gefallen und<lb/> die Hafeneinfahrt den Schiffen nicht mehr zu verweigern war, wäre es Toll¬<lb/> kühnheit gewesen, sich noch länger zu wehren und die noch übrigen gänzlich<lb/> ermatteten 3500 Mann Vertheidiger dem sichern Tode anheim zu geben. Dies<lb/> sah Lamoriciere ein. AIs jedoch die weiße Fahne auf dem Castell ausgezogen<lb/> und von dem italienischen Theile der Besatzung mit Evviva-Ruf begrüßt<lb/> wurde, soll er geweint und etwas von trMre» zwischen den Zähnen gemur¬<lb/> melt haben. — Ich ging vom Theaterplatz, wo ich stummer Zuschauer des<lb/> schrecklichen Kampfes geblieben war, auf meinen Posten auf dem Monte Gcir-<lb/> detto. Unterwegs sah ich, wie die Bürgerschaft auf deu Straßen, Weiber und<lb/> Kinder wieder zum Vorschein kamen. Einzelne umarmten mich vor Freude<lb/> weinend, und nöthigten mich zu trinken, wieder Andere sahen uns triumphi-<lb/> rend an, die meisten aber dankten Gott für ihre eigne Rettung. — Auf dem<lb/> Monte Gardetto noch nicht angekommen, hörte ich einen lauten donnerähnlichen<lb/> Knall. Es war, wie ich nach einigen Minuten hörte, ein Pulverniagazin, das<lb/> unter dem Leuchtthurm gelegen und in Brand gerathen war, aufgeflogen und<lb/> hatte die ganze Bastion mit 35 Mann nebst Geschützen, Munition und einer<lb/> Seite des Thurms in die Luft geschleudert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1456"> Wir hofften nach langer Zeit eine ruhige Nacht zu erleben. Allein wir<lb/> täuschten uns. Gegen Abend begann das Feuern von Norden her aufs Neue<lb/> und dauerte die ganze Nacht hindurch. Hatten die Unterhandlungen zu kei¬<lb/> nem Resultat geführt? Wollte man uns alle opfern? Wir wußten es nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1457"> Dabei flatterten ans allen Werken die weißen Flaggen und auf allen<lb/> wurde fortwährend das Signal „Feuer einstellen" gegeben. Sollten wir uns<lb/> massacriren lassen ohne Rache zu nehmen? Erst früh erfuhren wir, daß ein<lb/> betrunkener Kanonier an der Porta Pia einen Schuß gegen die bereits in der<lb/> Vorstadt wacker zechenden Piemontese» abgegeben hatte, worauf letztere, an<lb/> Verrath glaubend, aus allen Batterien antworteten und erst am nächsten Vor¬<lb/> mittag um zehn Uhr damit aufhörten. — Ihr Feuer tödtete uns noch mehr<lb/> als 20 Mann, weiche, an dem Mißverständniß unschuldig, wehrlos ihr Blut<lb/> vergossen. Auch ich wäre beinahe ein Opfer geworden. Meinen kleinen<lb/> Raum in der Baracke aus Monte Gardetto verließ ich Morgens 7 Uhr, um<lb/> meinen Kapitän, der in der anstoßenden Baracke wohnte, die verschiedenen<lb/> Liquidationszettel unterschreiben zu lassen. Nach vielleicht zwei Minuten in<lb/> meine Behausung zurückkehrend, fand ich die gegen den Berg gelehnte Wand<lb/> von einem riesigen Stück Bombe eingeworfen, das Zimmer war voll Schutt,<lb/> Ziegel und Staub, an dem Platze, wo ich schrieb, lag ein Staat Bombe von<lb/> Zwölf Pfund Gewicht am Fußboden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1458" next="#ID_1459"> Am 29. des Morgens waren wir darauf gefaßt, den Monte Gardetto</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> G'knzbote» IV. 18M, 60</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0485]
tet zu haben. Jetzt wo keine fremde Hilfe mehr zu erwarte» war, wo ferner
ein wichtiges Hauptwerk der Unsrigen in die Hände des Feindes gefallen und
die Hafeneinfahrt den Schiffen nicht mehr zu verweigern war, wäre es Toll¬
kühnheit gewesen, sich noch länger zu wehren und die noch übrigen gänzlich
ermatteten 3500 Mann Vertheidiger dem sichern Tode anheim zu geben. Dies
sah Lamoriciere ein. AIs jedoch die weiße Fahne auf dem Castell ausgezogen
und von dem italienischen Theile der Besatzung mit Evviva-Ruf begrüßt
wurde, soll er geweint und etwas von trMre» zwischen den Zähnen gemur¬
melt haben. — Ich ging vom Theaterplatz, wo ich stummer Zuschauer des
schrecklichen Kampfes geblieben war, auf meinen Posten auf dem Monte Gcir-
detto. Unterwegs sah ich, wie die Bürgerschaft auf deu Straßen, Weiber und
Kinder wieder zum Vorschein kamen. Einzelne umarmten mich vor Freude
weinend, und nöthigten mich zu trinken, wieder Andere sahen uns triumphi-
rend an, die meisten aber dankten Gott für ihre eigne Rettung. — Auf dem
Monte Gardetto noch nicht angekommen, hörte ich einen lauten donnerähnlichen
Knall. Es war, wie ich nach einigen Minuten hörte, ein Pulverniagazin, das
unter dem Leuchtthurm gelegen und in Brand gerathen war, aufgeflogen und
hatte die ganze Bastion mit 35 Mann nebst Geschützen, Munition und einer
Seite des Thurms in die Luft geschleudert.
Wir hofften nach langer Zeit eine ruhige Nacht zu erleben. Allein wir
täuschten uns. Gegen Abend begann das Feuern von Norden her aufs Neue
und dauerte die ganze Nacht hindurch. Hatten die Unterhandlungen zu kei¬
nem Resultat geführt? Wollte man uns alle opfern? Wir wußten es nicht.
Dabei flatterten ans allen Werken die weißen Flaggen und auf allen
wurde fortwährend das Signal „Feuer einstellen" gegeben. Sollten wir uns
massacriren lassen ohne Rache zu nehmen? Erst früh erfuhren wir, daß ein
betrunkener Kanonier an der Porta Pia einen Schuß gegen die bereits in der
Vorstadt wacker zechenden Piemontese» abgegeben hatte, worauf letztere, an
Verrath glaubend, aus allen Batterien antworteten und erst am nächsten Vor¬
mittag um zehn Uhr damit aufhörten. — Ihr Feuer tödtete uns noch mehr
als 20 Mann, weiche, an dem Mißverständniß unschuldig, wehrlos ihr Blut
vergossen. Auch ich wäre beinahe ein Opfer geworden. Meinen kleinen
Raum in der Baracke aus Monte Gardetto verließ ich Morgens 7 Uhr, um
meinen Kapitän, der in der anstoßenden Baracke wohnte, die verschiedenen
Liquidationszettel unterschreiben zu lassen. Nach vielleicht zwei Minuten in
meine Behausung zurückkehrend, fand ich die gegen den Berg gelehnte Wand
von einem riesigen Stück Bombe eingeworfen, das Zimmer war voll Schutt,
Ziegel und Staub, an dem Platze, wo ich schrieb, lag ein Staat Bombe von
Zwölf Pfund Gewicht am Fußboden.
Am 29. des Morgens waren wir darauf gefaßt, den Monte Gardetto
G'knzbote» IV. 18M, 60
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |