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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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ten wilden Pferde müsse ein gezähmtes gelindes Roß beigesellt werden." Dem¬
nach ist es nicht wunderbar, daß man damals und später glaubte, er sei von
Ludwig geradezu bestochen worden, habe Kaiser und Reich an Frankreich ver¬
rathen. Nun mag wol Ludwig gegen ihn gefüllig gewesen sein, aber eine
förmliche Bestechung, ein absichtlicher Verrath des Lobkowitz läßt sich nicht
nachweisen. Eine Summe von 200,000 si., die er als Erbe eines Anspruchs
seines Vaters vom Staate fordern zu können glaubte und die er auf nicht
ehrenhafte Weise sich verschafft hatte, wurde nach seinem Sturze zurückgefordert,
und'dies gab Veranlassung zu dem Gerüchte, daß ihn Ludwig bestochen habe.
Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, daß der Minister, der an die Stelle
des von den Spaniern abhängigen Fürsten Porzia trat, den Anstoß zu seiner
Politik in seiner Abneigung gegen die Spanier und die geistliche Camarilla
erhielt, und da er kein Mann von Grundsätzen war, sondern in geistreichem
Uebermuthe stets seine Persönlichkeit geltend zu machen suchte, so brachte dies
ihn, der gegen Intriguanten intriguirte, auf falsche Wege. Vielleicht sollte auch
Ludwigs keckes Gebahren benutzt werden, die Spanier sowol als die nach
Selbständigkeit strebenden deutschen Fürsten im Interesse der Habsburgischen
Hausmacht und der kaiserlichen Autorität im Reiche zu schwächen. Der deutsche
Patriot, der besonnene Staatsmann wird und muß jener die Tendenz, dieser
das gewagte Spiel des Ministers verurtheilen, doch absichtlicher Verrath der
Interessen seines Kaisers, der auch von deutsche" Interessen keine Ahnung
hatte, wird man ihm schwerlich aufbürden dürfen. Ein günstiges Zeugniß für
Lobkowitz war auch sein vertrauter Verkehr mit dem Kapuzinerguardian P.
Emmerich, der als ein ehrlicher, wohlmeinender und offenherziger Mann überall
bekannt war und trotz seiner Abneigung gegen Jesuiten und Ketzerverfolguugen
auch vom Kaiser geschützt wurde. Trotzdem daß er. auch nach dein Sturze des
Lobkowitz an ihm, den alle mieden, festhielt, blieb er doch bei dem Kaiser in
Gunst und wurde auch später öfters zur Berathung gezogen. Würde ein sol¬
cher Mann mit einem so gewissenlosen Verräther überhaupt verkehrt haben?
Würde er mit ihm in Verbindung geblieben sein? Und würde der Kaiser den
Freund des gestürzten Ministers fernerhin werth gehalten haben, wenn
sich ein offenbarer Verrath desselben hätte erweisen lassen? Es läßt sich
acht mit Bestimmtheit sagen, was die Veranlassung seines Sturzes
war. Jedenfalls suchten seine zahlreichen Gegner lange eine Gelegenheit
wider ihn und überraschten den Kqiser mit irgend einem drastischen Beweise,
der dem> Kaiser die Augen öffnete und ihn überzeugte, daß des Ministers
Politik eine verderbliche gewesen war. Vielleicht wirkte hier mehr das, was
er gegen das kirchliche Interesse der Partei als das, was er gegen die
politische Würde des Kaises gethan hatte. Seine Gegner, die auch seine Frau,
die Claudia, gewonnen hatten, manövrirten so geschickt, daß der Kaiser, wol


ten wilden Pferde müsse ein gezähmtes gelindes Roß beigesellt werden." Dem¬
nach ist es nicht wunderbar, daß man damals und später glaubte, er sei von
Ludwig geradezu bestochen worden, habe Kaiser und Reich an Frankreich ver¬
rathen. Nun mag wol Ludwig gegen ihn gefüllig gewesen sein, aber eine
förmliche Bestechung, ein absichtlicher Verrath des Lobkowitz läßt sich nicht
nachweisen. Eine Summe von 200,000 si., die er als Erbe eines Anspruchs
seines Vaters vom Staate fordern zu können glaubte und die er auf nicht
ehrenhafte Weise sich verschafft hatte, wurde nach seinem Sturze zurückgefordert,
und'dies gab Veranlassung zu dem Gerüchte, daß ihn Ludwig bestochen habe.
Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, daß der Minister, der an die Stelle
des von den Spaniern abhängigen Fürsten Porzia trat, den Anstoß zu seiner
Politik in seiner Abneigung gegen die Spanier und die geistliche Camarilla
erhielt, und da er kein Mann von Grundsätzen war, sondern in geistreichem
Uebermuthe stets seine Persönlichkeit geltend zu machen suchte, so brachte dies
ihn, der gegen Intriguanten intriguirte, auf falsche Wege. Vielleicht sollte auch
Ludwigs keckes Gebahren benutzt werden, die Spanier sowol als die nach
Selbständigkeit strebenden deutschen Fürsten im Interesse der Habsburgischen
Hausmacht und der kaiserlichen Autorität im Reiche zu schwächen. Der deutsche
Patriot, der besonnene Staatsmann wird und muß jener die Tendenz, dieser
das gewagte Spiel des Ministers verurtheilen, doch absichtlicher Verrath der
Interessen seines Kaisers, der auch von deutsche» Interessen keine Ahnung
hatte, wird man ihm schwerlich aufbürden dürfen. Ein günstiges Zeugniß für
Lobkowitz war auch sein vertrauter Verkehr mit dem Kapuzinerguardian P.
Emmerich, der als ein ehrlicher, wohlmeinender und offenherziger Mann überall
bekannt war und trotz seiner Abneigung gegen Jesuiten und Ketzerverfolguugen
auch vom Kaiser geschützt wurde. Trotzdem daß er. auch nach dein Sturze des
Lobkowitz an ihm, den alle mieden, festhielt, blieb er doch bei dem Kaiser in
Gunst und wurde auch später öfters zur Berathung gezogen. Würde ein sol¬
cher Mann mit einem so gewissenlosen Verräther überhaupt verkehrt haben?
Würde er mit ihm in Verbindung geblieben sein? Und würde der Kaiser den
Freund des gestürzten Ministers fernerhin werth gehalten haben, wenn
sich ein offenbarer Verrath desselben hätte erweisen lassen? Es läßt sich
acht mit Bestimmtheit sagen, was die Veranlassung seines Sturzes
war. Jedenfalls suchten seine zahlreichen Gegner lange eine Gelegenheit
wider ihn und überraschten den Kqiser mit irgend einem drastischen Beweise,
der dem> Kaiser die Augen öffnete und ihn überzeugte, daß des Ministers
Politik eine verderbliche gewesen war. Vielleicht wirkte hier mehr das, was
er gegen das kirchliche Interesse der Partei als das, was er gegen die
politische Würde des Kaises gethan hatte. Seine Gegner, die auch seine Frau,
die Claudia, gewonnen hatten, manövrirten so geschickt, daß der Kaiser, wol


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/468>, abgerufen am 15.01.2025.