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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Als Ludwig der Vierzehnte im Ja Im i<-?0 den Herzog Carl von Loth-
ringen vertrieben hatte und die Holländer bedrohte, hatte die geistlich-spanische
Partei in Wien theils keinen zu großen Eifer, den niederländischen Ketzern zu
helfen, theils konnte sie, wo der Gegensatz gegen Frankreich und das spanische
Interesse aus der Noth eine Tugend zu machen drängte, sich nicht gehörig
geltend machen. Neben dem spanischen Gesandten war es nur ein Mitglied
des vertrautem kaiserlichen Geheimraths, der Hvfcanzler Baron Hocher, der
mit dem Gesandten einig gegen Frankreich zu wirken suchte, doch nicht im
wahren Interesse des Reichs, sondern als Vertreter der geistlichen und Je-
suitenpartei, in deren Sinne er anch stets die Bedrängnisse der Protestanten
begünstigte. Er war früher in Böhmen Advocat gewesen und durch juristische
Gelehrsamkeit, Geschäftstüchtigfcit und zweideutige Gewandtheit emporgekom¬
men, die ihm anch seinen Feinden gegenüber seine Stellung sicherte. "Er
wußte seine Worte im diplomatischen Verkehr so auf die Goldwage zu legen
und so zu antworten, daß er sich immer eine Hinterthür offen erhielt." Dieser
Partei wirkten damals der höchst gewandte französische Gesandte Gremonville
und der einflußreichste Minister des Kaisers, der Fürst von Lobkowitz, von
1665 .-1674 entschieden entgegen, so daß nach dem Abschlüsse eines geheim
gehaltenen Vertrags mit Frankreich über die eventuelle Theilung der spani¬
schen Monarchie im Jahre 1668 sogar 1671 ein Freundschaftstractat zwischen
Oestreich und Frankreich zu Stande kam, durch welchen Ludwig in Holland
freie Hand bekam.

Wenzel Eusebius Fürst von Lobkowitz, kaiserlicher Oberhofmeister, war
ein sehr geistreicher und geschäftsgewandter, aber frivoler und übermüthiger
Diplomat. Dem Leopold hatte er sich durch seine Dienste bei der Kaiserwahl
empfohlen, und er mußte sich trotz seiner beleidigenden Rücksichtslosigkeit und
Spottsucht, trotz seiner offen zur Schau getragenen Abneigung gegen Jesuiten und
gegen die spanische Partei, trotz seiner Sympathien für Ludwig den Vierzehnten
so lange zu halte", daß man deutlich sieht, wie zäh der Kaiser war, wenn er
sich einmal in der Neigung für einen Günstling festgerannt hatte. Aber es
beweist auch, wie begabt der Minister sein mußte, der seinen frommen Herrn so
lauge Zeit festzuhalten wußte. Selbst als sich der Kaiser 1673 zum Kriege
gegen Frankreich entschließen mußte, konnte Lobkowitz den Krieg zu Gunsten
Frankreichs überall lähmen. "Montecuculi sei," so äußerte er sich, "dem Kur¬
fürsten von Brandenburg an die Seite gesetzt worden, um, was einer oder der
andere dabei suche, zu dctouruiren und den Effect zu vereiteln, dem ungezäum-


dn- ersten und zwei aus der zweiten Ehe starben frühzeitig. Marie Antonie aus der ersten
Ehe. geb. 1669, starb als Kurfürstin von Bayern 1632. Von den neun Kindern der dritten
Ehe sei h,er an die beiden folgenden Kaiser, Joseph den Ersten und Carl dem Sechsten,
erinnert.

Als Ludwig der Vierzehnte im Ja Im i<-?0 den Herzog Carl von Loth-
ringen vertrieben hatte und die Holländer bedrohte, hatte die geistlich-spanische
Partei in Wien theils keinen zu großen Eifer, den niederländischen Ketzern zu
helfen, theils konnte sie, wo der Gegensatz gegen Frankreich und das spanische
Interesse aus der Noth eine Tugend zu machen drängte, sich nicht gehörig
geltend machen. Neben dem spanischen Gesandten war es nur ein Mitglied
des vertrautem kaiserlichen Geheimraths, der Hvfcanzler Baron Hocher, der
mit dem Gesandten einig gegen Frankreich zu wirken suchte, doch nicht im
wahren Interesse des Reichs, sondern als Vertreter der geistlichen und Je-
suitenpartei, in deren Sinne er anch stets die Bedrängnisse der Protestanten
begünstigte. Er war früher in Böhmen Advocat gewesen und durch juristische
Gelehrsamkeit, Geschäftstüchtigfcit und zweideutige Gewandtheit emporgekom¬
men, die ihm anch seinen Feinden gegenüber seine Stellung sicherte. „Er
wußte seine Worte im diplomatischen Verkehr so auf die Goldwage zu legen
und so zu antworten, daß er sich immer eine Hinterthür offen erhielt." Dieser
Partei wirkten damals der höchst gewandte französische Gesandte Gremonville
und der einflußreichste Minister des Kaisers, der Fürst von Lobkowitz, von
1665 .-1674 entschieden entgegen, so daß nach dem Abschlüsse eines geheim
gehaltenen Vertrags mit Frankreich über die eventuelle Theilung der spani¬
schen Monarchie im Jahre 1668 sogar 1671 ein Freundschaftstractat zwischen
Oestreich und Frankreich zu Stande kam, durch welchen Ludwig in Holland
freie Hand bekam.

Wenzel Eusebius Fürst von Lobkowitz, kaiserlicher Oberhofmeister, war
ein sehr geistreicher und geschäftsgewandter, aber frivoler und übermüthiger
Diplomat. Dem Leopold hatte er sich durch seine Dienste bei der Kaiserwahl
empfohlen, und er mußte sich trotz seiner beleidigenden Rücksichtslosigkeit und
Spottsucht, trotz seiner offen zur Schau getragenen Abneigung gegen Jesuiten und
gegen die spanische Partei, trotz seiner Sympathien für Ludwig den Vierzehnten
so lange zu halte», daß man deutlich sieht, wie zäh der Kaiser war, wenn er
sich einmal in der Neigung für einen Günstling festgerannt hatte. Aber es
beweist auch, wie begabt der Minister sein mußte, der seinen frommen Herrn so
lauge Zeit festzuhalten wußte. Selbst als sich der Kaiser 1673 zum Kriege
gegen Frankreich entschließen mußte, konnte Lobkowitz den Krieg zu Gunsten
Frankreichs überall lähmen. „Montecuculi sei," so äußerte er sich, „dem Kur¬
fürsten von Brandenburg an die Seite gesetzt worden, um, was einer oder der
andere dabei suche, zu dctouruiren und den Effect zu vereiteln, dem ungezäum-


dn- ersten und zwei aus der zweiten Ehe starben frühzeitig. Marie Antonie aus der ersten
Ehe. geb. 1669, starb als Kurfürstin von Bayern 1632. Von den neun Kindern der dritten
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/467>, abgerufen am 15.01.2025.