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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Der Kaiserpalast ist vielleicht die größte Fürstenwohnung aus Erden.
Ohne die ausgedehnten Gärten und die drei Höfe, die zu ihm gehören,
aber zur zweiten Abtheilung gerechnet werden, beträgt der Umfang dieses Ge-
bäudecomplexes. welcher ein längliches Viereck bildet, 6 Li, d. h. 10.656 Fuß.
Der Palast ist mit starken zinnengekrönten Mauern umgeben, die von rothen
Ziegeln aufgeführt und mit gelben Dachsteinen gedeckt sind. Ueber den vier
Thoren und den vier Ecken erheben sich Pavillons mit den bekannten ausge¬
schweiften Dächern. Das Innere der kaiserlichen Residenz zerfällt in eine
Reihe von Höfen, die mit Säulengängen und geschlossenen Galerien und Ge¬
mächern umgeben sind. Alles ist sehr reich und prächtig, aber nach unsern
Begriffen wenig geschmackvoll. Unter den zahlreichen Bauwerken, aus denen
die verbotene Stadt besteht, nennen wir nur das besonders reich verzierte Thor
Tuanmcn, den Tempel Tsching Hvang Miao, in welchem der Schutzgott der
Stadt verehrt wird, das schone Südthor Amen, den Prachtsaal Taihotian
(d. i. große Eintracht) wo der Kaiser auf seinem Thron den Großen des Rei¬
ches und den Gesandten des Auslandes Audienz ertheilt, den Palast der
Kaiserin (Kiünningl'ong), endlich den Kaiserpalast im engern Sinne, die "Woh¬
nung des klaren Himmels," wo der Beherrscher der Blume der Mitte den
Winter hindurch zu residiren geruht. Hinter demselben tritt man in einen
schönen, mit den ausgesuchtesten Sträuchern, Bäumen und Blumen bepflanzte"?
Garten. Wie in den meisten Privathäusern sind auch im Kaiserpniast die
Wände mit Sprüchen chinesischer Weisen und Dichter auf Papier beklebt, wel¬
ches letztere als Tapete dient. Die Thüren und Verschlage sind von Kam¬
pfer- oder Cypressenholz und mit Bildwerken verziert. Auch die Möbel be¬
stehen aus kostbarem Holz und blenden durch ihren Firniß. Gold, Silber,
Marmor und Porzellan sind allenthalben verschwenderisch angebracht. Nur
eins mangelt dem Palast wie allen Häusern Pekings -- die Fenster haben
keine Glasscheiben, sondern sind nur mit Papier verklebt.

Der Stadttheil Hoangtsching, welcher den kaiserlichen Palast zunächst
umgiebt, ist, während ihn früher nur zum Hofstaat gehörige Personen bewohnten,
jetzt zum Theil in den Händen von Kaufleuten, die in einigen Straßen ihre
Läden ausgeschlagen haben. Den Haupttheil des Areals nehmen jedoch Gär¬
ten und Teiche ein. Eine der Merkwürdigkeiten dieses Stadttheils ist die nach
einem der hier stehenden Paläste führende Brücke aus schwarzem Jaspis, die
einen Drachen bildet. Ferner finden sich hier: der Tempel des Fohi mit einer
bundertannigen 60 Fuß hohen Bronzestatue dieses Gottes, die Tempel
Taimiao. den Ahnen des Kaiserhauses, Siwan Tschin Miao. dem Gott des
Windes. Ningho Miao. dem Blitzgott. Thiantschutang. dem Herrn des Him¬
mels geweiht (einst eine Kirche der französischen Jesuiten) sowie der große
Mongolische Tempel des Songtschuße, in welchem der Kotuchtu, einer der drei


Grenz boten IV, 1860. 5?

Der Kaiserpalast ist vielleicht die größte Fürstenwohnung aus Erden.
Ohne die ausgedehnten Gärten und die drei Höfe, die zu ihm gehören,
aber zur zweiten Abtheilung gerechnet werden, beträgt der Umfang dieses Ge-
bäudecomplexes. welcher ein längliches Viereck bildet, 6 Li, d. h. 10.656 Fuß.
Der Palast ist mit starken zinnengekrönten Mauern umgeben, die von rothen
Ziegeln aufgeführt und mit gelben Dachsteinen gedeckt sind. Ueber den vier
Thoren und den vier Ecken erheben sich Pavillons mit den bekannten ausge¬
schweiften Dächern. Das Innere der kaiserlichen Residenz zerfällt in eine
Reihe von Höfen, die mit Säulengängen und geschlossenen Galerien und Ge¬
mächern umgeben sind. Alles ist sehr reich und prächtig, aber nach unsern
Begriffen wenig geschmackvoll. Unter den zahlreichen Bauwerken, aus denen
die verbotene Stadt besteht, nennen wir nur das besonders reich verzierte Thor
Tuanmcn, den Tempel Tsching Hvang Miao, in welchem der Schutzgott der
Stadt verehrt wird, das schone Südthor Amen, den Prachtsaal Taihotian
(d. i. große Eintracht) wo der Kaiser auf seinem Thron den Großen des Rei¬
ches und den Gesandten des Auslandes Audienz ertheilt, den Palast der
Kaiserin (Kiünningl'ong), endlich den Kaiserpalast im engern Sinne, die „Woh¬
nung des klaren Himmels," wo der Beherrscher der Blume der Mitte den
Winter hindurch zu residiren geruht. Hinter demselben tritt man in einen
schönen, mit den ausgesuchtesten Sträuchern, Bäumen und Blumen bepflanzte«?
Garten. Wie in den meisten Privathäusern sind auch im Kaiserpniast die
Wände mit Sprüchen chinesischer Weisen und Dichter auf Papier beklebt, wel¬
ches letztere als Tapete dient. Die Thüren und Verschlage sind von Kam¬
pfer- oder Cypressenholz und mit Bildwerken verziert. Auch die Möbel be¬
stehen aus kostbarem Holz und blenden durch ihren Firniß. Gold, Silber,
Marmor und Porzellan sind allenthalben verschwenderisch angebracht. Nur
eins mangelt dem Palast wie allen Häusern Pekings — die Fenster haben
keine Glasscheiben, sondern sind nur mit Papier verklebt.

Der Stadttheil Hoangtsching, welcher den kaiserlichen Palast zunächst
umgiebt, ist, während ihn früher nur zum Hofstaat gehörige Personen bewohnten,
jetzt zum Theil in den Händen von Kaufleuten, die in einigen Straßen ihre
Läden ausgeschlagen haben. Den Haupttheil des Areals nehmen jedoch Gär¬
ten und Teiche ein. Eine der Merkwürdigkeiten dieses Stadttheils ist die nach
einem der hier stehenden Paläste führende Brücke aus schwarzem Jaspis, die
einen Drachen bildet. Ferner finden sich hier: der Tempel des Fohi mit einer
bundertannigen 60 Fuß hohen Bronzestatue dieses Gottes, die Tempel
Taimiao. den Ahnen des Kaiserhauses, Siwan Tschin Miao. dem Gott des
Windes. Ningho Miao. dem Blitzgott. Thiantschutang. dem Herrn des Him¬
mels geweiht (einst eine Kirche der französischen Jesuiten) sowie der große
Mongolische Tempel des Songtschuße, in welchem der Kotuchtu, einer der drei


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[0429] Der Kaiserpalast ist vielleicht die größte Fürstenwohnung aus Erden. Ohne die ausgedehnten Gärten und die drei Höfe, die zu ihm gehören, aber zur zweiten Abtheilung gerechnet werden, beträgt der Umfang dieses Ge- bäudecomplexes. welcher ein längliches Viereck bildet, 6 Li, d. h. 10.656 Fuß. Der Palast ist mit starken zinnengekrönten Mauern umgeben, die von rothen Ziegeln aufgeführt und mit gelben Dachsteinen gedeckt sind. Ueber den vier Thoren und den vier Ecken erheben sich Pavillons mit den bekannten ausge¬ schweiften Dächern. Das Innere der kaiserlichen Residenz zerfällt in eine Reihe von Höfen, die mit Säulengängen und geschlossenen Galerien und Ge¬ mächern umgeben sind. Alles ist sehr reich und prächtig, aber nach unsern Begriffen wenig geschmackvoll. Unter den zahlreichen Bauwerken, aus denen die verbotene Stadt besteht, nennen wir nur das besonders reich verzierte Thor Tuanmcn, den Tempel Tsching Hvang Miao, in welchem der Schutzgott der Stadt verehrt wird, das schone Südthor Amen, den Prachtsaal Taihotian (d. i. große Eintracht) wo der Kaiser auf seinem Thron den Großen des Rei¬ ches und den Gesandten des Auslandes Audienz ertheilt, den Palast der Kaiserin (Kiünningl'ong), endlich den Kaiserpalast im engern Sinne, die „Woh¬ nung des klaren Himmels," wo der Beherrscher der Blume der Mitte den Winter hindurch zu residiren geruht. Hinter demselben tritt man in einen schönen, mit den ausgesuchtesten Sträuchern, Bäumen und Blumen bepflanzte«? Garten. Wie in den meisten Privathäusern sind auch im Kaiserpniast die Wände mit Sprüchen chinesischer Weisen und Dichter auf Papier beklebt, wel¬ ches letztere als Tapete dient. Die Thüren und Verschlage sind von Kam¬ pfer- oder Cypressenholz und mit Bildwerken verziert. Auch die Möbel be¬ stehen aus kostbarem Holz und blenden durch ihren Firniß. Gold, Silber, Marmor und Porzellan sind allenthalben verschwenderisch angebracht. Nur eins mangelt dem Palast wie allen Häusern Pekings — die Fenster haben keine Glasscheiben, sondern sind nur mit Papier verklebt. Der Stadttheil Hoangtsching, welcher den kaiserlichen Palast zunächst umgiebt, ist, während ihn früher nur zum Hofstaat gehörige Personen bewohnten, jetzt zum Theil in den Händen von Kaufleuten, die in einigen Straßen ihre Läden ausgeschlagen haben. Den Haupttheil des Areals nehmen jedoch Gär¬ ten und Teiche ein. Eine der Merkwürdigkeiten dieses Stadttheils ist die nach einem der hier stehenden Paläste führende Brücke aus schwarzem Jaspis, die einen Drachen bildet. Ferner finden sich hier: der Tempel des Fohi mit einer bundertannigen 60 Fuß hohen Bronzestatue dieses Gottes, die Tempel Taimiao. den Ahnen des Kaiserhauses, Siwan Tschin Miao. dem Gott des Windes. Ningho Miao. dem Blitzgott. Thiantschutang. dem Herrn des Him¬ mels geweiht (einst eine Kirche der französischen Jesuiten) sowie der große Mongolische Tempel des Songtschuße, in welchem der Kotuchtu, einer der drei Grenz boten IV, 1860. 5?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/429>, abgerufen am 15.01.2025.