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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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den gegenwärtigen, zu machen." Zeiten und Regierungen haben ihre beson¬
dere Sprache, es wird dereinst von Interesse sein, sich zu vergegenwärtigen,
daß dies die Sprache der sächsischen Regierung gegen eine Universität im
Jahre 1850 war. Ganz besonders charakteristisch war es dabei, daß die Re¬
gierung sich im Voraus eine Motivirung eines Beschlusses als eine politische
Demonstration verbat, und außerdem wurde angedeutet, daß nicht die Corpo¬
ration als solche zu wählen habe, sondern daß man die einzelnen Mitglieder,
welche zu wählen geneigt seien, gewähren lassen sollte. Der Senat hielt
darauf eine neue Sitzung, und erklärte als deren Ergebniß: daß er seinen
Beschluß einer neuen Prüfung unterworfen habe, daß nach seiner Ueberzeugung
das Wahlrecht nur der Corporation als solcher zustehe, daß diese mit 19 ge¬
gen 10 Stimmen sich nicht für berechtigt erklärt habe, zu einer Vertretung der
Universität in der .jetzt einberufenen Ständeversammlung mitzuwirken :c."
Nunmehr wurde Herr von Beust noch energischer. Er verordnete unter dem
17. Juli: Es scheine ein Mißverständniß obgewaltet zu haben, ze. "Es
kommt nur das corporative Verhältniß der Mitglieder des Senats in Betracht.
Dies Verhältniß, welches auch das Ministerium lediglich beachtet hat, nöthigt
die Mitglieder des academischen Senats in seiner Eigenschaft als Vertreter
der Universität, seine Stellung zur Staatsregierung und insbesondere zum
Ministerium des Cultus als seiner zunächst vorgesetzten Staatsbehörde anzu¬
erkennen und in Nachgchung der Anordnungen desselben die eigene, im ein-
zelnen Falle entgegengesetzte Meinung unterzuordnen. Das Ministerium
befindet sich daher .... in der Lage, nunmehr deutlicher (!) seine Meinung
dahin auszusprechen und zu verordnen: die Mitglieder des academischen Se¬
nats mögen sofort nach Empfang dieser Verordnung zu einer Sitzung unter
Bekanntmachung des Zwecks eingeladen werden, daß die Wahl eines Depu¬
taten zu dem bereits zusammengetretenen Landtage vorgenommen werde. In
der Sitzung hat lediglich die Abstimmung und Beschlußfassung über die Per¬
son des zu Wählenden stattzufinden. Sollten diejenigen Mitglieder, welche der
Vornahme einer Wahl nach dem letzten Beschlusse entgegen waren, auch in
dieser Versammlung bei ihrer Meinung beharren, so würde dies ohne Einfluß
auf die Vorname der Wahl unter den übrigen Mitgliedern, jenen aber sich
der Abstimmung bei der Wahl zu enthalten, unbenommen sein ze." Das
war denn allerdings nicht mißzuverstehen, es wurde ein Abgeordneter mit
13 Stimmen gewühlt, allein da diese 13 Mitglieder natürlich nicht im Namen
der Corporation eine Vollmacht ausstellen konnten, so mußte man denn doch
noch "von der Oberaufsichtspflicht einen andern Gebrauch machen". Auf er¬
haltene Verordnung, die Vollmacht auszustellen, weigerte sich der Senat, dies
zu thun, und nun wurden durch einen außerordentlichen Eommissar der Re¬
gierung 21 Professoren von ihrer Mitgliedschaft im academischen Senat, und


den gegenwärtigen, zu machen." Zeiten und Regierungen haben ihre beson¬
dere Sprache, es wird dereinst von Interesse sein, sich zu vergegenwärtigen,
daß dies die Sprache der sächsischen Regierung gegen eine Universität im
Jahre 1850 war. Ganz besonders charakteristisch war es dabei, daß die Re¬
gierung sich im Voraus eine Motivirung eines Beschlusses als eine politische
Demonstration verbat, und außerdem wurde angedeutet, daß nicht die Corpo¬
ration als solche zu wählen habe, sondern daß man die einzelnen Mitglieder,
welche zu wählen geneigt seien, gewähren lassen sollte. Der Senat hielt
darauf eine neue Sitzung, und erklärte als deren Ergebniß: daß er seinen
Beschluß einer neuen Prüfung unterworfen habe, daß nach seiner Ueberzeugung
das Wahlrecht nur der Corporation als solcher zustehe, daß diese mit 19 ge¬
gen 10 Stimmen sich nicht für berechtigt erklärt habe, zu einer Vertretung der
Universität in der .jetzt einberufenen Ständeversammlung mitzuwirken :c."
Nunmehr wurde Herr von Beust noch energischer. Er verordnete unter dem
17. Juli: Es scheine ein Mißverständniß obgewaltet zu haben, ze. „Es
kommt nur das corporative Verhältniß der Mitglieder des Senats in Betracht.
Dies Verhältniß, welches auch das Ministerium lediglich beachtet hat, nöthigt
die Mitglieder des academischen Senats in seiner Eigenschaft als Vertreter
der Universität, seine Stellung zur Staatsregierung und insbesondere zum
Ministerium des Cultus als seiner zunächst vorgesetzten Staatsbehörde anzu¬
erkennen und in Nachgchung der Anordnungen desselben die eigene, im ein-
zelnen Falle entgegengesetzte Meinung unterzuordnen. Das Ministerium
befindet sich daher .... in der Lage, nunmehr deutlicher (!) seine Meinung
dahin auszusprechen und zu verordnen: die Mitglieder des academischen Se¬
nats mögen sofort nach Empfang dieser Verordnung zu einer Sitzung unter
Bekanntmachung des Zwecks eingeladen werden, daß die Wahl eines Depu¬
taten zu dem bereits zusammengetretenen Landtage vorgenommen werde. In
der Sitzung hat lediglich die Abstimmung und Beschlußfassung über die Per¬
son des zu Wählenden stattzufinden. Sollten diejenigen Mitglieder, welche der
Vornahme einer Wahl nach dem letzten Beschlusse entgegen waren, auch in
dieser Versammlung bei ihrer Meinung beharren, so würde dies ohne Einfluß
auf die Vorname der Wahl unter den übrigen Mitgliedern, jenen aber sich
der Abstimmung bei der Wahl zu enthalten, unbenommen sein ze." Das
war denn allerdings nicht mißzuverstehen, es wurde ein Abgeordneter mit
13 Stimmen gewühlt, allein da diese 13 Mitglieder natürlich nicht im Namen
der Corporation eine Vollmacht ausstellen konnten, so mußte man denn doch
noch „von der Oberaufsichtspflicht einen andern Gebrauch machen". Auf er¬
haltene Verordnung, die Vollmacht auszustellen, weigerte sich der Senat, dies
zu thun, und nun wurden durch einen außerordentlichen Eommissar der Re¬
gierung 21 Professoren von ihrer Mitgliedschaft im academischen Senat, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/346>, abgerufen am 16.01.2025.