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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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brachte, sollte für alle vier Theile der Monarchie gelten; der Reichsrath ein
Vertreter der Totalität dieser Theile sein, also war die Aufhebung der
Verfassung sür zwei Theile eine solche, durch welche die Geltung derselben für
alle aufhörte. Sollte der Gesammtstaat blos für Dänemark und Schleswig
fortbestehn, so bedürfte es dazu eines neuen Gesetzes, und dieses hätte nur
rechtlichen Bestand erlangen können, wenn die Stände Schleswigs es gutge¬
heißen hatten. Die Rechte und Interessen des Herzogtums waren selbst da¬
mals nicht ausreichend gewahrt, als die Verordnung von 1855 noch für alle
Theile der Monarchie galt und der dänischen Majorität im Reichsrath außer
den schleswigschen Stimmen holsteinische und laucnburgischc gegenüberstanden.
Jetzt ist dies noch weit weniger der Fall, und so kann man in dem Patent,
welches 1858 den Gesammtstaat und den Reichsrath nur sür die zum deutschen
Bunde gehörigen beiden Herzogtümer aufhob, nnr einen Act erkennen, der
die Einverleibung Schleswigs in Dänemark vorbereitet, ja der, zusammen¬
gehalten mit den zahlreichen Danisirungsmaßregeln in Kirche und Schule, in
den Kreisen der Beamten und der von Concessionen abhängigen Gewerbe, so
wie verglichen mit den auf völlige Losreißung des Herzogtums von Holstein
berechneten Verfügungen, bereits eine thatsächliche Incorporation ist.

Die Stände Schleswigs haben in ihrer diesjährigen Session das ihnen
auch in Sachen des Gescunmtstaats zustehende Wort verlangt. Sie haben
gegen das Fortbestehn der Verordnung vom zweiten October 1855 für Dänemark
und Schleswig, gegen die Rechtsbeständigkeit der vier ersten Paragraphen der
Svndervcrfassung für Schleswig, über welche die Landesvertretung nicht berathen
durfte, gegen jede ohne Vernehmung der Stände Schleswigs vorzunehmende
Ordnung der Verhältnisse dieses Herzogtums zu den übrigen Theilen der
Monarchie und gegen alle bisherigen und zukünftigen auf eine Loslrennung
Schleswigs von Holstein gerichteten Maßregeln in der Sechsundzwanzigeradresse
feierlich Verwahrung eingelegt. Jenes Verlangen ist unerfüllt geblieben, dieser
Protest durch einen Willküract des Präsidenten verhindert worden, zum giltigen
Beschluß zu werden und als solcher an den König zu gelangen. An uns in
Deutschland ist es nun, die Forderungen und Beschwerden Schleswigs zu den
unsern zu machen. Es ist zu sorgen, daß die Gcsammtstaatsvcrfassung wie
für Holstein und Lauenburg, so auch für Schleswig suspendirt, und daß den
Sckleswigern gestattet werde, sich über ihre Stellung in der dänischen Monar¬
chie rückhaltlos auszusprechen. Sie werden dann, deß sind wir sicher, mit großer
Majorität und mit gleicher Energie wie die Holsteiner sich gegen die 1855 be¬
liebte Gesammtstaatsverfassung als eine nicht zu gedeihlichen Zielen führende
erklären und ohne sich auf Vorschläge einzulassen, in denen nur eine Abände¬
rung der Gesammtstaatsidee läge, die Forderung stellen, daß ihnen von der
Regierung auf Grund der alten Landesrechte zeitgemäße Vorlagen ge-


brachte, sollte für alle vier Theile der Monarchie gelten; der Reichsrath ein
Vertreter der Totalität dieser Theile sein, also war die Aufhebung der
Verfassung sür zwei Theile eine solche, durch welche die Geltung derselben für
alle aufhörte. Sollte der Gesammtstaat blos für Dänemark und Schleswig
fortbestehn, so bedürfte es dazu eines neuen Gesetzes, und dieses hätte nur
rechtlichen Bestand erlangen können, wenn die Stände Schleswigs es gutge¬
heißen hatten. Die Rechte und Interessen des Herzogtums waren selbst da¬
mals nicht ausreichend gewahrt, als die Verordnung von 1855 noch für alle
Theile der Monarchie galt und der dänischen Majorität im Reichsrath außer
den schleswigschen Stimmen holsteinische und laucnburgischc gegenüberstanden.
Jetzt ist dies noch weit weniger der Fall, und so kann man in dem Patent,
welches 1858 den Gesammtstaat und den Reichsrath nur sür die zum deutschen
Bunde gehörigen beiden Herzogtümer aufhob, nnr einen Act erkennen, der
die Einverleibung Schleswigs in Dänemark vorbereitet, ja der, zusammen¬
gehalten mit den zahlreichen Danisirungsmaßregeln in Kirche und Schule, in
den Kreisen der Beamten und der von Concessionen abhängigen Gewerbe, so
wie verglichen mit den auf völlige Losreißung des Herzogtums von Holstein
berechneten Verfügungen, bereits eine thatsächliche Incorporation ist.

Die Stände Schleswigs haben in ihrer diesjährigen Session das ihnen
auch in Sachen des Gescunmtstaats zustehende Wort verlangt. Sie haben
gegen das Fortbestehn der Verordnung vom zweiten October 1855 für Dänemark
und Schleswig, gegen die Rechtsbeständigkeit der vier ersten Paragraphen der
Svndervcrfassung für Schleswig, über welche die Landesvertretung nicht berathen
durfte, gegen jede ohne Vernehmung der Stände Schleswigs vorzunehmende
Ordnung der Verhältnisse dieses Herzogtums zu den übrigen Theilen der
Monarchie und gegen alle bisherigen und zukünftigen auf eine Loslrennung
Schleswigs von Holstein gerichteten Maßregeln in der Sechsundzwanzigeradresse
feierlich Verwahrung eingelegt. Jenes Verlangen ist unerfüllt geblieben, dieser
Protest durch einen Willküract des Präsidenten verhindert worden, zum giltigen
Beschluß zu werden und als solcher an den König zu gelangen. An uns in
Deutschland ist es nun, die Forderungen und Beschwerden Schleswigs zu den
unsern zu machen. Es ist zu sorgen, daß die Gcsammtstaatsvcrfassung wie
für Holstein und Lauenburg, so auch für Schleswig suspendirt, und daß den
Sckleswigern gestattet werde, sich über ihre Stellung in der dänischen Monar¬
chie rückhaltlos auszusprechen. Sie werden dann, deß sind wir sicher, mit großer
Majorität und mit gleicher Energie wie die Holsteiner sich gegen die 1855 be¬
liebte Gesammtstaatsverfassung als eine nicht zu gedeihlichen Zielen führende
erklären und ohne sich auf Vorschläge einzulassen, in denen nur eine Abände¬
rung der Gesammtstaatsidee läge, die Forderung stellen, daß ihnen von der
Regierung auf Grund der alten Landesrechte zeitgemäße Vorlagen ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/33>, abgerufen am 15.01.2025.