Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.laugen Zügen hinausliegen, waren uns ein charakteristisches Zeichen des Lan¬ Bekanntlich ist das alte Wien oder die innere Stadt dnrch einen weiten, Vor dem Schottenthor, auf der Nordwestseite des Glacis, erhebt sich Wie in einem Flusse, dessen Bett für die Wassermasse kaum genug Raum laugen Zügen hinausliegen, waren uns ein charakteristisches Zeichen des Lan¬ Bekanntlich ist das alte Wien oder die innere Stadt dnrch einen weiten, Vor dem Schottenthor, auf der Nordwestseite des Glacis, erhebt sich Wie in einem Flusse, dessen Bett für die Wassermasse kaum genug Raum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110666"/> <p xml:id="ID_921" prev="#ID_920"> laugen Zügen hinausliegen, waren uns ein charakteristisches Zeichen des Lan¬<lb/> des, Die stolzen Schlösser des Adels, Abteien, wie Meil und Klosterneuburg,<lb/> mit weitausgedehnter palastühnlichcn Gebäuden in schönster Lage, gereichten<lb/> den Ufern zu großer Zierde und zeigten zu gleicher Zeit, welchen Ständen<lb/> vorzugsweise der Reichthum des Landes in den Schooß fällt. Endlich erhob<lb/> sich ans einem Meer von Vorstädten der Stephansthurm — leider mit einem<lb/> Gerüst umgeben, weil ein Drittheil desselben wegen Baufälligkeit erneuert wer¬<lb/> den muß. In Nußdorf, um Fuße des Kahlenbergs, eine gute Stunde von<lb/> Wien, stiegen wir auf ein kleineres Boot, um den Donankanal, welcher Wien<lb/> durchfließt, hinaufzufahren, und bald waren wir, an der Brigittenan traurigen<lb/> Angedenkens, an den Vorstädten Nassau und Leopoldstadt vorbei, zu der<lb/> Mauth gelangt, von wo ein kurzer Weg über das Glacis in die unendlich<lb/> bewegte innere Stadt führt.</p><lb/> <p xml:id="ID_922"> Bekanntlich ist das alte Wien oder die innere Stadt dnrch einen weiten,<lb/> tiefen Graben und das „Glacis", einen grünen Gürtel von Baumreihen und<lb/> Rasenflächen, der K00 bis 1500 Fuß breit ist, von den ansehnlichen, weit<lb/> ausgedehnten Vorstädten getrennt. Dieser Kern der Stadt hat noch seine<lb/> alten Straßen und Plätze, die zu einer Zeit, wo man in und außer dem<lb/> Hause mit sehr bescheidenen Räumen fürlieb nahm, genügend waren, gegen¬<lb/> wärtig aber zu den fünf- und sechsstöckig ausgewachsenen Häusern in keinem<lb/> Verhältnisse mehr stehen. So hat man denn damit begonnen, Graben und<lb/> Glacis zu neuen Stadtanlagen zu verwenden. Der gewonnene Raum soll<lb/> theils von prächtigen Straßen nach Art der Pariser Boulevards, theils von<lb/> geometrisch abgegrenzten Plätzen, Baumpflanzungen und Rasenfcldern einge¬<lb/> nommen werden. Das alte, ich möchte sagen bürgerliche Glacis, wo die Bu¬<lb/> ben sich balgen und Drachen steigen lassen; wo das Volk lagert, und der<lb/> Handwerksbursche nach verzehrter Wurst seinen Mittagsschlaf hält; wo be¬<lb/> sonders die Kindermädchen mit ihren Kleinen sich herumtummeln, wird ein<lb/> nobles, polizeilich überwachtes Quartier werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_923"> Vor dem Schottenthor, auf der Nordwestseite des Glacis, erhebt sich<lb/> jetzt — an der Stelle, wo vor sieben Jahren ein Mordversuch gegen Franz<lb/> Joseph unternommen wurde, die von ihm gelobte Heilandskirche, ein sehr an¬<lb/> sehnlicher gothischer Bau mit zwei Thürmen, der sich noch in den Händen<lb/> der Steinmetzen und Maurer befindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_924" next="#ID_925"> Wie in einem Flusse, dessen Bett für die Wassermasse kaum genug Raum<lb/> hat, findet die Menge in den Hauptstraßen der innern Stadt hin und her,<lb/> und oft ist es längere Zeit nicht möglich, diese schmalen Gassen zu über¬<lb/> schreiten, weil die Equipagen, Omnibus, Salonwagen, Fiaker, Comsvrtnbles<lb/> und sonstigen Fuhrweite den ganzen Weg bis zu einem schmalen Rande zu<lb/> beiden Seiten füllen. Nirgends findet man deshalb auch geschicktere Kutscher,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
laugen Zügen hinausliegen, waren uns ein charakteristisches Zeichen des Lan¬
des, Die stolzen Schlösser des Adels, Abteien, wie Meil und Klosterneuburg,
mit weitausgedehnter palastühnlichcn Gebäuden in schönster Lage, gereichten
den Ufern zu großer Zierde und zeigten zu gleicher Zeit, welchen Ständen
vorzugsweise der Reichthum des Landes in den Schooß fällt. Endlich erhob
sich ans einem Meer von Vorstädten der Stephansthurm — leider mit einem
Gerüst umgeben, weil ein Drittheil desselben wegen Baufälligkeit erneuert wer¬
den muß. In Nußdorf, um Fuße des Kahlenbergs, eine gute Stunde von
Wien, stiegen wir auf ein kleineres Boot, um den Donankanal, welcher Wien
durchfließt, hinaufzufahren, und bald waren wir, an der Brigittenan traurigen
Angedenkens, an den Vorstädten Nassau und Leopoldstadt vorbei, zu der
Mauth gelangt, von wo ein kurzer Weg über das Glacis in die unendlich
bewegte innere Stadt führt.
Bekanntlich ist das alte Wien oder die innere Stadt dnrch einen weiten,
tiefen Graben und das „Glacis", einen grünen Gürtel von Baumreihen und
Rasenflächen, der K00 bis 1500 Fuß breit ist, von den ansehnlichen, weit
ausgedehnten Vorstädten getrennt. Dieser Kern der Stadt hat noch seine
alten Straßen und Plätze, die zu einer Zeit, wo man in und außer dem
Hause mit sehr bescheidenen Räumen fürlieb nahm, genügend waren, gegen¬
wärtig aber zu den fünf- und sechsstöckig ausgewachsenen Häusern in keinem
Verhältnisse mehr stehen. So hat man denn damit begonnen, Graben und
Glacis zu neuen Stadtanlagen zu verwenden. Der gewonnene Raum soll
theils von prächtigen Straßen nach Art der Pariser Boulevards, theils von
geometrisch abgegrenzten Plätzen, Baumpflanzungen und Rasenfcldern einge¬
nommen werden. Das alte, ich möchte sagen bürgerliche Glacis, wo die Bu¬
ben sich balgen und Drachen steigen lassen; wo das Volk lagert, und der
Handwerksbursche nach verzehrter Wurst seinen Mittagsschlaf hält; wo be¬
sonders die Kindermädchen mit ihren Kleinen sich herumtummeln, wird ein
nobles, polizeilich überwachtes Quartier werden.
Vor dem Schottenthor, auf der Nordwestseite des Glacis, erhebt sich
jetzt — an der Stelle, wo vor sieben Jahren ein Mordversuch gegen Franz
Joseph unternommen wurde, die von ihm gelobte Heilandskirche, ein sehr an¬
sehnlicher gothischer Bau mit zwei Thürmen, der sich noch in den Händen
der Steinmetzen und Maurer befindet.
Wie in einem Flusse, dessen Bett für die Wassermasse kaum genug Raum
hat, findet die Menge in den Hauptstraßen der innern Stadt hin und her,
und oft ist es längere Zeit nicht möglich, diese schmalen Gassen zu über¬
schreiten, weil die Equipagen, Omnibus, Salonwagen, Fiaker, Comsvrtnbles
und sonstigen Fuhrweite den ganzen Weg bis zu einem schmalen Rande zu
beiden Seiten füllen. Nirgends findet man deshalb auch geschicktere Kutscher,
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