Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

urtheilen, so könnte jeder Tagcsschriftsteller dafür bestraft werden, wenn seine
Gedanken von jemand benutzt werden, um davon eine verkehrte Anwendung
zu machen.

Mittlerweile hatten auch auf dem Lande, namentlich in Angeln und im
Amte Tondern, die Untersuchungen dieses Monstreprozesses ihren Verlauf gehabt
und mit Verurtheilungen geendigt. Mehre Landleute wurden zu 30, einer zu
40 Tagen Gefängniß bei Wasser und Brod verdammt, der letztere, weil er zu¬
gelassen, daß einige andere in seinem Hause eine Petition unterschrieben. Ueber
ein Mitglied der Ritterschaft, den Gutsbesitzer v. Rumohr auf Druid, wurden '
wegen Entwerfung einer Adresse drei Monate, über den Kanzleigutsbesitzer
Steindorf in Grumbye wegen Verbreitung einer solchen vier Wochen Festungs¬
haft strengsten Grades verhängt. Viele andere verurtheilten die Gerichte zu
Geldstrafen von 30 bis so Nthlrn., wieder andre nur zur Tragung der Unter¬
suchungskosten.

Aehnlich war der Verlauf in den südlichen Harden des Amtes Tondern,
wo etwa anderthalbhundert Unterzeichner einer Adresse mit Geldstrafen belegt
wurden. Diese wie ihre Leidensgenossen in Angeln haben großentheils Be¬
rufung gegen das Urtheil eingelegt, und wie man hört, hat auch der Obcr-
sachwalter (Staatsanwalt), dem von jedem Criminalerkenntniß eine Abschrift
mitgetheilt werden muß, gegen sämmtliche in dieser Sache ergangene Ent¬
scheidungen Recurs ergriffen. Ob in. der Absicht, eine Schärfung, ob zu dem
Zweck, eine Milderung zu beantragen, steht dahin. Viele erwarten das Erstere*).

In der Stadt Eckernförde, von wo die erste der im zweiten Abschnitt
mitgetheilten Adressen ebenfalls in mehren hundert Exemplaren an die Stände
abgegangen, wurde die Untersuchung schon vor drei Monaten beendigt, doch
hört man noch nichts von Verurtheilunge". In Schleswig sind, soviel uns
bekannt, noch nicht alle Unterzeichner vernommen. Auf jeden Fall ist die Un¬
tersuchung ein Eingriff in das ohnehin eng bemessne Petitionsrecht der Schles¬
wiger. Die Adressen sind Beschwerden und Bitten, die, an ein gesetzmäßiges
Organ zur Befürwortung derselben gerichtet, sich gegen Verletzung der Zusagen
von 1852 erklären und das durch diese Verletzung wieder in Kraft getretne
alte Recht betont wissen wollen, was denn auch in der Sechsundzwanziger¬
adresse am Schlüsse geschehn ist. Sie enthalten nichts Aufrührerisches, nichts
Ungesetzliches. Sie enthalten die Wahrheit. Diese können die Dänen in Be¬
zug auf Schleswig nicht vertragen, daher die Verfolgung.

Ein andres Beispiel dasür ist das gegen den Gutsbesitzer Berkhan in
Angeln beobachtete Verfahren. Derselbe hatte im Herbst 1859 beim König



*) Nach den neuesten Nachrichten hat das Appellationsgericht die über Rumohr verhängte
Festungsstrafe bestätigt, und dasselbe fand hinsichtlich der Geldstrafen, welche die Unterzeichner
seiner Adresse getroffen, statt.

urtheilen, so könnte jeder Tagcsschriftsteller dafür bestraft werden, wenn seine
Gedanken von jemand benutzt werden, um davon eine verkehrte Anwendung
zu machen.

Mittlerweile hatten auch auf dem Lande, namentlich in Angeln und im
Amte Tondern, die Untersuchungen dieses Monstreprozesses ihren Verlauf gehabt
und mit Verurtheilungen geendigt. Mehre Landleute wurden zu 30, einer zu
40 Tagen Gefängniß bei Wasser und Brod verdammt, der letztere, weil er zu¬
gelassen, daß einige andere in seinem Hause eine Petition unterschrieben. Ueber
ein Mitglied der Ritterschaft, den Gutsbesitzer v. Rumohr auf Druid, wurden '
wegen Entwerfung einer Adresse drei Monate, über den Kanzleigutsbesitzer
Steindorf in Grumbye wegen Verbreitung einer solchen vier Wochen Festungs¬
haft strengsten Grades verhängt. Viele andere verurtheilten die Gerichte zu
Geldstrafen von 30 bis so Nthlrn., wieder andre nur zur Tragung der Unter¬
suchungskosten.

Aehnlich war der Verlauf in den südlichen Harden des Amtes Tondern,
wo etwa anderthalbhundert Unterzeichner einer Adresse mit Geldstrafen belegt
wurden. Diese wie ihre Leidensgenossen in Angeln haben großentheils Be¬
rufung gegen das Urtheil eingelegt, und wie man hört, hat auch der Obcr-
sachwalter (Staatsanwalt), dem von jedem Criminalerkenntniß eine Abschrift
mitgetheilt werden muß, gegen sämmtliche in dieser Sache ergangene Ent¬
scheidungen Recurs ergriffen. Ob in. der Absicht, eine Schärfung, ob zu dem
Zweck, eine Milderung zu beantragen, steht dahin. Viele erwarten das Erstere*).

In der Stadt Eckernförde, von wo die erste der im zweiten Abschnitt
mitgetheilten Adressen ebenfalls in mehren hundert Exemplaren an die Stände
abgegangen, wurde die Untersuchung schon vor drei Monaten beendigt, doch
hört man noch nichts von Verurtheilunge». In Schleswig sind, soviel uns
bekannt, noch nicht alle Unterzeichner vernommen. Auf jeden Fall ist die Un¬
tersuchung ein Eingriff in das ohnehin eng bemessne Petitionsrecht der Schles¬
wiger. Die Adressen sind Beschwerden und Bitten, die, an ein gesetzmäßiges
Organ zur Befürwortung derselben gerichtet, sich gegen Verletzung der Zusagen
von 1852 erklären und das durch diese Verletzung wieder in Kraft getretne
alte Recht betont wissen wollen, was denn auch in der Sechsundzwanziger¬
adresse am Schlüsse geschehn ist. Sie enthalten nichts Aufrührerisches, nichts
Ungesetzliches. Sie enthalten die Wahrheit. Diese können die Dänen in Be¬
zug auf Schleswig nicht vertragen, daher die Verfolgung.

Ein andres Beispiel dasür ist das gegen den Gutsbesitzer Berkhan in
Angeln beobachtete Verfahren. Derselbe hatte im Herbst 1859 beim König



*) Nach den neuesten Nachrichten hat das Appellationsgericht die über Rumohr verhängte
Festungsstrafe bestätigt, und dasselbe fand hinsichtlich der Geldstrafen, welche die Unterzeichner
seiner Adresse getroffen, statt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110376"/>
          <p xml:id="ID_40" prev="#ID_39"> urtheilen, so könnte jeder Tagcsschriftsteller dafür bestraft werden, wenn seine<lb/>
Gedanken von jemand benutzt werden, um davon eine verkehrte Anwendung<lb/>
zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_41"> Mittlerweile hatten auch auf dem Lande, namentlich in Angeln und im<lb/>
Amte Tondern, die Untersuchungen dieses Monstreprozesses ihren Verlauf gehabt<lb/>
und mit Verurtheilungen geendigt. Mehre Landleute wurden zu 30, einer zu<lb/>
40 Tagen Gefängniß bei Wasser und Brod verdammt, der letztere, weil er zu¬<lb/>
gelassen, daß einige andere in seinem Hause eine Petition unterschrieben. Ueber<lb/>
ein Mitglied der Ritterschaft, den Gutsbesitzer v. Rumohr auf Druid, wurden '<lb/>
wegen Entwerfung einer Adresse drei Monate, über den Kanzleigutsbesitzer<lb/>
Steindorf in Grumbye wegen Verbreitung einer solchen vier Wochen Festungs¬<lb/>
haft strengsten Grades verhängt. Viele andere verurtheilten die Gerichte zu<lb/>
Geldstrafen von 30 bis so Nthlrn., wieder andre nur zur Tragung der Unter¬<lb/>
suchungskosten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42"> Aehnlich war der Verlauf in den südlichen Harden des Amtes Tondern,<lb/>
wo etwa anderthalbhundert Unterzeichner einer Adresse mit Geldstrafen belegt<lb/>
wurden. Diese wie ihre Leidensgenossen in Angeln haben großentheils Be¬<lb/>
rufung gegen das Urtheil eingelegt, und wie man hört, hat auch der Obcr-<lb/>
sachwalter (Staatsanwalt), dem von jedem Criminalerkenntniß eine Abschrift<lb/>
mitgetheilt werden muß, gegen sämmtliche in dieser Sache ergangene Ent¬<lb/>
scheidungen Recurs ergriffen. Ob in. der Absicht, eine Schärfung, ob zu dem<lb/>
Zweck, eine Milderung zu beantragen, steht dahin. Viele erwarten das Erstere*).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43"> In der Stadt Eckernförde, von wo die erste der im zweiten Abschnitt<lb/>
mitgetheilten Adressen ebenfalls in mehren hundert Exemplaren an die Stände<lb/>
abgegangen, wurde die Untersuchung schon vor drei Monaten beendigt, doch<lb/>
hört man noch nichts von Verurtheilunge». In Schleswig sind, soviel uns<lb/>
bekannt, noch nicht alle Unterzeichner vernommen. Auf jeden Fall ist die Un¬<lb/>
tersuchung ein Eingriff in das ohnehin eng bemessne Petitionsrecht der Schles¬<lb/>
wiger. Die Adressen sind Beschwerden und Bitten, die, an ein gesetzmäßiges<lb/>
Organ zur Befürwortung derselben gerichtet, sich gegen Verletzung der Zusagen<lb/>
von 1852 erklären und das durch diese Verletzung wieder in Kraft getretne<lb/>
alte Recht betont wissen wollen, was denn auch in der Sechsundzwanziger¬<lb/>
adresse am Schlüsse geschehn ist. Sie enthalten nichts Aufrührerisches, nichts<lb/>
Ungesetzliches. Sie enthalten die Wahrheit. Diese können die Dänen in Be¬<lb/>
zug auf Schleswig nicht vertragen, daher die Verfolgung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_44" next="#ID_45"> Ein andres Beispiel dasür ist das gegen den Gutsbesitzer Berkhan in<lb/>
Angeln beobachtete Verfahren.  Derselbe hatte im Herbst 1859 beim König</p><lb/>
          <note xml:id="FID_4" place="foot"> *) Nach den neuesten Nachrichten hat das Appellationsgericht die über Rumohr verhängte<lb/>
Festungsstrafe bestätigt, und dasselbe fand hinsichtlich der Geldstrafen, welche die Unterzeichner<lb/>
seiner Adresse getroffen, statt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0028] urtheilen, so könnte jeder Tagcsschriftsteller dafür bestraft werden, wenn seine Gedanken von jemand benutzt werden, um davon eine verkehrte Anwendung zu machen. Mittlerweile hatten auch auf dem Lande, namentlich in Angeln und im Amte Tondern, die Untersuchungen dieses Monstreprozesses ihren Verlauf gehabt und mit Verurtheilungen geendigt. Mehre Landleute wurden zu 30, einer zu 40 Tagen Gefängniß bei Wasser und Brod verdammt, der letztere, weil er zu¬ gelassen, daß einige andere in seinem Hause eine Petition unterschrieben. Ueber ein Mitglied der Ritterschaft, den Gutsbesitzer v. Rumohr auf Druid, wurden ' wegen Entwerfung einer Adresse drei Monate, über den Kanzleigutsbesitzer Steindorf in Grumbye wegen Verbreitung einer solchen vier Wochen Festungs¬ haft strengsten Grades verhängt. Viele andere verurtheilten die Gerichte zu Geldstrafen von 30 bis so Nthlrn., wieder andre nur zur Tragung der Unter¬ suchungskosten. Aehnlich war der Verlauf in den südlichen Harden des Amtes Tondern, wo etwa anderthalbhundert Unterzeichner einer Adresse mit Geldstrafen belegt wurden. Diese wie ihre Leidensgenossen in Angeln haben großentheils Be¬ rufung gegen das Urtheil eingelegt, und wie man hört, hat auch der Obcr- sachwalter (Staatsanwalt), dem von jedem Criminalerkenntniß eine Abschrift mitgetheilt werden muß, gegen sämmtliche in dieser Sache ergangene Ent¬ scheidungen Recurs ergriffen. Ob in. der Absicht, eine Schärfung, ob zu dem Zweck, eine Milderung zu beantragen, steht dahin. Viele erwarten das Erstere*). In der Stadt Eckernförde, von wo die erste der im zweiten Abschnitt mitgetheilten Adressen ebenfalls in mehren hundert Exemplaren an die Stände abgegangen, wurde die Untersuchung schon vor drei Monaten beendigt, doch hört man noch nichts von Verurtheilunge». In Schleswig sind, soviel uns bekannt, noch nicht alle Unterzeichner vernommen. Auf jeden Fall ist die Un¬ tersuchung ein Eingriff in das ohnehin eng bemessne Petitionsrecht der Schles¬ wiger. Die Adressen sind Beschwerden und Bitten, die, an ein gesetzmäßiges Organ zur Befürwortung derselben gerichtet, sich gegen Verletzung der Zusagen von 1852 erklären und das durch diese Verletzung wieder in Kraft getretne alte Recht betont wissen wollen, was denn auch in der Sechsundzwanziger¬ adresse am Schlüsse geschehn ist. Sie enthalten nichts Aufrührerisches, nichts Ungesetzliches. Sie enthalten die Wahrheit. Diese können die Dänen in Be¬ zug auf Schleswig nicht vertragen, daher die Verfolgung. Ein andres Beispiel dasür ist das gegen den Gutsbesitzer Berkhan in Angeln beobachtete Verfahren. Derselbe hatte im Herbst 1859 beim König *) Nach den neuesten Nachrichten hat das Appellationsgericht die über Rumohr verhängte Festungsstrafe bestätigt, und dasselbe fand hinsichtlich der Geldstrafen, welche die Unterzeichner seiner Adresse getroffen, statt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/28
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/28>, abgerufen am 15.01.2025.