Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.ist eine dem Vater an Ansehen fast gleichstehende Respcctsperson, die nicht Auch von den Sitten, die sich an Todsfälle knüpfen, können wir nur Eini¬ Ist die Leiche in die Erde gebracht, so finden sich die Leidtragenden im ist eine dem Vater an Ansehen fast gleichstehende Respcctsperson, die nicht Auch von den Sitten, die sich an Todsfälle knüpfen, können wir nur Eini¬ Ist die Leiche in die Erde gebracht, so finden sich die Leidtragenden im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110626"/> <p xml:id="ID_789" prev="#ID_788"> ist eine dem Vater an Ansehen fast gleichstehende Respcctsperson, die nicht<lb/> blos für das Kind selbst, sondern auch für die Eltern und alle andern Ange¬<lb/> hörigen des Hauses der Mann des Raths und der Ehre bei allen wichtigen<lb/> Ereignissen ist. In ganz Oberbayern pflegt man auf dein Lande immer die¬<lb/> selbe Person zum Pathen für olle Kinder zu nehmen. Derselbe bezahlt das<lb/> Kindelmahl im Wirthshaus, häufig auch die Hebamme und das Taufgeld.<lb/> Er bindet alte Geldstücke ein, sendet zu Festzeiten die üblichen Geschenke, zu<lb/> Niklas Aepfel und Birnen, zu Ostern rothe Eier, zu Allerseelen den „Seelen-<lb/> zopf", im zweiten oder dritten Jahr des Kindes das „Gott-G'wand", d. h.<lb/> einen vollständigen Anzug und, wenn das Pathchen stirbt, Todtenhemd und<lb/> Krone. Der Endtermin jener Jahresgaben ist bald kürzer bald länger gesteckt;<lb/> während in der einen Gegend die Pathengeschcnke mit dem Austritt des Kin¬<lb/> des aus der Schule aufhören, werden sie in andern bis zur Verheiratung<lb/> fortgereicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_790"> Auch von den Sitten, die sich an Todsfälle knüpfen, können wir nur Eini¬<lb/> ges mittheilen. Die Leichen von Unverheirateten werden fast überall mit<lb/> einer Krone von Wintergrün, Bandschleifen und Flittergold geziert, die man<lb/> nach gemachtem Gebrauch in der Kirche aufbewahrt, um sie bei festlichen Ge¬<lb/> legenheiten hervorzuholen und auf die Gräber zu legen. In manchen Gegen¬<lb/> den begräbt man nur Kinder und Jungfrauen in weißen, alle andern in<lb/> schwarzen Todtenhemden. In der Jachenau werden die Leichen in einem offnen<lb/> Sarge zu Grabe getragen. Die Träger sind überall bei verheiratheten Man¬<lb/> nern Männer, bei Jungfrauen Jungfrauen, bei Kindern bisweilen Kinder. Auch<lb/> verheirathete Frauen bestattet an einigen Orten eine Schaar von ihresgleichen.<lb/> Hin und wieder trifft man die Sitte, daß die im ersten Kindbett verstorbne<lb/> Wöchnerin mit den Ehren einer Jungfrau beerdigt wird. Man legt ihr das<lb/> todte Neugeborene in die Arme, und vor Mutter und Kind „thut sich dann die<lb/> Himmelsthür mit beiden Flügeln auf". Fast durch ganz Oberbayern herrscht<lb/> der Gebrauch, die Bieter, auf welchen die Leiche getragen worden, aus Fu߬<lb/> stegen, besonders Kirchwegen, an Bäume zu heften oder über kleine Gräben zu<lb/> legen; man liest darauf den Namen des Verstorbnen und den frommen Wunsch<lb/> K. ^. ?. — i-<ZMi«Z8es.t in xg.ce!</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Ist die Leiche in die Erde gebracht, so finden sich die Leidtragenden im<lb/> Wirths- oder Sterbehause zum Todtenmahl oder der Todtensuppe zusammen —<lb/> ein Gebrauch, der ebenfalls bis hoch nach Norden, ja bis über die Schlei<lb/> hinausgeht. Im Salzburgischen nennt man dies „das Gsturia valuula", das<lb/> Gestorbene vertrinken. In manchen Gegenden des Innthals sind die Begräbniß-<lb/> schmäuse so reichlich wie die Hochzeitsessen und werden in den Austragsstipu-<lb/> lationcn und Uebergabsbriefen von den Eltern ebenso wie die hochzeitlichen<lb/> Morgenessen vertragsweise bedungen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
ist eine dem Vater an Ansehen fast gleichstehende Respcctsperson, die nicht
blos für das Kind selbst, sondern auch für die Eltern und alle andern Ange¬
hörigen des Hauses der Mann des Raths und der Ehre bei allen wichtigen
Ereignissen ist. In ganz Oberbayern pflegt man auf dein Lande immer die¬
selbe Person zum Pathen für olle Kinder zu nehmen. Derselbe bezahlt das
Kindelmahl im Wirthshaus, häufig auch die Hebamme und das Taufgeld.
Er bindet alte Geldstücke ein, sendet zu Festzeiten die üblichen Geschenke, zu
Niklas Aepfel und Birnen, zu Ostern rothe Eier, zu Allerseelen den „Seelen-
zopf", im zweiten oder dritten Jahr des Kindes das „Gott-G'wand", d. h.
einen vollständigen Anzug und, wenn das Pathchen stirbt, Todtenhemd und
Krone. Der Endtermin jener Jahresgaben ist bald kürzer bald länger gesteckt;
während in der einen Gegend die Pathengeschcnke mit dem Austritt des Kin¬
des aus der Schule aufhören, werden sie in andern bis zur Verheiratung
fortgereicht.
Auch von den Sitten, die sich an Todsfälle knüpfen, können wir nur Eini¬
ges mittheilen. Die Leichen von Unverheirateten werden fast überall mit
einer Krone von Wintergrün, Bandschleifen und Flittergold geziert, die man
nach gemachtem Gebrauch in der Kirche aufbewahrt, um sie bei festlichen Ge¬
legenheiten hervorzuholen und auf die Gräber zu legen. In manchen Gegen¬
den begräbt man nur Kinder und Jungfrauen in weißen, alle andern in
schwarzen Todtenhemden. In der Jachenau werden die Leichen in einem offnen
Sarge zu Grabe getragen. Die Träger sind überall bei verheiratheten Man¬
nern Männer, bei Jungfrauen Jungfrauen, bei Kindern bisweilen Kinder. Auch
verheirathete Frauen bestattet an einigen Orten eine Schaar von ihresgleichen.
Hin und wieder trifft man die Sitte, daß die im ersten Kindbett verstorbne
Wöchnerin mit den Ehren einer Jungfrau beerdigt wird. Man legt ihr das
todte Neugeborene in die Arme, und vor Mutter und Kind „thut sich dann die
Himmelsthür mit beiden Flügeln auf". Fast durch ganz Oberbayern herrscht
der Gebrauch, die Bieter, auf welchen die Leiche getragen worden, aus Fu߬
stegen, besonders Kirchwegen, an Bäume zu heften oder über kleine Gräben zu
legen; man liest darauf den Namen des Verstorbnen und den frommen Wunsch
K. ^. ?. — i-<ZMi«Z8es.t in xg.ce!
Ist die Leiche in die Erde gebracht, so finden sich die Leidtragenden im
Wirths- oder Sterbehause zum Todtenmahl oder der Todtensuppe zusammen —
ein Gebrauch, der ebenfalls bis hoch nach Norden, ja bis über die Schlei
hinausgeht. Im Salzburgischen nennt man dies „das Gsturia valuula", das
Gestorbene vertrinken. In manchen Gegenden des Innthals sind die Begräbniß-
schmäuse so reichlich wie die Hochzeitsessen und werden in den Austragsstipu-
lationcn und Uebergabsbriefen von den Eltern ebenso wie die hochzeitlichen
Morgenessen vertragsweise bedungen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |