Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.ursprünglich wol ein symbolischer Wettlauf nach dem Schlüssel zur Brautkam- Auf diese symbolische Handlung folgt sofort eine andre. Sobald die Unterdeß haben die übrigen Weiber ihren kirchlichen Festputz mit ihrem "1. Richt! Nudelsuppe. Würste, saures Voressen. Kraut mit 2--3 Stück 2. Richt: Reissuppe. Kalbfleisch, das "große Stück", d. h. IV- Pi> 3. Nicht: Fleisch in der Sauce, Schweinsbraten mit Salat, gebackne ursprünglich wol ein symbolischer Wettlauf nach dem Schlüssel zur Brautkam- Auf diese symbolische Handlung folgt sofort eine andre. Sobald die Unterdeß haben die übrigen Weiber ihren kirchlichen Festputz mit ihrem „1. Richt! Nudelsuppe. Würste, saures Voressen. Kraut mit 2—3 Stück 2. Richt: Reissuppe. Kalbfleisch, das „große Stück", d. h. IV- Pi> 3. Nicht: Fleisch in der Sauce, Schweinsbraten mit Salat, gebackne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110622"/> <p xml:id="ID_771" prev="#ID_770"> ursprünglich wol ein symbolischer Wettlauf nach dem Schlüssel zur Brautkam-<lb/> mer, wobei der Bräutigam mit rennen und, kam ihm ein Anderer zuvor,<lb/> demselben das Recht des eroberten Schlüssels alt einer herkömmlich festgesetzten<lb/> Buße abkaufen mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_772"> Auf diese symbolische Handlung folgt sofort eine andre. Sobald die<lb/> Braut die Schwelle des Wirthshauses überschritten, naht sich ihr die Köchin,<lb/> um sie in die Küche „zum Kraut- oder Snppesalzen" zu führen, d. h. die junge<lb/> Frau, jetzt Vorsteherin eines eignen Heerdes, wird durch die Bitte geehrt, zum<lb/> ersten Mal ihre Erfahrenheit in diesem Beruf zu bewähren. Sie kostet das<lb/> ihr vorgesetzte Gericht, gibt ihr Urtheil darüber ab, wirft etwas geweihtes<lb/> Salz in den Topf, gießt einige Tropfen Johanniswcin hinzu und entfernt sich<lb/> wieder, nachdem sie ein Trinkgeld für die Köchin in das Salzfaß gelegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_773"> Unterdeß haben die übrigen Weiber ihren kirchlichen Festputz mit ihrem<lb/> gewöhnlichen Sonntagsstaat vertauscht, um sich unbehindert den Freuden des<lb/> Mahls und des Tanzes hingeben zu können. Die Zahl der Gäste bei dem<lb/> min beginnenden Schmause ist je nach der Gegend und den Vermögens-<lb/> umständen der Bethnligten verschieden. Man kennt schlechte, mittlere und<lb/> große Hochzeiten. Zu einer großen gehören im Jsarwinkel 200, im linken<lb/> Innthal 100 bis 250 Personen. Die Verheilung der Gäste hat der<lb/> Hochzeitlader zu besorgen, wobei verschiedne Regeln gelten. Ueberall rech¬<lb/> net man nach Tischen zu je zwölf Personen. Am Brauttisch pflegen im Land<lb/> an der Paar nur d>e Braut, zwei Jungfern und der Brautführer zu sitzen.<lb/> Bräutigam und Hochzeitlader dürfen erst nach allen andern an einer beschei¬<lb/> denen Ecke Platz nehmen. Der Geistliche erscheint gewöhnlich erst Nachmittags<lb/> auf eine Stunde. Die Gerichte eines Hochzeitschmauses bilden den Superlativ<lb/> und das Meisterstück dessen, was bäuerlicher Gcldstolz und bäuerliche Kochkunst<lb/> zu leisten vermögen. So führt die„Bavaria" den „Kuchelbrief" einer Hoch¬<lb/> zeit wohlhabender Leute aus der Gegend am untern Jnn an. Derselbe ent¬<lb/> hält drei Abtheilungen oder „Nichten."</p><lb/> <p xml:id="ID_774"> „1. Richt! Nudelsuppe. Würste, saures Voressen. Kraut mit 2—3 Stück<lb/> Rindfleisch landerwärts heißen diese Speisen zusammen die ersten vier Richt),<lb/> Brodknödel und Braten.</p><lb/> <p xml:id="ID_775"> 2. Richt: Reissuppe. Kalbfleisch, das „große Stück", d. h. IV- Pi><lb/> Rindfleisch für den Kopf, geselchte Würste. Kalbsbraten, Kraut. Hirnpavesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> 3. Nicht: Fleisch in der Sauce, Schweinsbraten mit Salat, gebackne<lb/> Krapfen, eine Torte und schließlich eine Gerstensuppe. Dazu hat jeder Gast<lb/> drei kr. Brod und Bier frei. Diesem Mittagsmahl ist nun oft schon eine<lb/> „Morgensuppe" vorausgegangen, bestehend aus Fleischknödel, Haubenküchel.<lb/> Rindfleisch, Bachnudel, Bier und Schnaps. Andere sehr übliche Hochzeitsge¬<lb/> richte sind: Kalbfleisch in gelber Brühe, Blutwurst, gebackne Leber, Speckknödel,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
ursprünglich wol ein symbolischer Wettlauf nach dem Schlüssel zur Brautkam-
mer, wobei der Bräutigam mit rennen und, kam ihm ein Anderer zuvor,
demselben das Recht des eroberten Schlüssels alt einer herkömmlich festgesetzten
Buße abkaufen mußte.
Auf diese symbolische Handlung folgt sofort eine andre. Sobald die
Braut die Schwelle des Wirthshauses überschritten, naht sich ihr die Köchin,
um sie in die Küche „zum Kraut- oder Snppesalzen" zu führen, d. h. die junge
Frau, jetzt Vorsteherin eines eignen Heerdes, wird durch die Bitte geehrt, zum
ersten Mal ihre Erfahrenheit in diesem Beruf zu bewähren. Sie kostet das
ihr vorgesetzte Gericht, gibt ihr Urtheil darüber ab, wirft etwas geweihtes
Salz in den Topf, gießt einige Tropfen Johanniswcin hinzu und entfernt sich
wieder, nachdem sie ein Trinkgeld für die Köchin in das Salzfaß gelegt.
Unterdeß haben die übrigen Weiber ihren kirchlichen Festputz mit ihrem
gewöhnlichen Sonntagsstaat vertauscht, um sich unbehindert den Freuden des
Mahls und des Tanzes hingeben zu können. Die Zahl der Gäste bei dem
min beginnenden Schmause ist je nach der Gegend und den Vermögens-
umständen der Bethnligten verschieden. Man kennt schlechte, mittlere und
große Hochzeiten. Zu einer großen gehören im Jsarwinkel 200, im linken
Innthal 100 bis 250 Personen. Die Verheilung der Gäste hat der
Hochzeitlader zu besorgen, wobei verschiedne Regeln gelten. Ueberall rech¬
net man nach Tischen zu je zwölf Personen. Am Brauttisch pflegen im Land
an der Paar nur d>e Braut, zwei Jungfern und der Brautführer zu sitzen.
Bräutigam und Hochzeitlader dürfen erst nach allen andern an einer beschei¬
denen Ecke Platz nehmen. Der Geistliche erscheint gewöhnlich erst Nachmittags
auf eine Stunde. Die Gerichte eines Hochzeitschmauses bilden den Superlativ
und das Meisterstück dessen, was bäuerlicher Gcldstolz und bäuerliche Kochkunst
zu leisten vermögen. So führt die„Bavaria" den „Kuchelbrief" einer Hoch¬
zeit wohlhabender Leute aus der Gegend am untern Jnn an. Derselbe ent¬
hält drei Abtheilungen oder „Nichten."
„1. Richt! Nudelsuppe. Würste, saures Voressen. Kraut mit 2—3 Stück
Rindfleisch landerwärts heißen diese Speisen zusammen die ersten vier Richt),
Brodknödel und Braten.
2. Richt: Reissuppe. Kalbfleisch, das „große Stück", d. h. IV- Pi>
Rindfleisch für den Kopf, geselchte Würste. Kalbsbraten, Kraut. Hirnpavesen.
3. Nicht: Fleisch in der Sauce, Schweinsbraten mit Salat, gebackne
Krapfen, eine Torte und schließlich eine Gerstensuppe. Dazu hat jeder Gast
drei kr. Brod und Bier frei. Diesem Mittagsmahl ist nun oft schon eine
„Morgensuppe" vorausgegangen, bestehend aus Fleischknödel, Haubenküchel.
Rindfleisch, Bachnudel, Bier und Schnaps. Andere sehr übliche Hochzeitsge¬
richte sind: Kalbfleisch in gelber Brühe, Blutwurst, gebackne Leber, Speckknödel,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |