Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Staatsforme" und der Parteifärbuug. daß mit dem Minister der auswär¬
tigen Angelegenheiten auch die Chefs der Missionen wechseln, vorausgesetzt,
daß es sich nicht blos um eine Personen-Aenderung, sondern um eine Modi¬
fikation des politischen Systems oder der bisherigen Richtung handelt. Die
Bureauchcfs und ihre Untergebenen sind in der Regel keine Parteimcnschen,
sondern Geschäftsleute, welche die Arbeiten, die ihnen aufgetragen werden,
nach bestem Vermögen erledigen. Sie bescheiden sich mit dem Bewußtsein,
daß sie die Politik nicht zu machen, ihre Richtung nicht zu bestimmen, sondern
in dieser Branche ihre Schuldigkeit zu thun haben, und daß sie damit ihrem
Fürsten und ihrem Vaterlande am besten dienen. Angenommen, ein neuer
Minister des Auswärtigen habe die Ausgabe, von dem System seines Vor¬
gängers ungefähr das gerade Gegentheil zu befolge". Er findet aber bei sei¬
nem Ministerium wie bei den Missionen von oben bis unten nicht nur die
ergebenen Diener seines Vorgängers, sondern die eifrigen Anhänger nett Ge¬
nossen der geschlossenen Partei, welcher die Dienste des letztern gewidmet
waren. Diese nämlichen Organe der Vertretung unsers Staates finden an
dem Orte, wo sie wirken sollen, ihre Gesinnungsgenossen auch in den Ministe¬
rien und unter denjenigen Mitgliedern des diplomatischen Corps, welche die
entschiedenen Gegner der von unserm Ministerium zu iunugurirendcn neue"
Politik si"d. Was wird nun geschehen? Werde" "icht die Organe unsers
Ministeriums im Verkehr mit den: andern die eingetretene Wendung beklagen,
sie als eine vorübergehende darstellen, auf eine baldige Wiederkehr des früher"
Systems hindeuten, der Politik der Gegner dienen und die ihres Ministers
untergraben? Als 1805 Oestreich den Bruch mit Napoleon vorbereitete, da
klagte Gentz, daß nicht auch die entsprechenden Aenderungen in den Personen
vorgenommen, daß die Träger der schleckten Politik an ihren Stellen gelassen
würden, <zue risn n'sse altfr^, in et^us 1s oadinst, ni ä^us Iss Conseils,
"i äans los bureaux. Er geht so weit, ans diesem Umstand auf ge¬
heime Einverständnisse mit Napoleon hinter dem Rücken der Verbündeten (Russen)
und selbst der höchsten Staatsbeamte" zu schließen. . . it ost trss xossidls
sjUL Lonavs-res convaisss inisux 1os äisxositions intimes as es gouvsrns-
mvut que tous les uimistrss as 1a Russio se guf 1a Mpart moins ass
vriimixa-ux ohl'sonnagss (Is I'g.clministrg,lion. Es ist zwar kaum denkbar, daß
eine solche Unbotmäßigkeit. vor welcher die Anarchie noch den Vorzug hat.
daß sie nicht lange andauern kann, je irgendwo wieder vorkommen, daß sie
nicht im. Keim, in ihren ersten Regungen erstickt werden würde. Aber gewiß
wäre dies auch nothwendig, und es würde der bestimmtesten Jnstructionen
und ernsten Einschreitens bedürfen; schwächliche halbe Maßregeln würden nicht
genügen, um solchem Unfuge ein Ziel zu setzen. Eine besorg anisirte Di¬
plomatie- kann nicht anders als sehr schädlich sein, und müßte daher um


der Staatsforme» und der Parteifärbuug. daß mit dem Minister der auswär¬
tigen Angelegenheiten auch die Chefs der Missionen wechseln, vorausgesetzt,
daß es sich nicht blos um eine Personen-Aenderung, sondern um eine Modi¬
fikation des politischen Systems oder der bisherigen Richtung handelt. Die
Bureauchcfs und ihre Untergebenen sind in der Regel keine Parteimcnschen,
sondern Geschäftsleute, welche die Arbeiten, die ihnen aufgetragen werden,
nach bestem Vermögen erledigen. Sie bescheiden sich mit dem Bewußtsein,
daß sie die Politik nicht zu machen, ihre Richtung nicht zu bestimmen, sondern
in dieser Branche ihre Schuldigkeit zu thun haben, und daß sie damit ihrem
Fürsten und ihrem Vaterlande am besten dienen. Angenommen, ein neuer
Minister des Auswärtigen habe die Ausgabe, von dem System seines Vor¬
gängers ungefähr das gerade Gegentheil zu befolge». Er findet aber bei sei¬
nem Ministerium wie bei den Missionen von oben bis unten nicht nur die
ergebenen Diener seines Vorgängers, sondern die eifrigen Anhänger nett Ge¬
nossen der geschlossenen Partei, welcher die Dienste des letztern gewidmet
waren. Diese nämlichen Organe der Vertretung unsers Staates finden an
dem Orte, wo sie wirken sollen, ihre Gesinnungsgenossen auch in den Ministe¬
rien und unter denjenigen Mitgliedern des diplomatischen Corps, welche die
entschiedenen Gegner der von unserm Ministerium zu iunugurirendcn neue»
Politik si»d. Was wird nun geschehen? Werde» »icht die Organe unsers
Ministeriums im Verkehr mit den: andern die eingetretene Wendung beklagen,
sie als eine vorübergehende darstellen, auf eine baldige Wiederkehr des früher»
Systems hindeuten, der Politik der Gegner dienen und die ihres Ministers
untergraben? Als 1805 Oestreich den Bruch mit Napoleon vorbereitete, da
klagte Gentz, daß nicht auch die entsprechenden Aenderungen in den Personen
vorgenommen, daß die Träger der schleckten Politik an ihren Stellen gelassen
würden, <zue risn n'sse altfr^, in et^us 1s oadinst, ni ä^us Iss Conseils,
»i äans los bureaux. Er geht so weit, ans diesem Umstand auf ge¬
heime Einverständnisse mit Napoleon hinter dem Rücken der Verbündeten (Russen)
und selbst der höchsten Staatsbeamte» zu schließen. . . it ost trss xossidls
sjUL Lonavs-res convaisss inisux 1os äisxositions intimes as es gouvsrns-
mvut que tous les uimistrss as 1a Russio se guf 1a Mpart moins ass
vriimixa-ux ohl'sonnagss (Is I'g.clministrg,lion. Es ist zwar kaum denkbar, daß
eine solche Unbotmäßigkeit. vor welcher die Anarchie noch den Vorzug hat.
daß sie nicht lange andauern kann, je irgendwo wieder vorkommen, daß sie
nicht im. Keim, in ihren ersten Regungen erstickt werden würde. Aber gewiß
wäre dies auch nothwendig, und es würde der bestimmtesten Jnstructionen
und ernsten Einschreitens bedürfen; schwächliche halbe Maßregeln würden nicht
genügen, um solchem Unfuge ein Ziel zu setzen. Eine besorg anisirte Di¬
plomatie- kann nicht anders als sehr schädlich sein, und müßte daher um


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110610"/>
          <p xml:id="ID_735" prev="#ID_734" next="#ID_736"> der Staatsforme» und der Parteifärbuug. daß mit dem Minister der auswär¬<lb/>
tigen Angelegenheiten auch die Chefs der Missionen wechseln, vorausgesetzt,<lb/>
daß es sich nicht blos um eine Personen-Aenderung, sondern um eine Modi¬<lb/>
fikation des politischen Systems oder der bisherigen Richtung handelt. Die<lb/>
Bureauchcfs und ihre Untergebenen sind in der Regel keine Parteimcnschen,<lb/>
sondern Geschäftsleute, welche die Arbeiten, die ihnen aufgetragen werden,<lb/>
nach bestem Vermögen erledigen. Sie bescheiden sich mit dem Bewußtsein,<lb/>
daß sie die Politik nicht zu machen, ihre Richtung nicht zu bestimmen, sondern<lb/>
in dieser Branche ihre Schuldigkeit zu thun haben, und daß sie damit ihrem<lb/>
Fürsten und ihrem Vaterlande am besten dienen. Angenommen, ein neuer<lb/>
Minister des Auswärtigen habe die Ausgabe, von dem System seines Vor¬<lb/>
gängers ungefähr das gerade Gegentheil zu befolge». Er findet aber bei sei¬<lb/>
nem Ministerium wie bei den Missionen von oben bis unten nicht nur die<lb/>
ergebenen Diener seines Vorgängers, sondern die eifrigen Anhänger nett Ge¬<lb/>
nossen der geschlossenen Partei, welcher die Dienste des letztern gewidmet<lb/>
waren. Diese nämlichen Organe der Vertretung unsers Staates finden an<lb/>
dem Orte, wo sie wirken sollen, ihre Gesinnungsgenossen auch in den Ministe¬<lb/>
rien und unter denjenigen Mitgliedern des diplomatischen Corps, welche die<lb/>
entschiedenen Gegner der von unserm Ministerium zu iunugurirendcn neue»<lb/>
Politik si»d. Was wird nun geschehen? Werde» »icht die Organe unsers<lb/>
Ministeriums im Verkehr mit den: andern die eingetretene Wendung beklagen,<lb/>
sie als eine vorübergehende darstellen, auf eine baldige Wiederkehr des früher»<lb/>
Systems hindeuten, der Politik der Gegner dienen und die ihres Ministers<lb/>
untergraben? Als 1805 Oestreich den Bruch mit Napoleon vorbereitete, da<lb/>
klagte Gentz, daß nicht auch die entsprechenden Aenderungen in den Personen<lb/>
vorgenommen, daß die Träger der schleckten Politik an ihren Stellen gelassen<lb/>
würden, &lt;zue risn n'sse altfr^, in et^us 1s oadinst, ni ä^us Iss Conseils,<lb/>
»i äans los bureaux. Er geht so weit, ans diesem Umstand auf ge¬<lb/>
heime Einverständnisse mit Napoleon hinter dem Rücken der Verbündeten (Russen)<lb/>
und selbst der höchsten Staatsbeamte» zu schließen. . . it ost trss xossidls<lb/>
sjUL Lonavs-res convaisss inisux 1os äisxositions intimes as es gouvsrns-<lb/>
mvut que tous les uimistrss as 1a Russio se guf 1a Mpart moins ass<lb/>
vriimixa-ux ohl'sonnagss (Is I'g.clministrg,lion. Es ist zwar kaum denkbar, daß<lb/>
eine solche Unbotmäßigkeit. vor welcher die Anarchie noch den Vorzug hat.<lb/>
daß sie nicht lange andauern kann, je irgendwo wieder vorkommen, daß sie<lb/>
nicht im. Keim, in ihren ersten Regungen erstickt werden würde. Aber gewiß<lb/>
wäre dies auch nothwendig, und es würde der bestimmtesten Jnstructionen<lb/>
und ernsten Einschreitens bedürfen; schwächliche halbe Maßregeln würden nicht<lb/>
genügen, um solchem Unfuge ein Ziel zu setzen. Eine besorg anisirte Di¬<lb/>
plomatie- kann nicht anders als sehr schädlich sein, und müßte daher um</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] der Staatsforme» und der Parteifärbuug. daß mit dem Minister der auswär¬ tigen Angelegenheiten auch die Chefs der Missionen wechseln, vorausgesetzt, daß es sich nicht blos um eine Personen-Aenderung, sondern um eine Modi¬ fikation des politischen Systems oder der bisherigen Richtung handelt. Die Bureauchcfs und ihre Untergebenen sind in der Regel keine Parteimcnschen, sondern Geschäftsleute, welche die Arbeiten, die ihnen aufgetragen werden, nach bestem Vermögen erledigen. Sie bescheiden sich mit dem Bewußtsein, daß sie die Politik nicht zu machen, ihre Richtung nicht zu bestimmen, sondern in dieser Branche ihre Schuldigkeit zu thun haben, und daß sie damit ihrem Fürsten und ihrem Vaterlande am besten dienen. Angenommen, ein neuer Minister des Auswärtigen habe die Ausgabe, von dem System seines Vor¬ gängers ungefähr das gerade Gegentheil zu befolge». Er findet aber bei sei¬ nem Ministerium wie bei den Missionen von oben bis unten nicht nur die ergebenen Diener seines Vorgängers, sondern die eifrigen Anhänger nett Ge¬ nossen der geschlossenen Partei, welcher die Dienste des letztern gewidmet waren. Diese nämlichen Organe der Vertretung unsers Staates finden an dem Orte, wo sie wirken sollen, ihre Gesinnungsgenossen auch in den Ministe¬ rien und unter denjenigen Mitgliedern des diplomatischen Corps, welche die entschiedenen Gegner der von unserm Ministerium zu iunugurirendcn neue» Politik si»d. Was wird nun geschehen? Werde» »icht die Organe unsers Ministeriums im Verkehr mit den: andern die eingetretene Wendung beklagen, sie als eine vorübergehende darstellen, auf eine baldige Wiederkehr des früher» Systems hindeuten, der Politik der Gegner dienen und die ihres Ministers untergraben? Als 1805 Oestreich den Bruch mit Napoleon vorbereitete, da klagte Gentz, daß nicht auch die entsprechenden Aenderungen in den Personen vorgenommen, daß die Träger der schleckten Politik an ihren Stellen gelassen würden, <zue risn n'sse altfr^, in et^us 1s oadinst, ni ä^us Iss Conseils, »i äans los bureaux. Er geht so weit, ans diesem Umstand auf ge¬ heime Einverständnisse mit Napoleon hinter dem Rücken der Verbündeten (Russen) und selbst der höchsten Staatsbeamte» zu schließen. . . it ost trss xossidls sjUL Lonavs-res convaisss inisux 1os äisxositions intimes as es gouvsrns- mvut que tous les uimistrss as 1a Russio se guf 1a Mpart moins ass vriimixa-ux ohl'sonnagss (Is I'g.clministrg,lion. Es ist zwar kaum denkbar, daß eine solche Unbotmäßigkeit. vor welcher die Anarchie noch den Vorzug hat. daß sie nicht lange andauern kann, je irgendwo wieder vorkommen, daß sie nicht im. Keim, in ihren ersten Regungen erstickt werden würde. Aber gewiß wäre dies auch nothwendig, und es würde der bestimmtesten Jnstructionen und ernsten Einschreitens bedürfen; schwächliche halbe Maßregeln würden nicht genügen, um solchem Unfuge ein Ziel zu setzen. Eine besorg anisirte Di¬ plomatie- kann nicht anders als sehr schädlich sein, und müßte daher um

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/262>, abgerufen am 15.01.2025.