Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.solle jede Familie an dem Gebrauch und seinem Segen Antheil haben. Auch Die drei Juninächte von Se. Veit, Sunwend und Peter und Paul sind An das Kirchenfest der Pfingsten schließt sich im Jsarland, dann an der 29*
solle jede Familie an dem Gebrauch und seinem Segen Antheil haben. Auch Die drei Juninächte von Se. Veit, Sunwend und Peter und Paul sind An das Kirchenfest der Pfingsten schließt sich im Jsarland, dann an der 29*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110587"/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656"> solle jede Familie an dem Gebrauch und seinem Segen Antheil haben. Auch<lb/> hat die einst heilige Flamme noch nicht ganz ihre Wirkung eingebüßt. Noch<lb/> immer treibt man hin und wieder krankes Vieh durch, daß es gesund werde,<lb/> gesundes, daß es das Jahr über vor Seuche bewahrt sei. Wer über die<lb/> Sunwendflamme springt, dein thut beim Kornschneiden das Kreuz nicht weh;<lb/> so hoch wie sie lodert, wächst in diesem Jahre der Flachs. An den meisten<lb/> Orten ist der Brauch zum bloßen Kinderspiel geworden, an manchen aber tanzt<lb/> noch Jung und Alt u>n das Feuer selbst oder einen daneben aufgerichteten<lb/> Balken mit einem Querholz, das oben dicht mit Stroh umflochten und an¬<lb/> gezündet wird, bis der Balken erlischt. Im Garmischgau ist dabei auch das<lb/> schwäbische „Scheibcntreiben" üblich, wobei die Burschen ihrer Liebsten zu<lb/> Ehren Holzscheiben. die in der Mitte durchlöchert und um den Rändern roth-<lb/> glühend gemacht sind, an Stocken in die dunkle Luft emporschleudern.</p><lb/> <p xml:id="ID_658"> Die drei Juninächte von Se. Veit, Sunwend und Peter und Paul sind<lb/> Freinächte für die Vollbringung jenes bösen Zaubers, den habsüchtige<lb/> Bauern an dem Saatfeld ihrer Nachbarn üben und der unter dem Namen<lb/> Bockschnitt oder Bilwisschnitt bekannt ist. Während des Bctläulens setzen<lb/> sich ein solcher Uebelthäter, am linken Fuße eine Sichel angeschnallt, auf einen<lb/> schwarzen Bock, der eigentlich der Teufel ist und reiten so quer durch von<lb/> einer Ecke des Ackers zur andern. Das abgeschnittene Getreide fällt ganz<lb/> oder theilweise ihnen statt dem Eigenthümer zu. Um die auf diese Art fort¬<lb/> gezauberten Garben wieder zu gewinnen, besprengt man die erste Garbe,<lb/> welche bei der Ernte eingebracht wird, mit dem am Dreikönigstag geweihten<lb/> Wasser und Salz und schiebt den ersten Erntewagen verkehrt in die Scheune.</p><lb/> <p xml:id="ID_659" next="#ID_660"> An das Kirchenfest der Pfingsten schließt sich im Jsarland, dann an der<lb/> Sempt und Ihm, aber auch am Paar und am untern Lech das noch eifrig geübte<lb/> ebenfalls heidnische Volksfest des Psingstlümmels oder Wasservogels. Am<lb/> Pfingstmontag nach der Vesper besteigt ein Bursche ein geschmücktes Pferd.<lb/> Er selbst ist wunderlich vermummt, in Laub und Stroh eingeflochten. Ihm<lb/> folgt ein berittenes Geleit von 10 bis 20 Kameraden, die mit ihm von Haus<lb/> zu Haus ziehn, um unter Absingung alter Lieder Gaben von Brot, Butter,<lb/> Eiern und Mehl einzusammeln, was Santrigel heißt. Die Santrigelbuben<lb/> begeben sich dann nach einem benachbarten Bach oder Teich, wo sie den<lb/> Wasservogel vom Pferde herab ins Wasser werfen. An vielen Orten geschieht<lb/> dies nicht mit dem Reiter selbst, sondern mit einem vogelartiger Ungethüm,<lb/> das er trägt und dessen Leib, aus Stroh und Schilf zusammengeflochten,<lb/> in einen langen Schwanenhals mit hölzernem Schnabel ausläuft. Um den<lb/> Hals hat diese Strohgestalt ein seidnes Tuch. Nach der Wassertauche zieht<lb/> die Gesellschaft ins Wirthshaus, wo sie aus iurcr Sammlung gebackne<lb/> Küchel verzehrt und den Vogclhals sammt dem Seidentuch ausspielt.' Der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 29*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
solle jede Familie an dem Gebrauch und seinem Segen Antheil haben. Auch
hat die einst heilige Flamme noch nicht ganz ihre Wirkung eingebüßt. Noch
immer treibt man hin und wieder krankes Vieh durch, daß es gesund werde,
gesundes, daß es das Jahr über vor Seuche bewahrt sei. Wer über die
Sunwendflamme springt, dein thut beim Kornschneiden das Kreuz nicht weh;
so hoch wie sie lodert, wächst in diesem Jahre der Flachs. An den meisten
Orten ist der Brauch zum bloßen Kinderspiel geworden, an manchen aber tanzt
noch Jung und Alt u>n das Feuer selbst oder einen daneben aufgerichteten
Balken mit einem Querholz, das oben dicht mit Stroh umflochten und an¬
gezündet wird, bis der Balken erlischt. Im Garmischgau ist dabei auch das
schwäbische „Scheibcntreiben" üblich, wobei die Burschen ihrer Liebsten zu
Ehren Holzscheiben. die in der Mitte durchlöchert und um den Rändern roth-
glühend gemacht sind, an Stocken in die dunkle Luft emporschleudern.
Die drei Juninächte von Se. Veit, Sunwend und Peter und Paul sind
Freinächte für die Vollbringung jenes bösen Zaubers, den habsüchtige
Bauern an dem Saatfeld ihrer Nachbarn üben und der unter dem Namen
Bockschnitt oder Bilwisschnitt bekannt ist. Während des Bctläulens setzen
sich ein solcher Uebelthäter, am linken Fuße eine Sichel angeschnallt, auf einen
schwarzen Bock, der eigentlich der Teufel ist und reiten so quer durch von
einer Ecke des Ackers zur andern. Das abgeschnittene Getreide fällt ganz
oder theilweise ihnen statt dem Eigenthümer zu. Um die auf diese Art fort¬
gezauberten Garben wieder zu gewinnen, besprengt man die erste Garbe,
welche bei der Ernte eingebracht wird, mit dem am Dreikönigstag geweihten
Wasser und Salz und schiebt den ersten Erntewagen verkehrt in die Scheune.
An das Kirchenfest der Pfingsten schließt sich im Jsarland, dann an der
Sempt und Ihm, aber auch am Paar und am untern Lech das noch eifrig geübte
ebenfalls heidnische Volksfest des Psingstlümmels oder Wasservogels. Am
Pfingstmontag nach der Vesper besteigt ein Bursche ein geschmücktes Pferd.
Er selbst ist wunderlich vermummt, in Laub und Stroh eingeflochten. Ihm
folgt ein berittenes Geleit von 10 bis 20 Kameraden, die mit ihm von Haus
zu Haus ziehn, um unter Absingung alter Lieder Gaben von Brot, Butter,
Eiern und Mehl einzusammeln, was Santrigel heißt. Die Santrigelbuben
begeben sich dann nach einem benachbarten Bach oder Teich, wo sie den
Wasservogel vom Pferde herab ins Wasser werfen. An vielen Orten geschieht
dies nicht mit dem Reiter selbst, sondern mit einem vogelartiger Ungethüm,
das er trägt und dessen Leib, aus Stroh und Schilf zusammengeflochten,
in einen langen Schwanenhals mit hölzernem Schnabel ausläuft. Um den
Hals hat diese Strohgestalt ein seidnes Tuch. Nach der Wassertauche zieht
die Gesellschaft ins Wirthshaus, wo sie aus iurcr Sammlung gebackne
Küchel verzehrt und den Vogclhals sammt dem Seidentuch ausspielt.' Der
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