Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.den Dorfbrunnen getaucht oder unter Jubel und Lachen in den Wald hin¬ Der 24. April, das Fest des heiligen Georg, wird im Chiemgau, wo Am Palmsonntag bindet und weiht man die "Palmbüschei". Das Heft Grenzbote" IV. 1S60, 29
den Dorfbrunnen getaucht oder unter Jubel und Lachen in den Wald hin¬ Der 24. April, das Fest des heiligen Georg, wird im Chiemgau, wo Am Palmsonntag bindet und weiht man die „Palmbüschei". Das Heft Grenzbote» IV. 1S60, 29
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den Dorfbrunnen getaucht oder unter Jubel und Lachen in den Wald hin¬
ausgejagt wird.
Der 24. April, das Fest des heiligen Georg, wird im Chiemgau, wo
man viel Pferdezucht treibt, mit einer großen berittenen Procession gefeiert,
zu der sich die Theilnehmer, jeder mit zwei Pferden, im Schloßhof zu stair
sammeln. Früh sieben Uhr bricht der Zug auf, geführt von Postillonen und
blasenden Trompetern sowie sechs „Engeln", Baucrnbuben in weißen Jacken,
fleischfarbenen Strümpfen und rothen Schuhen auf schneeweißen Rossen. In ihrer
Mitte befindet sich der heilige Georg selbst in Helm und Harnisch, einem
rothen Mantel und hohen Stulpenstiefeln. Er reitet ebenfalls einen Schimmel
und hält in der Linken eine roth und weiße Kreuzfahne, in der Rechten ein
Schwert. Diesem Vortrab folgt, in Vertretung der Gutsherrschaft, ein Mit¬
glied des Landgerichts, dann kommen die Zechpröpste, Vorsteher der Gcorgi-
bruderschast mit großen kranzgeschmückten Kerzen und nun endlich die Reiter
paarweise, nach Pfarreien geordnet, vor jeder Schaar ein Fähndrich. Der Zug
geht auf der alten Saizburgcrsiraße nach der Se. Georgenkirchc zu Wei߬
brunn, deren Pfarrer den Pilgern mit dem Allerheiligsten und begleitet von
Mitgliedern der Georgibruderschaft, die weiße Talare mit rothen Kragen und
Stäbe mit dem Bilde des Patrons tragen, entgegenzieht. Dieser Zug von
Fußgängern macht vor einer alten Linde bei der Kirche Halt, wo dann der
Pfarrer zuerst allen Versammelten den Segen ertheilt und hierauf die einzeln
an ihm vorübergalvppirenden Reiter mit Weihwasser besprengt. Nach einer
Predigt und nach einem Hochamte in der Kirche zecht man und treibt Ro߬
handel. Die Gcorginacht geHort in vielen Gegenden als Freinacht den ledi¬
gen Burschen, die in ihr allerlei Schabernack treiben, den Nachbarn das
Ackergerät!) verschleppen, ja wenn es das niedrige Dach eines Hauses gestattet,
wol gar einen Leiterwagen auf den First setzen.
Am Palmsonntag bindet und weiht man die „Palmbüschei". Das Heft
derselben bildet ein .Haselzweig, daran befestigt man Blütenkätzchen von
Weiden, die allheilige Mistel und den Sayiing, dessen Geruch die Hexen
vertreibt. Für jedes Gemach wird, ein Palmbusch geweiht und das Jahr
hindurch sorgfältig bewahrt. Naht sich ein Gewitter, so verbrennt man
einen Theil davon auf dem Heerde, dann schlägt der Blitz nicht ein. Am
Charsamstag wird häusig noch vor der Kirchthür ein mächtiges Feuer
angezündet, wozu jedes Haus im Dorfe ein Scheit liefert. Darin ver¬
brennt man eine hölzerne Figur, Judas den Verräther. Die halbverkohl¬
ter Scheite nimmt man mit heim, da sie bei Gewittern auf dem Heerde in
Brand gesetzt die Blitze abwehren. Anderwärts zündet man nur ein Stück
Schwamm an dem Scheiterhaufen an und bringt damit neues Feuer für das
Grenzbote» IV. 1S60, 29
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