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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Nur zwei Zeitungen sind ausschließlich Abendblätter: der Sun und
der Globe. beide Nachbarn am Strand, aber sehr verschieden an Werth und
Bedeutung. Der Sun ist ein sehr mittelmäßiges Blatt. Die Principien,
die er vertritt, sind die des Radicalismus. Die Art, wie er für diese kämpft,
verräth wenig Takt und Talent. Seine politischen Neuigkeiten sind von ge¬
ringem Belang. Seine Geldverhältnisse gelten für ungünstig. Als Besitzer
wird ein Mr. Murdo Uoung genannt.

Der Globe, ein whiggistisch-palmerstonschcs Blatt, besteht seit 1803.
Er ist fast immer knapp, witzig und ungezicrt, wenn auch stilistisch etwas zu
nonchalant geschrieben und gilt bei seinen Beziehungen zum Cabinet jetzt,
wie immer, wenn die Whigs das Ruder führen, als gutes politisches Neuig¬
keitsblatt.

Die Times erschienen unter diesem Namen zuerst 1788, nachdem sie vorher
drei Jahre lang unter dem Titel "The Daily Universal Register" herausgekom¬
men. Von dieser Zeit an bis jetzt ist dieses Blatt immer im Besitz derselben
Familie, oder wenn man will, derselben Dynastie geblieben. Diese ist das
Haus John Walter.^ und John Walter der Dritte ist der jetzt regierende Herr.
Was die drei John Walter in ihrem Verhältniß zu einander angeht, so be¬
merkt man an ihnen dieselbe Entwicklung, die man in der Geschickte junger
Staaten und Fürstengeschlechter so ost wahrnimmt. Der erste schafft eine Ar¬
mee, der zweite schlüge Schlachten, der dritte wird luxuriös und human und
freut sich an Kunst und Wissenschaft, während die Minister das Land regieren.
Unter dem Gründer der Dynastie waren die Times ein Journal zweiten Ranges.
Weltblatt wurden sie erst unter seinem Nachfolger,, der von 1803 bis 1847
regierte. Der erste Chefredacteur war Dr. Stoddart, ein gelehrter und gewissen¬
hafter Mann. Ihm folgte Thomas Barres, ein großes publicistisches Talent,
ebenso scharfsinnig als taktvoll, der länger als dreißig Jahre die Leitung des
Blattes in den Händen hatte. Jetzt ist John Dekane Chefredacteur, und neben
ihm steht Mowbray Morris als Betriebsdnecror. Wer die Neben- und Sub-
editoren sind, ist ebenso wenig bekannt, als welche Personen die Leitartikel schrei¬
ben. Man hört einige Namen: Gilbert. Robert Löwe. Dallas, Reverend
Marchmont. Man weiß, daß Albert Smith und William Russell bisweilen
eine Leadersvalte füllen, daß der Pseudonyme "Mercator" der Lord Overstone,
der Wcstendgeistliche der Reverend Mr. Mozley ist, daß der Musikkritiker Oxenford.
der Cityartikelschreiber Sampson. der pariser Korrespondent O'Meagher heißt.
Aber das Aufzählen dieser wenigen Namen zeigt den 1200 Leitartikeln gegen¬
über, die jährlich erscheinen, wie wenig man weiß.

Ueber den Inhalt des Blattes und seine oft getadelte Principlosigkeit lassen
wir den Verfasser des angeführten Buches ausführlicher sprechen. Er sagt:

"Die Sache selbst, in dem Sinne wenigstens, in dem sie getadelt wird,


Nur zwei Zeitungen sind ausschließlich Abendblätter: der Sun und
der Globe. beide Nachbarn am Strand, aber sehr verschieden an Werth und
Bedeutung. Der Sun ist ein sehr mittelmäßiges Blatt. Die Principien,
die er vertritt, sind die des Radicalismus. Die Art, wie er für diese kämpft,
verräth wenig Takt und Talent. Seine politischen Neuigkeiten sind von ge¬
ringem Belang. Seine Geldverhältnisse gelten für ungünstig. Als Besitzer
wird ein Mr. Murdo Uoung genannt.

Der Globe, ein whiggistisch-palmerstonschcs Blatt, besteht seit 1803.
Er ist fast immer knapp, witzig und ungezicrt, wenn auch stilistisch etwas zu
nonchalant geschrieben und gilt bei seinen Beziehungen zum Cabinet jetzt,
wie immer, wenn die Whigs das Ruder führen, als gutes politisches Neuig¬
keitsblatt.

Die Times erschienen unter diesem Namen zuerst 1788, nachdem sie vorher
drei Jahre lang unter dem Titel „The Daily Universal Register" herausgekom¬
men. Von dieser Zeit an bis jetzt ist dieses Blatt immer im Besitz derselben
Familie, oder wenn man will, derselben Dynastie geblieben. Diese ist das
Haus John Walter.^ und John Walter der Dritte ist der jetzt regierende Herr.
Was die drei John Walter in ihrem Verhältniß zu einander angeht, so be¬
merkt man an ihnen dieselbe Entwicklung, die man in der Geschickte junger
Staaten und Fürstengeschlechter so ost wahrnimmt. Der erste schafft eine Ar¬
mee, der zweite schlüge Schlachten, der dritte wird luxuriös und human und
freut sich an Kunst und Wissenschaft, während die Minister das Land regieren.
Unter dem Gründer der Dynastie waren die Times ein Journal zweiten Ranges.
Weltblatt wurden sie erst unter seinem Nachfolger,, der von 1803 bis 1847
regierte. Der erste Chefredacteur war Dr. Stoddart, ein gelehrter und gewissen¬
hafter Mann. Ihm folgte Thomas Barres, ein großes publicistisches Talent,
ebenso scharfsinnig als taktvoll, der länger als dreißig Jahre die Leitung des
Blattes in den Händen hatte. Jetzt ist John Dekane Chefredacteur, und neben
ihm steht Mowbray Morris als Betriebsdnecror. Wer die Neben- und Sub-
editoren sind, ist ebenso wenig bekannt, als welche Personen die Leitartikel schrei¬
ben. Man hört einige Namen: Gilbert. Robert Löwe. Dallas, Reverend
Marchmont. Man weiß, daß Albert Smith und William Russell bisweilen
eine Leadersvalte füllen, daß der Pseudonyme „Mercator" der Lord Overstone,
der Wcstendgeistliche der Reverend Mr. Mozley ist, daß der Musikkritiker Oxenford.
der Cityartikelschreiber Sampson. der pariser Korrespondent O'Meagher heißt.
Aber das Aufzählen dieser wenigen Namen zeigt den 1200 Leitartikeln gegen¬
über, die jährlich erscheinen, wie wenig man weiß.

Ueber den Inhalt des Blattes und seine oft getadelte Principlosigkeit lassen
wir den Verfasser des angeführten Buches ausführlicher sprechen. Er sagt:

„Die Sache selbst, in dem Sinne wenigstens, in dem sie getadelt wird,


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[0160] Nur zwei Zeitungen sind ausschließlich Abendblätter: der Sun und der Globe. beide Nachbarn am Strand, aber sehr verschieden an Werth und Bedeutung. Der Sun ist ein sehr mittelmäßiges Blatt. Die Principien, die er vertritt, sind die des Radicalismus. Die Art, wie er für diese kämpft, verräth wenig Takt und Talent. Seine politischen Neuigkeiten sind von ge¬ ringem Belang. Seine Geldverhältnisse gelten für ungünstig. Als Besitzer wird ein Mr. Murdo Uoung genannt. Der Globe, ein whiggistisch-palmerstonschcs Blatt, besteht seit 1803. Er ist fast immer knapp, witzig und ungezicrt, wenn auch stilistisch etwas zu nonchalant geschrieben und gilt bei seinen Beziehungen zum Cabinet jetzt, wie immer, wenn die Whigs das Ruder führen, als gutes politisches Neuig¬ keitsblatt. Die Times erschienen unter diesem Namen zuerst 1788, nachdem sie vorher drei Jahre lang unter dem Titel „The Daily Universal Register" herausgekom¬ men. Von dieser Zeit an bis jetzt ist dieses Blatt immer im Besitz derselben Familie, oder wenn man will, derselben Dynastie geblieben. Diese ist das Haus John Walter.^ und John Walter der Dritte ist der jetzt regierende Herr. Was die drei John Walter in ihrem Verhältniß zu einander angeht, so be¬ merkt man an ihnen dieselbe Entwicklung, die man in der Geschickte junger Staaten und Fürstengeschlechter so ost wahrnimmt. Der erste schafft eine Ar¬ mee, der zweite schlüge Schlachten, der dritte wird luxuriös und human und freut sich an Kunst und Wissenschaft, während die Minister das Land regieren. Unter dem Gründer der Dynastie waren die Times ein Journal zweiten Ranges. Weltblatt wurden sie erst unter seinem Nachfolger,, der von 1803 bis 1847 regierte. Der erste Chefredacteur war Dr. Stoddart, ein gelehrter und gewissen¬ hafter Mann. Ihm folgte Thomas Barres, ein großes publicistisches Talent, ebenso scharfsinnig als taktvoll, der länger als dreißig Jahre die Leitung des Blattes in den Händen hatte. Jetzt ist John Dekane Chefredacteur, und neben ihm steht Mowbray Morris als Betriebsdnecror. Wer die Neben- und Sub- editoren sind, ist ebenso wenig bekannt, als welche Personen die Leitartikel schrei¬ ben. Man hört einige Namen: Gilbert. Robert Löwe. Dallas, Reverend Marchmont. Man weiß, daß Albert Smith und William Russell bisweilen eine Leadersvalte füllen, daß der Pseudonyme „Mercator" der Lord Overstone, der Wcstendgeistliche der Reverend Mr. Mozley ist, daß der Musikkritiker Oxenford. der Cityartikelschreiber Sampson. der pariser Korrespondent O'Meagher heißt. Aber das Aufzählen dieser wenigen Namen zeigt den 1200 Leitartikeln gegen¬ über, die jährlich erscheinen, wie wenig man weiß. Ueber den Inhalt des Blattes und seine oft getadelte Principlosigkeit lassen wir den Verfasser des angeführten Buches ausführlicher sprechen. Er sagt: „Die Sache selbst, in dem Sinne wenigstens, in dem sie getadelt wird,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/160>, abgerufen am 15.01.2025.