Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Blute der Erschlagenen, bis am Ende das Heer von Irland die Fremden in
den See getrieben haben wird, wo der letzte von ihnen ertrinken wird . . ."

In diesem Augenblicke, wo M'Donald, das Todtenschweigcn, welches den
ergreifenden Worten gefolgt war, unterbrechend, an eines der Fässer gegangen
war, um das Glas des Corporals noch einmal zu füllen, that sich die Thür
auf, und herein trat ein alter Bekannter -- der Werbesoldat von heut Morgen.
Sein englisches Gesicht war ganz roth vor Kälte und die bunten Bänder an
seiner Mütze, feucht von Nebel und Regen, hingen in einem Bündel schlaff
hernieder. Aber er war nicht allein. Es umgaben ihn drei, vier junge Bursche
in zerrissenen Rocken, welche Handgeld genommen hatten. Auf die Schultern
waren ihnen einige bunte Bänder geheftet worden. Alles war stumm, da die
neue Gruppe eintrat; der herkulische Mann und der pfiffige Mann und der
Corpora! drückten sich in die Ecke um den Steinalten Propheten zusammen und
schwiegen, als ob sie nie ein Wort gesprochen hätten. Aber um so lauter
trumpfte der Werbesoldat aus. "Holla! Whiskey her für meine Jungen!" rief
er, als er noch nicht halb eingetreten war -- "Whiskey her für die leichte
Fußgarde Ihrer Majestät -- und ein Schuft, wer nicht einstimmt, wenn ich
rufe: Gott schütze die Königin und ihr Reich!"

Die drei oder vier Jungen besannen sich nicht viel; sie sahn aus, als
ob sie lange nichts gegessen und noch viel länger nichts getrunken hätten --
sie stürzten das ihnen gebotene Glas rasch hinunter und aßen die Bretzel dazu,
die ihnen gereicht ward, und schrien, den Mund ganz voll, zwischen dem Kauen:
"Gott schütze die Königin!" Die Andern aber schwiegen. "Warum sitzt Ihr
da so still?" rief der Werbesoldat, sich trotzig umkehrend. "Und Du, -- Hund
von einem Corporal -- warum rufst Du nicht mit. wenn wir das Wohl unsrer
allergnüdigsten Königin trinken?" "Mein theurer Herr." erwiderte der Corpo¬
ra!, dem vor Schreck das Pfeifchen ausgegangen war, "mein Glas ist leer
und . . ." "Und Du willst, daß der Diener Ihrer Majestät es fülle? Wolan,
im Namen der Königin! füllt ihm das Glas!" M'Donald, dessen Gesicht wäh¬
rend der ganzen Scene finster gewesen war. ging an's Faß und füllte; aber
er sagte kein Wort. Der Werbesoldat mit seinen Burschen und der Corpora!
stellten sich zusammen, stießen mit den frisch gefüllten Gläsern an und der
Ruf: "Gott schütze die Königin!" ging durch denselben Raum, der wenige
Minuten vorher noch der Zeuge des Begeisterungsrausches für Irlands Freiheit
und Irlands Glauben gewesen. -- Ein neuer Lärm und von der grad ent¬
gegengesetzten Art als der. welcher mich empfangen hatte, setzte sich in McDo¬
nalds Whiskeyschank fest, die neuen Gäste ließen sich tumultirend auf den
Sitzen der früheren, die sich langsam und Einer nach dem Andern entfernten,
nieder, und heimlich trug man die Artikel von Limerick wieder hinauf in das
Staatszimmer vom ersten Stock. Auch ich ging und der Corpora! mit mir.


Blute der Erschlagenen, bis am Ende das Heer von Irland die Fremden in
den See getrieben haben wird, wo der letzte von ihnen ertrinken wird . . ."

In diesem Augenblicke, wo M'Donald, das Todtenschweigcn, welches den
ergreifenden Worten gefolgt war, unterbrechend, an eines der Fässer gegangen
war, um das Glas des Corporals noch einmal zu füllen, that sich die Thür
auf, und herein trat ein alter Bekannter — der Werbesoldat von heut Morgen.
Sein englisches Gesicht war ganz roth vor Kälte und die bunten Bänder an
seiner Mütze, feucht von Nebel und Regen, hingen in einem Bündel schlaff
hernieder. Aber er war nicht allein. Es umgaben ihn drei, vier junge Bursche
in zerrissenen Rocken, welche Handgeld genommen hatten. Auf die Schultern
waren ihnen einige bunte Bänder geheftet worden. Alles war stumm, da die
neue Gruppe eintrat; der herkulische Mann und der pfiffige Mann und der
Corpora! drückten sich in die Ecke um den Steinalten Propheten zusammen und
schwiegen, als ob sie nie ein Wort gesprochen hätten. Aber um so lauter
trumpfte der Werbesoldat aus. „Holla! Whiskey her für meine Jungen!" rief
er, als er noch nicht halb eingetreten war — „Whiskey her für die leichte
Fußgarde Ihrer Majestät — und ein Schuft, wer nicht einstimmt, wenn ich
rufe: Gott schütze die Königin und ihr Reich!"

Die drei oder vier Jungen besannen sich nicht viel; sie sahn aus, als
ob sie lange nichts gegessen und noch viel länger nichts getrunken hätten —
sie stürzten das ihnen gebotene Glas rasch hinunter und aßen die Bretzel dazu,
die ihnen gereicht ward, und schrien, den Mund ganz voll, zwischen dem Kauen:
„Gott schütze die Königin!" Die Andern aber schwiegen. „Warum sitzt Ihr
da so still?" rief der Werbesoldat, sich trotzig umkehrend. „Und Du, — Hund
von einem Corporal — warum rufst Du nicht mit. wenn wir das Wohl unsrer
allergnüdigsten Königin trinken?" „Mein theurer Herr." erwiderte der Corpo¬
ra!, dem vor Schreck das Pfeifchen ausgegangen war, „mein Glas ist leer
und . . ." „Und Du willst, daß der Diener Ihrer Majestät es fülle? Wolan,
im Namen der Königin! füllt ihm das Glas!" M'Donald, dessen Gesicht wäh¬
rend der ganzen Scene finster gewesen war. ging an's Faß und füllte; aber
er sagte kein Wort. Der Werbesoldat mit seinen Burschen und der Corpora!
stellten sich zusammen, stießen mit den frisch gefüllten Gläsern an und der
Ruf: „Gott schütze die Königin!" ging durch denselben Raum, der wenige
Minuten vorher noch der Zeuge des Begeisterungsrausches für Irlands Freiheit
und Irlands Glauben gewesen. — Ein neuer Lärm und von der grad ent¬
gegengesetzten Art als der. welcher mich empfangen hatte, setzte sich in McDo¬
nalds Whiskeyschank fest, die neuen Gäste ließen sich tumultirend auf den
Sitzen der früheren, die sich langsam und Einer nach dem Andern entfernten,
nieder, und heimlich trug man die Artikel von Limerick wieder hinauf in das
Staatszimmer vom ersten Stock. Auch ich ging und der Corpora! mit mir.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110502"/>
          <p xml:id="ID_406" prev="#ID_405"> Blute der Erschlagenen, bis am Ende das Heer von Irland die Fremden in<lb/>
den See getrieben haben wird, wo der letzte von ihnen ertrinken wird . . ."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_407"> In diesem Augenblicke, wo M'Donald, das Todtenschweigcn, welches den<lb/>
ergreifenden Worten gefolgt war, unterbrechend, an eines der Fässer gegangen<lb/>
war, um das Glas des Corporals noch einmal zu füllen, that sich die Thür<lb/>
auf, und herein trat ein alter Bekannter &#x2014; der Werbesoldat von heut Morgen.<lb/>
Sein englisches Gesicht war ganz roth vor Kälte und die bunten Bänder an<lb/>
seiner Mütze, feucht von Nebel und Regen, hingen in einem Bündel schlaff<lb/>
hernieder. Aber er war nicht allein. Es umgaben ihn drei, vier junge Bursche<lb/>
in zerrissenen Rocken, welche Handgeld genommen hatten. Auf die Schultern<lb/>
waren ihnen einige bunte Bänder geheftet worden. Alles war stumm, da die<lb/>
neue Gruppe eintrat; der herkulische Mann und der pfiffige Mann und der<lb/>
Corpora! drückten sich in die Ecke um den Steinalten Propheten zusammen und<lb/>
schwiegen, als ob sie nie ein Wort gesprochen hätten. Aber um so lauter<lb/>
trumpfte der Werbesoldat aus. &#x201E;Holla! Whiskey her für meine Jungen!" rief<lb/>
er, als er noch nicht halb eingetreten war &#x2014; &#x201E;Whiskey her für die leichte<lb/>
Fußgarde Ihrer Majestät &#x2014; und ein Schuft, wer nicht einstimmt, wenn ich<lb/>
rufe:  Gott schütze die Königin und ihr Reich!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_408" next="#ID_409"> Die drei oder vier Jungen besannen sich nicht viel; sie sahn aus, als<lb/>
ob sie lange nichts gegessen und noch viel länger nichts getrunken hätten &#x2014;<lb/>
sie stürzten das ihnen gebotene Glas rasch hinunter und aßen die Bretzel dazu,<lb/>
die ihnen gereicht ward, und schrien, den Mund ganz voll, zwischen dem Kauen:<lb/>
&#x201E;Gott schütze die Königin!" Die Andern aber schwiegen. &#x201E;Warum sitzt Ihr<lb/>
da so still?" rief der Werbesoldat, sich trotzig umkehrend. &#x201E;Und Du, &#x2014; Hund<lb/>
von einem Corporal &#x2014; warum rufst Du nicht mit. wenn wir das Wohl unsrer<lb/>
allergnüdigsten Königin trinken?" &#x201E;Mein theurer Herr." erwiderte der Corpo¬<lb/>
ra!, dem vor Schreck das Pfeifchen ausgegangen war, &#x201E;mein Glas ist leer<lb/>
und . . ." &#x201E;Und Du willst, daß der Diener Ihrer Majestät es fülle? Wolan,<lb/>
im Namen der Königin! füllt ihm das Glas!" M'Donald, dessen Gesicht wäh¬<lb/>
rend der ganzen Scene finster gewesen war. ging an's Faß und füllte; aber<lb/>
er sagte kein Wort. Der Werbesoldat mit seinen Burschen und der Corpora!<lb/>
stellten sich zusammen, stießen mit den frisch gefüllten Gläsern an und der<lb/>
Ruf: &#x201E;Gott schütze die Königin!" ging durch denselben Raum, der wenige<lb/>
Minuten vorher noch der Zeuge des Begeisterungsrausches für Irlands Freiheit<lb/>
und Irlands Glauben gewesen. &#x2014; Ein neuer Lärm und von der grad ent¬<lb/>
gegengesetzten Art als der. welcher mich empfangen hatte, setzte sich in McDo¬<lb/>
nalds Whiskeyschank fest, die neuen Gäste ließen sich tumultirend auf den<lb/>
Sitzen der früheren, die sich langsam und Einer nach dem Andern entfernten,<lb/>
nieder, und heimlich trug man die Artikel von Limerick wieder hinauf in das<lb/>
Staatszimmer vom ersten Stock.  Auch ich ging und der Corpora! mit mir.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] Blute der Erschlagenen, bis am Ende das Heer von Irland die Fremden in den See getrieben haben wird, wo der letzte von ihnen ertrinken wird . . ." In diesem Augenblicke, wo M'Donald, das Todtenschweigcn, welches den ergreifenden Worten gefolgt war, unterbrechend, an eines der Fässer gegangen war, um das Glas des Corporals noch einmal zu füllen, that sich die Thür auf, und herein trat ein alter Bekannter — der Werbesoldat von heut Morgen. Sein englisches Gesicht war ganz roth vor Kälte und die bunten Bänder an seiner Mütze, feucht von Nebel und Regen, hingen in einem Bündel schlaff hernieder. Aber er war nicht allein. Es umgaben ihn drei, vier junge Bursche in zerrissenen Rocken, welche Handgeld genommen hatten. Auf die Schultern waren ihnen einige bunte Bänder geheftet worden. Alles war stumm, da die neue Gruppe eintrat; der herkulische Mann und der pfiffige Mann und der Corpora! drückten sich in die Ecke um den Steinalten Propheten zusammen und schwiegen, als ob sie nie ein Wort gesprochen hätten. Aber um so lauter trumpfte der Werbesoldat aus. „Holla! Whiskey her für meine Jungen!" rief er, als er noch nicht halb eingetreten war — „Whiskey her für die leichte Fußgarde Ihrer Majestät — und ein Schuft, wer nicht einstimmt, wenn ich rufe: Gott schütze die Königin und ihr Reich!" Die drei oder vier Jungen besannen sich nicht viel; sie sahn aus, als ob sie lange nichts gegessen und noch viel länger nichts getrunken hätten — sie stürzten das ihnen gebotene Glas rasch hinunter und aßen die Bretzel dazu, die ihnen gereicht ward, und schrien, den Mund ganz voll, zwischen dem Kauen: „Gott schütze die Königin!" Die Andern aber schwiegen. „Warum sitzt Ihr da so still?" rief der Werbesoldat, sich trotzig umkehrend. „Und Du, — Hund von einem Corporal — warum rufst Du nicht mit. wenn wir das Wohl unsrer allergnüdigsten Königin trinken?" „Mein theurer Herr." erwiderte der Corpo¬ ra!, dem vor Schreck das Pfeifchen ausgegangen war, „mein Glas ist leer und . . ." „Und Du willst, daß der Diener Ihrer Majestät es fülle? Wolan, im Namen der Königin! füllt ihm das Glas!" M'Donald, dessen Gesicht wäh¬ rend der ganzen Scene finster gewesen war. ging an's Faß und füllte; aber er sagte kein Wort. Der Werbesoldat mit seinen Burschen und der Corpora! stellten sich zusammen, stießen mit den frisch gefüllten Gläsern an und der Ruf: „Gott schütze die Königin!" ging durch denselben Raum, der wenige Minuten vorher noch der Zeuge des Begeisterungsrausches für Irlands Freiheit und Irlands Glauben gewesen. — Ein neuer Lärm und von der grad ent¬ gegengesetzten Art als der. welcher mich empfangen hatte, setzte sich in McDo¬ nalds Whiskeyschank fest, die neuen Gäste ließen sich tumultirend auf den Sitzen der früheren, die sich langsam und Einer nach dem Andern entfernten, nieder, und heimlich trug man die Artikel von Limerick wieder hinauf in das Staatszimmer vom ersten Stock. Auch ich ging und der Corpora! mit mir.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/154>, abgerufen am 15.01.2025.