Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tausend Drachmen (500 Thaler) nicht besaßen, des Vollbürgerrechts für ver¬
lustig erklärte.

Was endlich die größere oder geringere Vollkommenheit der einzelnen Hand¬
werke, wie sie zum Theil von Freien, zum bei weitem größern Theil aber von
Halbfreien und Sklaven betrieben wurden, betrifft, so mag der Mangel des Zunft¬
zwanges und die früh eingeführte Fabrikarbeit anfangs wol nachtheilig auf ihre
Entwicklung eingewirkt haben. Die Güte der Waare, ihre Feinheit und Dauer¬
haftigkeit mag. da der ungebildete Sklave etwa von den Ufern des Don
so gut wie der feingebildete Korinther ohne vorhergegangene Prüfung sich in
der Bereitung von Thongefäßen versuchen durfte, wol manches zu wünschen
übrig gelassen haben; doch mußte sich dieser Nachtheil bald ausgleichen, wenn
man fand, daß für die korinthische Thonwaare ein viel besserer Absatz und ein
weit höherer Preis erzielt wurde als für das rohe Machwerk des ungeschickten
Sarmaten. Doch der Sarmate richtete sich sehr bald ein, und es wird im
Gegentheil das Zusammenarbeiten von Sklaven aus den verschiedensten Län¬
dern, deren jeder oder doch sehr viele d'as Verfahren bei dem Handwerk in
ihrer Heimath mit nach Hellas brachten, höchst vortheilhaft für die Ausbildung
der Gewerbsthätigkeit gewesen sein. Es bewahrte vor Einseitigkeit und vor
der Ansicht, die zunftmäßiger Betrieb zu fördern geneigt ist, daß, weil der Gro߬
vater dem Topfe diese Gestalt gegeben habe, der Enkel ihm nicht wol eine
andre geben dürfe. Wir können überzeugt sein, daß zu Perikles Zeiten der
Kerameikos in Athen bessere und geschmackvollere Arbeit lieferte als damals,
wo Solon die Verhältnisse der Athener ordnete, und als der Phalereer De-
metrius Gesetzmäßigkeit und Ordnung in dem öffentlichen und Privatleben der
Weltstadt wieder herzustellen suchte, hatten die Erzeugnisse des athenischen Topf-
markls ohne Zweifel einen noch höhern Grad von Trefflichkeit erlangt.

So ist es auch gekommen, daß trotz der an und für sich meist schlechten
Sklavenarbeit und der minder feinen Erzeugnisse des Fabrikbetriebs, welche Nach¬
theile indeß der kundige Grieche mit glücklichem Geschick zu beseitigen und zu Vor¬
theilen umzukehren wußte, fast jedes hellenische Land in dem einen oder andern Ge¬
werbe Vorzügliches leistete. Es kann natürlich nicht unsre Absicht sein, sämmt¬
liche Handwerke, wie sie der Grammatiker Pollux uns verzeichnet hat, hier in
Betracht zu ziehn. Wir heben nur Einiges von besondern: Interesse hervor.

Daß die ätherische Töpferwaare sehr geschätzt wurde, ist soeben bemerkt
worden; thönerne Gefäße, vermuthlich mit dem Bilde einer Eule als Kenn¬
zeichen versehn, um die Echtheit zu constatiren, wie der blaue Adler des ber¬
liner Fabricats und die gekreuzten Schwerter der noch höher geachteten Waare
Meißens, bildeten einen sehr bedeutenden Ausfuhrartikel des attischen Handels.
Ihre geschmackvolle Form und kunstreiche Verzierung mit allerhand Figuren
wurde besonders gerühmt. Dennoch fanden die athenischen Töpfer an den


tausend Drachmen (500 Thaler) nicht besaßen, des Vollbürgerrechts für ver¬
lustig erklärte.

Was endlich die größere oder geringere Vollkommenheit der einzelnen Hand¬
werke, wie sie zum Theil von Freien, zum bei weitem größern Theil aber von
Halbfreien und Sklaven betrieben wurden, betrifft, so mag der Mangel des Zunft¬
zwanges und die früh eingeführte Fabrikarbeit anfangs wol nachtheilig auf ihre
Entwicklung eingewirkt haben. Die Güte der Waare, ihre Feinheit und Dauer¬
haftigkeit mag. da der ungebildete Sklave etwa von den Ufern des Don
so gut wie der feingebildete Korinther ohne vorhergegangene Prüfung sich in
der Bereitung von Thongefäßen versuchen durfte, wol manches zu wünschen
übrig gelassen haben; doch mußte sich dieser Nachtheil bald ausgleichen, wenn
man fand, daß für die korinthische Thonwaare ein viel besserer Absatz und ein
weit höherer Preis erzielt wurde als für das rohe Machwerk des ungeschickten
Sarmaten. Doch der Sarmate richtete sich sehr bald ein, und es wird im
Gegentheil das Zusammenarbeiten von Sklaven aus den verschiedensten Län¬
dern, deren jeder oder doch sehr viele d'as Verfahren bei dem Handwerk in
ihrer Heimath mit nach Hellas brachten, höchst vortheilhaft für die Ausbildung
der Gewerbsthätigkeit gewesen sein. Es bewahrte vor Einseitigkeit und vor
der Ansicht, die zunftmäßiger Betrieb zu fördern geneigt ist, daß, weil der Gro߬
vater dem Topfe diese Gestalt gegeben habe, der Enkel ihm nicht wol eine
andre geben dürfe. Wir können überzeugt sein, daß zu Perikles Zeiten der
Kerameikos in Athen bessere und geschmackvollere Arbeit lieferte als damals,
wo Solon die Verhältnisse der Athener ordnete, und als der Phalereer De-
metrius Gesetzmäßigkeit und Ordnung in dem öffentlichen und Privatleben der
Weltstadt wieder herzustellen suchte, hatten die Erzeugnisse des athenischen Topf-
markls ohne Zweifel einen noch höhern Grad von Trefflichkeit erlangt.

So ist es auch gekommen, daß trotz der an und für sich meist schlechten
Sklavenarbeit und der minder feinen Erzeugnisse des Fabrikbetriebs, welche Nach¬
theile indeß der kundige Grieche mit glücklichem Geschick zu beseitigen und zu Vor¬
theilen umzukehren wußte, fast jedes hellenische Land in dem einen oder andern Ge¬
werbe Vorzügliches leistete. Es kann natürlich nicht unsre Absicht sein, sämmt¬
liche Handwerke, wie sie der Grammatiker Pollux uns verzeichnet hat, hier in
Betracht zu ziehn. Wir heben nur Einiges von besondern: Interesse hervor.

Daß die ätherische Töpferwaare sehr geschätzt wurde, ist soeben bemerkt
worden; thönerne Gefäße, vermuthlich mit dem Bilde einer Eule als Kenn¬
zeichen versehn, um die Echtheit zu constatiren, wie der blaue Adler des ber¬
liner Fabricats und die gekreuzten Schwerter der noch höher geachteten Waare
Meißens, bildeten einen sehr bedeutenden Ausfuhrartikel des attischen Handels.
Ihre geschmackvolle Form und kunstreiche Verzierung mit allerhand Figuren
wurde besonders gerühmt. Dennoch fanden die athenischen Töpfer an den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110458"/>
          <p xml:id="ID_268" prev="#ID_267"> tausend Drachmen (500 Thaler) nicht besaßen, des Vollbürgerrechts für ver¬<lb/>
lustig erklärte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_269"> Was endlich die größere oder geringere Vollkommenheit der einzelnen Hand¬<lb/>
werke, wie sie zum Theil von Freien, zum bei weitem größern Theil aber von<lb/>
Halbfreien und Sklaven betrieben wurden, betrifft, so mag der Mangel des Zunft¬<lb/>
zwanges und die früh eingeführte Fabrikarbeit anfangs wol nachtheilig auf ihre<lb/>
Entwicklung eingewirkt haben. Die Güte der Waare, ihre Feinheit und Dauer¬<lb/>
haftigkeit mag. da der ungebildete Sklave etwa von den Ufern des Don<lb/>
so gut wie der feingebildete Korinther ohne vorhergegangene Prüfung sich in<lb/>
der Bereitung von Thongefäßen versuchen durfte, wol manches zu wünschen<lb/>
übrig gelassen haben; doch mußte sich dieser Nachtheil bald ausgleichen, wenn<lb/>
man fand, daß für die korinthische Thonwaare ein viel besserer Absatz und ein<lb/>
weit höherer Preis erzielt wurde als für das rohe Machwerk des ungeschickten<lb/>
Sarmaten. Doch der Sarmate richtete sich sehr bald ein, und es wird im<lb/>
Gegentheil das Zusammenarbeiten von Sklaven aus den verschiedensten Län¬<lb/>
dern, deren jeder oder doch sehr viele d'as Verfahren bei dem Handwerk in<lb/>
ihrer Heimath mit nach Hellas brachten, höchst vortheilhaft für die Ausbildung<lb/>
der Gewerbsthätigkeit gewesen sein. Es bewahrte vor Einseitigkeit und vor<lb/>
der Ansicht, die zunftmäßiger Betrieb zu fördern geneigt ist, daß, weil der Gro߬<lb/>
vater dem Topfe diese Gestalt gegeben habe, der Enkel ihm nicht wol eine<lb/>
andre geben dürfe. Wir können überzeugt sein, daß zu Perikles Zeiten der<lb/>
Kerameikos in Athen bessere und geschmackvollere Arbeit lieferte als damals,<lb/>
wo Solon die Verhältnisse der Athener ordnete, und als der Phalereer De-<lb/>
metrius Gesetzmäßigkeit und Ordnung in dem öffentlichen und Privatleben der<lb/>
Weltstadt wieder herzustellen suchte, hatten die Erzeugnisse des athenischen Topf-<lb/>
markls ohne Zweifel einen noch höhern Grad von Trefflichkeit erlangt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_270"> So ist es auch gekommen, daß trotz der an und für sich meist schlechten<lb/>
Sklavenarbeit und der minder feinen Erzeugnisse des Fabrikbetriebs, welche Nach¬<lb/>
theile indeß der kundige Grieche mit glücklichem Geschick zu beseitigen und zu Vor¬<lb/>
theilen umzukehren wußte, fast jedes hellenische Land in dem einen oder andern Ge¬<lb/>
werbe Vorzügliches leistete. Es kann natürlich nicht unsre Absicht sein, sämmt¬<lb/>
liche Handwerke, wie sie der Grammatiker Pollux uns verzeichnet hat, hier in<lb/>
Betracht zu ziehn.  Wir heben nur Einiges von besondern: Interesse hervor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> Daß die ätherische Töpferwaare sehr geschätzt wurde, ist soeben bemerkt<lb/>
worden; thönerne Gefäße, vermuthlich mit dem Bilde einer Eule als Kenn¬<lb/>
zeichen versehn, um die Echtheit zu constatiren, wie der blaue Adler des ber¬<lb/>
liner Fabricats und die gekreuzten Schwerter der noch höher geachteten Waare<lb/>
Meißens, bildeten einen sehr bedeutenden Ausfuhrartikel des attischen Handels.<lb/>
Ihre geschmackvolle Form und kunstreiche Verzierung mit allerhand Figuren<lb/>
wurde besonders gerühmt.  Dennoch fanden die athenischen Töpfer an den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] tausend Drachmen (500 Thaler) nicht besaßen, des Vollbürgerrechts für ver¬ lustig erklärte. Was endlich die größere oder geringere Vollkommenheit der einzelnen Hand¬ werke, wie sie zum Theil von Freien, zum bei weitem größern Theil aber von Halbfreien und Sklaven betrieben wurden, betrifft, so mag der Mangel des Zunft¬ zwanges und die früh eingeführte Fabrikarbeit anfangs wol nachtheilig auf ihre Entwicklung eingewirkt haben. Die Güte der Waare, ihre Feinheit und Dauer¬ haftigkeit mag. da der ungebildete Sklave etwa von den Ufern des Don so gut wie der feingebildete Korinther ohne vorhergegangene Prüfung sich in der Bereitung von Thongefäßen versuchen durfte, wol manches zu wünschen übrig gelassen haben; doch mußte sich dieser Nachtheil bald ausgleichen, wenn man fand, daß für die korinthische Thonwaare ein viel besserer Absatz und ein weit höherer Preis erzielt wurde als für das rohe Machwerk des ungeschickten Sarmaten. Doch der Sarmate richtete sich sehr bald ein, und es wird im Gegentheil das Zusammenarbeiten von Sklaven aus den verschiedensten Län¬ dern, deren jeder oder doch sehr viele d'as Verfahren bei dem Handwerk in ihrer Heimath mit nach Hellas brachten, höchst vortheilhaft für die Ausbildung der Gewerbsthätigkeit gewesen sein. Es bewahrte vor Einseitigkeit und vor der Ansicht, die zunftmäßiger Betrieb zu fördern geneigt ist, daß, weil der Gro߬ vater dem Topfe diese Gestalt gegeben habe, der Enkel ihm nicht wol eine andre geben dürfe. Wir können überzeugt sein, daß zu Perikles Zeiten der Kerameikos in Athen bessere und geschmackvollere Arbeit lieferte als damals, wo Solon die Verhältnisse der Athener ordnete, und als der Phalereer De- metrius Gesetzmäßigkeit und Ordnung in dem öffentlichen und Privatleben der Weltstadt wieder herzustellen suchte, hatten die Erzeugnisse des athenischen Topf- markls ohne Zweifel einen noch höhern Grad von Trefflichkeit erlangt. So ist es auch gekommen, daß trotz der an und für sich meist schlechten Sklavenarbeit und der minder feinen Erzeugnisse des Fabrikbetriebs, welche Nach¬ theile indeß der kundige Grieche mit glücklichem Geschick zu beseitigen und zu Vor¬ theilen umzukehren wußte, fast jedes hellenische Land in dem einen oder andern Ge¬ werbe Vorzügliches leistete. Es kann natürlich nicht unsre Absicht sein, sämmt¬ liche Handwerke, wie sie der Grammatiker Pollux uns verzeichnet hat, hier in Betracht zu ziehn. Wir heben nur Einiges von besondern: Interesse hervor. Daß die ätherische Töpferwaare sehr geschätzt wurde, ist soeben bemerkt worden; thönerne Gefäße, vermuthlich mit dem Bilde einer Eule als Kenn¬ zeichen versehn, um die Echtheit zu constatiren, wie der blaue Adler des ber¬ liner Fabricats und die gekreuzten Schwerter der noch höher geachteten Waare Meißens, bildeten einen sehr bedeutenden Ausfuhrartikel des attischen Handels. Ihre geschmackvolle Form und kunstreiche Verzierung mit allerhand Figuren wurde besonders gerühmt. Dennoch fanden die athenischen Töpfer an den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/110
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/110>, abgerufen am 15.01.2025.