Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit hohen Officiersstellen bedacht wurden und den Sold der Bursche in Em¬
pfang nahmen. Bald machte man die unerfreuliche Entdeckung, daß diese
"Squadre" bei Weitem weniger Mannschaften zählten, als ihre Häuptlinge
(die jetzt den Titel von Obersten und Majorem führten) in den Listen aufzu¬
führen für gut befunden hatten, und daß in Folge dieser falschen Listen der
Staat fast 4000 Mann mit 3 Tari täglich besoldete, welche gar nicht existirten
-- eine Ausgabe von etwa 2000 Gulden C. M. täglich, die lediglich in die
Taschen jener cpaulettentragenden Diebe am öffentlichen Vermögen floß. Daß
diese Betrügerei geraume Zeit fortdauern konnte, war dadurch ermöglicht, daß
die, welche damals den Kassen vorstanden, entweder betheiligt oder zu wenig
energisch waren, den Bandenführern das Handwerk zu legen. Endlich wurden
diese Vaterlandsvertheidiger, welche sich in den Wohnungen der entwichnen
Neapolitaner und in den Kasernen so bequem eingerichtet, als dächten sie für
ewig zu bleiben, denn doch aufmerksam gemacht, daß ihre Familien sich nach
ihnen sehnen und die Bestellung ihrer Grundstücke ihre Anwesenheit in der
Heimath erfordern möchte. Man zahlte ihnen eine Omnia Reisegeld (3 Rthlr.
10 Sgr.) und hieß sie sich auf den Heimweg machen. Sie nahmen das Geld,
blieben aber und zogen, bewaffnet zusammenhaltend, in Palermo und dessen
Nachbarschaft umher, führten trotzige Reden und versuchten gelegentlich Dieb¬
stähle und Raubanfälle. Zuletzt wurden die Bürger des Gesindels überdrüssig,
es kam zu einem Gefecht mit der Nationalgarde, und auf deren Verlangen
wurde die Austreibung der Squadre verfügt, die trotz der Einwendungen ihrer
Häuptlinge, deren tägliche Einnahmen dadurch verkürzt wurden, zum Vollzug
kam. Dieser traurige Zustand hatte volle vier Monate gedauert und den Staat
um mehr als 160,000 Thlr. gebracht.

In welchem Zustand sich unter solchen Verhältnissen die Finanzen befan¬
den, kann man sich vorstellen. Man rechnete, daß die Armee damals täglich
20,000 Thlr. brauchte, während den Finanzen in einem halben Monat nicht
so viel zufloß. Die Aufforderungen der Negierung zu freiwilligen Opfern auf
dem Altar des Vaterlandes brachten nur Unbedeutendes ein, obwol man die
Namen der Geber zu veröffentlichen verheißen hatte. Eine außerordentliche
Steuer auf Fenster und Thüren, sowie eine dreifache Gcwerbstaxe auf alle
Handelsleute wurde so schläfrig entrichtet, daß man Zwangsmaßregeln verhängen
mußte, worauf alle Welt protestirte. Um eine Anleihe zu Stande zu bringen,
nahm man den Kirchen ihr überflüssiges Silber und bot es den Capitalisten
als Pfand an. Wenige willigten ein. Da hieß man die Bank ihre Baar-
zahlungen einstellen, ließ die darin befindlichen Privatgelder auf Rechnung des
Schatzes schreiben und legte den Werth derselben in den erwähnten Kirchen¬
geräthen in den Gewölben der Bank nieder. Auch mit dieser Summe würde


mit hohen Officiersstellen bedacht wurden und den Sold der Bursche in Em¬
pfang nahmen. Bald machte man die unerfreuliche Entdeckung, daß diese
„Squadre" bei Weitem weniger Mannschaften zählten, als ihre Häuptlinge
(die jetzt den Titel von Obersten und Majorem führten) in den Listen aufzu¬
führen für gut befunden hatten, und daß in Folge dieser falschen Listen der
Staat fast 4000 Mann mit 3 Tari täglich besoldete, welche gar nicht existirten
— eine Ausgabe von etwa 2000 Gulden C. M. täglich, die lediglich in die
Taschen jener cpaulettentragenden Diebe am öffentlichen Vermögen floß. Daß
diese Betrügerei geraume Zeit fortdauern konnte, war dadurch ermöglicht, daß
die, welche damals den Kassen vorstanden, entweder betheiligt oder zu wenig
energisch waren, den Bandenführern das Handwerk zu legen. Endlich wurden
diese Vaterlandsvertheidiger, welche sich in den Wohnungen der entwichnen
Neapolitaner und in den Kasernen so bequem eingerichtet, als dächten sie für
ewig zu bleiben, denn doch aufmerksam gemacht, daß ihre Familien sich nach
ihnen sehnen und die Bestellung ihrer Grundstücke ihre Anwesenheit in der
Heimath erfordern möchte. Man zahlte ihnen eine Omnia Reisegeld (3 Rthlr.
10 Sgr.) und hieß sie sich auf den Heimweg machen. Sie nahmen das Geld,
blieben aber und zogen, bewaffnet zusammenhaltend, in Palermo und dessen
Nachbarschaft umher, führten trotzige Reden und versuchten gelegentlich Dieb¬
stähle und Raubanfälle. Zuletzt wurden die Bürger des Gesindels überdrüssig,
es kam zu einem Gefecht mit der Nationalgarde, und auf deren Verlangen
wurde die Austreibung der Squadre verfügt, die trotz der Einwendungen ihrer
Häuptlinge, deren tägliche Einnahmen dadurch verkürzt wurden, zum Vollzug
kam. Dieser traurige Zustand hatte volle vier Monate gedauert und den Staat
um mehr als 160,000 Thlr. gebracht.

In welchem Zustand sich unter solchen Verhältnissen die Finanzen befan¬
den, kann man sich vorstellen. Man rechnete, daß die Armee damals täglich
20,000 Thlr. brauchte, während den Finanzen in einem halben Monat nicht
so viel zufloß. Die Aufforderungen der Negierung zu freiwilligen Opfern auf
dem Altar des Vaterlandes brachten nur Unbedeutendes ein, obwol man die
Namen der Geber zu veröffentlichen verheißen hatte. Eine außerordentliche
Steuer auf Fenster und Thüren, sowie eine dreifache Gcwerbstaxe auf alle
Handelsleute wurde so schläfrig entrichtet, daß man Zwangsmaßregeln verhängen
mußte, worauf alle Welt protestirte. Um eine Anleihe zu Stande zu bringen,
nahm man den Kirchen ihr überflüssiges Silber und bot es den Capitalisten
als Pfand an. Wenige willigten ein. Da hieß man die Bank ihre Baar-
zahlungen einstellen, ließ die darin befindlichen Privatgelder auf Rechnung des
Schatzes schreiben und legte den Werth derselben in den erwähnten Kirchen¬
geräthen in den Gewölben der Bank nieder. Auch mit dieser Summe würde


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109877"/>
          <p xml:id="ID_157" prev="#ID_156"> mit hohen Officiersstellen bedacht wurden und den Sold der Bursche in Em¬<lb/>
pfang nahmen. Bald machte man die unerfreuliche Entdeckung, daß diese<lb/>
&#x201E;Squadre" bei Weitem weniger Mannschaften zählten, als ihre Häuptlinge<lb/>
(die jetzt den Titel von Obersten und Majorem führten) in den Listen aufzu¬<lb/>
führen für gut befunden hatten, und daß in Folge dieser falschen Listen der<lb/>
Staat fast 4000 Mann mit 3 Tari täglich besoldete, welche gar nicht existirten<lb/>
&#x2014; eine Ausgabe von etwa 2000 Gulden C. M. täglich, die lediglich in die<lb/>
Taschen jener cpaulettentragenden Diebe am öffentlichen Vermögen floß. Daß<lb/>
diese Betrügerei geraume Zeit fortdauern konnte, war dadurch ermöglicht, daß<lb/>
die, welche damals den Kassen vorstanden, entweder betheiligt oder zu wenig<lb/>
energisch waren, den Bandenführern das Handwerk zu legen. Endlich wurden<lb/>
diese Vaterlandsvertheidiger, welche sich in den Wohnungen der entwichnen<lb/>
Neapolitaner und in den Kasernen so bequem eingerichtet, als dächten sie für<lb/>
ewig zu bleiben, denn doch aufmerksam gemacht, daß ihre Familien sich nach<lb/>
ihnen sehnen und die Bestellung ihrer Grundstücke ihre Anwesenheit in der<lb/>
Heimath erfordern möchte. Man zahlte ihnen eine Omnia Reisegeld (3 Rthlr.<lb/>
10 Sgr.) und hieß sie sich auf den Heimweg machen. Sie nahmen das Geld,<lb/>
blieben aber und zogen, bewaffnet zusammenhaltend, in Palermo und dessen<lb/>
Nachbarschaft umher, führten trotzige Reden und versuchten gelegentlich Dieb¬<lb/>
stähle und Raubanfälle. Zuletzt wurden die Bürger des Gesindels überdrüssig,<lb/>
es kam zu einem Gefecht mit der Nationalgarde, und auf deren Verlangen<lb/>
wurde die Austreibung der Squadre verfügt, die trotz der Einwendungen ihrer<lb/>
Häuptlinge, deren tägliche Einnahmen dadurch verkürzt wurden, zum Vollzug<lb/>
kam. Dieser traurige Zustand hatte volle vier Monate gedauert und den Staat<lb/>
um mehr als 160,000 Thlr. gebracht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_158" next="#ID_159"> In welchem Zustand sich unter solchen Verhältnissen die Finanzen befan¬<lb/>
den, kann man sich vorstellen. Man rechnete, daß die Armee damals täglich<lb/>
20,000 Thlr. brauchte, während den Finanzen in einem halben Monat nicht<lb/>
so viel zufloß. Die Aufforderungen der Negierung zu freiwilligen Opfern auf<lb/>
dem Altar des Vaterlandes brachten nur Unbedeutendes ein, obwol man die<lb/>
Namen der Geber zu veröffentlichen verheißen hatte. Eine außerordentliche<lb/>
Steuer auf Fenster und Thüren, sowie eine dreifache Gcwerbstaxe auf alle<lb/>
Handelsleute wurde so schläfrig entrichtet, daß man Zwangsmaßregeln verhängen<lb/>
mußte, worauf alle Welt protestirte. Um eine Anleihe zu Stande zu bringen,<lb/>
nahm man den Kirchen ihr überflüssiges Silber und bot es den Capitalisten<lb/>
als Pfand an. Wenige willigten ein. Da hieß man die Bank ihre Baar-<lb/>
zahlungen einstellen, ließ die darin befindlichen Privatgelder auf Rechnung des<lb/>
Schatzes schreiben und legte den Werth derselben in den erwähnten Kirchen¬<lb/>
geräthen in den Gewölben der Bank nieder.  Auch mit dieser Summe würde</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0071] mit hohen Officiersstellen bedacht wurden und den Sold der Bursche in Em¬ pfang nahmen. Bald machte man die unerfreuliche Entdeckung, daß diese „Squadre" bei Weitem weniger Mannschaften zählten, als ihre Häuptlinge (die jetzt den Titel von Obersten und Majorem führten) in den Listen aufzu¬ führen für gut befunden hatten, und daß in Folge dieser falschen Listen der Staat fast 4000 Mann mit 3 Tari täglich besoldete, welche gar nicht existirten — eine Ausgabe von etwa 2000 Gulden C. M. täglich, die lediglich in die Taschen jener cpaulettentragenden Diebe am öffentlichen Vermögen floß. Daß diese Betrügerei geraume Zeit fortdauern konnte, war dadurch ermöglicht, daß die, welche damals den Kassen vorstanden, entweder betheiligt oder zu wenig energisch waren, den Bandenführern das Handwerk zu legen. Endlich wurden diese Vaterlandsvertheidiger, welche sich in den Wohnungen der entwichnen Neapolitaner und in den Kasernen so bequem eingerichtet, als dächten sie für ewig zu bleiben, denn doch aufmerksam gemacht, daß ihre Familien sich nach ihnen sehnen und die Bestellung ihrer Grundstücke ihre Anwesenheit in der Heimath erfordern möchte. Man zahlte ihnen eine Omnia Reisegeld (3 Rthlr. 10 Sgr.) und hieß sie sich auf den Heimweg machen. Sie nahmen das Geld, blieben aber und zogen, bewaffnet zusammenhaltend, in Palermo und dessen Nachbarschaft umher, führten trotzige Reden und versuchten gelegentlich Dieb¬ stähle und Raubanfälle. Zuletzt wurden die Bürger des Gesindels überdrüssig, es kam zu einem Gefecht mit der Nationalgarde, und auf deren Verlangen wurde die Austreibung der Squadre verfügt, die trotz der Einwendungen ihrer Häuptlinge, deren tägliche Einnahmen dadurch verkürzt wurden, zum Vollzug kam. Dieser traurige Zustand hatte volle vier Monate gedauert und den Staat um mehr als 160,000 Thlr. gebracht. In welchem Zustand sich unter solchen Verhältnissen die Finanzen befan¬ den, kann man sich vorstellen. Man rechnete, daß die Armee damals täglich 20,000 Thlr. brauchte, während den Finanzen in einem halben Monat nicht so viel zufloß. Die Aufforderungen der Negierung zu freiwilligen Opfern auf dem Altar des Vaterlandes brachten nur Unbedeutendes ein, obwol man die Namen der Geber zu veröffentlichen verheißen hatte. Eine außerordentliche Steuer auf Fenster und Thüren, sowie eine dreifache Gcwerbstaxe auf alle Handelsleute wurde so schläfrig entrichtet, daß man Zwangsmaßregeln verhängen mußte, worauf alle Welt protestirte. Um eine Anleihe zu Stande zu bringen, nahm man den Kirchen ihr überflüssiges Silber und bot es den Capitalisten als Pfand an. Wenige willigten ein. Da hieß man die Bank ihre Baar- zahlungen einstellen, ließ die darin befindlichen Privatgelder auf Rechnung des Schatzes schreiben und legte den Werth derselben in den erwähnten Kirchen¬ geräthen in den Gewölben der Bank nieder. Auch mit dieser Summe würde

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/71
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/71>, abgerufen am 24.07.2024.