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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Criminaluntersuchung vom Criminalgericht fortzuführen, und damit den An¬
geschuldigten wesentlich in Nachtheil gebracht. Der gesetzlich vorgeschriebene
siscalische Proceß, der sich in den Formen des Civilprotesses bewegt und öffent¬
liche Anklage und Vertheidigung in sich schließt, würde dem Angeklagten eine
sehr bedeutend bessere Stellung gewahren, als das geheime Verfahren des ge¬
wöhnlichen Criiniualprocesses. Nun mag zwar die Heibergsche Sache nach dä¬
nischen Urtheil sehr wenig angethan sein, sich öffentlich sehn zu lassen, nichts
desto weniger aber ist das Belieben der Regierung eine Abweichung vom Gesetz
und somit unheilbar nichtig.

Das Appellationsgericht hat dies bisher nicht ins Auge gefaßt. Als Hei¬
berg sich in seiner Beschwerde vom 27. Februar auf das Gesetz berief, um die
Fortsetzung des Criminalverfahrens abzuwenden, antwortete es, der Magistrat
als Unterbricht habe zu beschließen, in welchen Formen die Untersuchung fort¬
zuführen, oder die Sache dem Ministerium vorzulegen. Es konnte damit nicht
meinen, daß letzterem die endgiltige Entscheidung zustehe, es wollte nur der
Entscheidung des Untergerichts nicht vorgreifen, Wenn dieses die Acten dem
Ministerium zusandte und ans die damit verbundene Frage, in welcher Form
der Prozeß weiterzuführen sei, die Antwort erhielt, in der des gewöhnlichen
Criminalproccsses, so war dies ein bloßer Wunsch, über dessen Erfüllung das
Kriminalgericht Beschluß zu fassen hatte stüva suxMeatione an das Appellations¬
gericht.

Eine andere Verletzung der Gesetze liegt in folgendem vor. K. 9 der Ver¬
fassung Schleswigs sagt, daß ein Conflict zwischen den Gerichten und den Ver¬
waltungsbehörden durch den Staatsrath entschieden werden solle. Das Ministe¬
rium aber hat, von Heiberg um Wiedereröffnung seines Geschäfts angegangen,
statt den in der Sache zu Tage getretner Conflict zwischen dem Appellationsgericht
und der Schleswiger Polizei an den Staatsrath zu bringen, den Fall dem Got-
torfer Amthause, einer untergeordneten Adininistratiobehörde, zur Entscheidung
übergeben. Der Amtmann, eingeschüchtert durch den Polizeimeister und über¬
dies von der kopenhagner Presse deutscher Sympathien verdächtigt, wagte nicht,
sich für Hebung der Siegel zu erklären. Er äußerte sich dahin, daß der Staat
Anspruch auf polizeilichen Schutz gegen den Buchhandel habe, und daß Heibergs
Geschäft deshalb unter polizeilicher Aufsicht stehe, wobei er nicht bedachte, daß
die Aussicht einen Betrieb des Geschäfts voraussetzt, und daß, wo ein Geschäft
geschlossen und versiegelt ist, eben nicht beaufsichtigt werden kann, ganz ab¬
gesehn davon, daß die Thätigkeit der Polizei für solche Fälle dnrch die eben
angeführte Verordnung vom 10. März 1848, die nichts von Geschüftsschließung
we>ß. näher festgestellt ist.

Der Amtmann nahm in seinem Bescheid vom 31. Mai Bezug auf eine
Verordnung von 1803, nach welcher der Buchhandel unter polizeilicher Aufsicht


Criminaluntersuchung vom Criminalgericht fortzuführen, und damit den An¬
geschuldigten wesentlich in Nachtheil gebracht. Der gesetzlich vorgeschriebene
siscalische Proceß, der sich in den Formen des Civilprotesses bewegt und öffent¬
liche Anklage und Vertheidigung in sich schließt, würde dem Angeklagten eine
sehr bedeutend bessere Stellung gewahren, als das geheime Verfahren des ge¬
wöhnlichen Criiniualprocesses. Nun mag zwar die Heibergsche Sache nach dä¬
nischen Urtheil sehr wenig angethan sein, sich öffentlich sehn zu lassen, nichts
desto weniger aber ist das Belieben der Regierung eine Abweichung vom Gesetz
und somit unheilbar nichtig.

Das Appellationsgericht hat dies bisher nicht ins Auge gefaßt. Als Hei¬
berg sich in seiner Beschwerde vom 27. Februar auf das Gesetz berief, um die
Fortsetzung des Criminalverfahrens abzuwenden, antwortete es, der Magistrat
als Unterbricht habe zu beschließen, in welchen Formen die Untersuchung fort¬
zuführen, oder die Sache dem Ministerium vorzulegen. Es konnte damit nicht
meinen, daß letzterem die endgiltige Entscheidung zustehe, es wollte nur der
Entscheidung des Untergerichts nicht vorgreifen, Wenn dieses die Acten dem
Ministerium zusandte und ans die damit verbundene Frage, in welcher Form
der Prozeß weiterzuführen sei, die Antwort erhielt, in der des gewöhnlichen
Criminalproccsses, so war dies ein bloßer Wunsch, über dessen Erfüllung das
Kriminalgericht Beschluß zu fassen hatte stüva suxMeatione an das Appellations¬
gericht.

Eine andere Verletzung der Gesetze liegt in folgendem vor. K. 9 der Ver¬
fassung Schleswigs sagt, daß ein Conflict zwischen den Gerichten und den Ver¬
waltungsbehörden durch den Staatsrath entschieden werden solle. Das Ministe¬
rium aber hat, von Heiberg um Wiedereröffnung seines Geschäfts angegangen,
statt den in der Sache zu Tage getretner Conflict zwischen dem Appellationsgericht
und der Schleswiger Polizei an den Staatsrath zu bringen, den Fall dem Got-
torfer Amthause, einer untergeordneten Adininistratiobehörde, zur Entscheidung
übergeben. Der Amtmann, eingeschüchtert durch den Polizeimeister und über¬
dies von der kopenhagner Presse deutscher Sympathien verdächtigt, wagte nicht,
sich für Hebung der Siegel zu erklären. Er äußerte sich dahin, daß der Staat
Anspruch auf polizeilichen Schutz gegen den Buchhandel habe, und daß Heibergs
Geschäft deshalb unter polizeilicher Aufsicht stehe, wobei er nicht bedachte, daß
die Aussicht einen Betrieb des Geschäfts voraussetzt, und daß, wo ein Geschäft
geschlossen und versiegelt ist, eben nicht beaufsichtigt werden kann, ganz ab¬
gesehn davon, daß die Thätigkeit der Polizei für solche Fälle dnrch die eben
angeführte Verordnung vom 10. März 1848, die nichts von Geschüftsschließung
we>ß. näher festgestellt ist.

Der Amtmann nahm in seinem Bescheid vom 31. Mai Bezug auf eine
Verordnung von 1803, nach welcher der Buchhandel unter polizeilicher Aufsicht


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[0507] Criminaluntersuchung vom Criminalgericht fortzuführen, und damit den An¬ geschuldigten wesentlich in Nachtheil gebracht. Der gesetzlich vorgeschriebene siscalische Proceß, der sich in den Formen des Civilprotesses bewegt und öffent¬ liche Anklage und Vertheidigung in sich schließt, würde dem Angeklagten eine sehr bedeutend bessere Stellung gewahren, als das geheime Verfahren des ge¬ wöhnlichen Criiniualprocesses. Nun mag zwar die Heibergsche Sache nach dä¬ nischen Urtheil sehr wenig angethan sein, sich öffentlich sehn zu lassen, nichts desto weniger aber ist das Belieben der Regierung eine Abweichung vom Gesetz und somit unheilbar nichtig. Das Appellationsgericht hat dies bisher nicht ins Auge gefaßt. Als Hei¬ berg sich in seiner Beschwerde vom 27. Februar auf das Gesetz berief, um die Fortsetzung des Criminalverfahrens abzuwenden, antwortete es, der Magistrat als Unterbricht habe zu beschließen, in welchen Formen die Untersuchung fort¬ zuführen, oder die Sache dem Ministerium vorzulegen. Es konnte damit nicht meinen, daß letzterem die endgiltige Entscheidung zustehe, es wollte nur der Entscheidung des Untergerichts nicht vorgreifen, Wenn dieses die Acten dem Ministerium zusandte und ans die damit verbundene Frage, in welcher Form der Prozeß weiterzuführen sei, die Antwort erhielt, in der des gewöhnlichen Criminalproccsses, so war dies ein bloßer Wunsch, über dessen Erfüllung das Kriminalgericht Beschluß zu fassen hatte stüva suxMeatione an das Appellations¬ gericht. Eine andere Verletzung der Gesetze liegt in folgendem vor. K. 9 der Ver¬ fassung Schleswigs sagt, daß ein Conflict zwischen den Gerichten und den Ver¬ waltungsbehörden durch den Staatsrath entschieden werden solle. Das Ministe¬ rium aber hat, von Heiberg um Wiedereröffnung seines Geschäfts angegangen, statt den in der Sache zu Tage getretner Conflict zwischen dem Appellationsgericht und der Schleswiger Polizei an den Staatsrath zu bringen, den Fall dem Got- torfer Amthause, einer untergeordneten Adininistratiobehörde, zur Entscheidung übergeben. Der Amtmann, eingeschüchtert durch den Polizeimeister und über¬ dies von der kopenhagner Presse deutscher Sympathien verdächtigt, wagte nicht, sich für Hebung der Siegel zu erklären. Er äußerte sich dahin, daß der Staat Anspruch auf polizeilichen Schutz gegen den Buchhandel habe, und daß Heibergs Geschäft deshalb unter polizeilicher Aufsicht stehe, wobei er nicht bedachte, daß die Aussicht einen Betrieb des Geschäfts voraussetzt, und daß, wo ein Geschäft geschlossen und versiegelt ist, eben nicht beaufsichtigt werden kann, ganz ab¬ gesehn davon, daß die Thätigkeit der Polizei für solche Fälle dnrch die eben angeführte Verordnung vom 10. März 1848, die nichts von Geschüftsschließung we>ß. näher festgestellt ist. Der Amtmann nahm in seinem Bescheid vom 31. Mai Bezug auf eine Verordnung von 1803, nach welcher der Buchhandel unter polizeilicher Aufsicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/507>, abgerufen am 24.07.2024.