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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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darüber Beschwerde geführt, daß diese Angelegenheit als Criminalsache behan¬
delt worden, da nach jener Verordnung das Ministerium angewiesen sei, ans
den Bericht des Polizeimeisters wegen einer von ihm als gefährlich angehal¬
tenen (bisher nicht verbotenen) Schrift, die Beschlagnahme entweder aufzuhe¬
ben oder zu bestätigen und im letzteren Fall, wenn der Bethätigte es verlange
oder die Regierung ein Strafverfahren für nothwendig erachte, dein Obersach¬
walter lStanlsanwo.le) Auftrag zur Erhebung einer fiscalischen Klage vor dem
competenten Gericht zu ertheilen. Bei der Natur des fiscalischen Processes er¬
gebe sich erst bei Anstellung der Klage, ob eine Criminalsache vorliege, bis
dahin könne also von einem Criminalversahren nicht die Rede sein, und so
sei denn auch der über Heiberg und seinen Geschäftsführer verhängte Stadt¬
arrest aufzuheben.

Das Appellationsgericht erforderte unverzüglich Bericht vom Schleswiger
Magistrat, es erfolgte die Vernehmung des itzehoer Druckers, dieselbe bestätigte
die Aussagen Heibergs, und darauf kam von Flensburg der Bescheid: 1)
Nach den cinberichteten Umständen sei kein Grund vorhanden, die Schließung
der Heibergschen Buchhandlung fortbestehen zu lassen und es werde demnach
dem Magistrat ausgegeben, dieselbe ohne Verzug gerichtlich entsiegeln zu lassen;
2) Zur Aufhebung des über deu Bittsteller decretirten Stadtarrests habe man
keine genügende Veranlassung gesunden; 3) Hinsichtlich der Frage, ob die
Sache im Wege des fiscalischen Processes oder in Form einer allgemeinen
criminellen Untersuchung fortzuführen, müsse es dem Magistrat überlassen blei¬
ben, das Erforderliche wahrzunehmen oder nach Befinden die Angelegenheit
dem Ministerium vorzulegen.

Inzwischen hatte der Magistrat schon um 2O., als ihm die Beschwerde¬
schrift Heibergs vom Appellationsgericht zur Beantwortung zugegangen, der
Untersuchung eine neue Wendung gegeben, indem er Heiberg vorlud und ihm
erklärte, da er sich durch Verbreitung der Adresse eines politischen Verbrechens
schuldig gemacht, so sei er der Amnestie von 135t verlustig und die Untersu¬
chung müsse nun auf sein Verhalten während des "Aufruhrs" von 1843 aus¬
gedehnt werden. Zu gleicher Zeit zeigte man ihm einen Brief aus dem ge¬
dachten Jahr, in welchem die Worte standen, "der Feind steht bereits auf
unserm Boden," und fragte, wen er mit diesem Feind gemeint habe. Schlie߬
lich bemerkte man ihm, daß nun auch eine Durchsicht seiner Privatpapiere
stattfinden werde. Als er sich vom Verhör nach Hause begab, folgte ihm der
Pvlizeimeister ans dem Fuße, trat mit ihm zugleich ins Zimmer und beschul¬
digte ihn, hinemgeeilt zu sein, um verdächtige Papiere in Sicherheit zu brin¬
gen. Vergeblich wendete Heiberg ein, daß er nur gegangen, um seine Frau
aus den neuen Schreck vorzubereiten, und als er, gegen die Durchsuchung sei¬
ner Puvatpapiere protestirend, erklärte, sich desfalls an das Appellations-


darüber Beschwerde geführt, daß diese Angelegenheit als Criminalsache behan¬
delt worden, da nach jener Verordnung das Ministerium angewiesen sei, ans
den Bericht des Polizeimeisters wegen einer von ihm als gefährlich angehal¬
tenen (bisher nicht verbotenen) Schrift, die Beschlagnahme entweder aufzuhe¬
ben oder zu bestätigen und im letzteren Fall, wenn der Bethätigte es verlange
oder die Regierung ein Strafverfahren für nothwendig erachte, dein Obersach¬
walter lStanlsanwo.le) Auftrag zur Erhebung einer fiscalischen Klage vor dem
competenten Gericht zu ertheilen. Bei der Natur des fiscalischen Processes er¬
gebe sich erst bei Anstellung der Klage, ob eine Criminalsache vorliege, bis
dahin könne also von einem Criminalversahren nicht die Rede sein, und so
sei denn auch der über Heiberg und seinen Geschäftsführer verhängte Stadt¬
arrest aufzuheben.

Das Appellationsgericht erforderte unverzüglich Bericht vom Schleswiger
Magistrat, es erfolgte die Vernehmung des itzehoer Druckers, dieselbe bestätigte
die Aussagen Heibergs, und darauf kam von Flensburg der Bescheid: 1)
Nach den cinberichteten Umständen sei kein Grund vorhanden, die Schließung
der Heibergschen Buchhandlung fortbestehen zu lassen und es werde demnach
dem Magistrat ausgegeben, dieselbe ohne Verzug gerichtlich entsiegeln zu lassen;
2) Zur Aufhebung des über deu Bittsteller decretirten Stadtarrests habe man
keine genügende Veranlassung gesunden; 3) Hinsichtlich der Frage, ob die
Sache im Wege des fiscalischen Processes oder in Form einer allgemeinen
criminellen Untersuchung fortzuführen, müsse es dem Magistrat überlassen blei¬
ben, das Erforderliche wahrzunehmen oder nach Befinden die Angelegenheit
dem Ministerium vorzulegen.

Inzwischen hatte der Magistrat schon um 2O., als ihm die Beschwerde¬
schrift Heibergs vom Appellationsgericht zur Beantwortung zugegangen, der
Untersuchung eine neue Wendung gegeben, indem er Heiberg vorlud und ihm
erklärte, da er sich durch Verbreitung der Adresse eines politischen Verbrechens
schuldig gemacht, so sei er der Amnestie von 135t verlustig und die Untersu¬
chung müsse nun auf sein Verhalten während des „Aufruhrs" von 1843 aus¬
gedehnt werden. Zu gleicher Zeit zeigte man ihm einen Brief aus dem ge¬
dachten Jahr, in welchem die Worte standen, „der Feind steht bereits auf
unserm Boden," und fragte, wen er mit diesem Feind gemeint habe. Schlie߬
lich bemerkte man ihm, daß nun auch eine Durchsicht seiner Privatpapiere
stattfinden werde. Als er sich vom Verhör nach Hause begab, folgte ihm der
Pvlizeimeister ans dem Fuße, trat mit ihm zugleich ins Zimmer und beschul¬
digte ihn, hinemgeeilt zu sein, um verdächtige Papiere in Sicherheit zu brin¬
gen. Vergeblich wendete Heiberg ein, daß er nur gegangen, um seine Frau
aus den neuen Schreck vorzubereiten, und als er, gegen die Durchsuchung sei¬
ner Puvatpapiere protestirend, erklärte, sich desfalls an das Appellations-


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[0502] darüber Beschwerde geführt, daß diese Angelegenheit als Criminalsache behan¬ delt worden, da nach jener Verordnung das Ministerium angewiesen sei, ans den Bericht des Polizeimeisters wegen einer von ihm als gefährlich angehal¬ tenen (bisher nicht verbotenen) Schrift, die Beschlagnahme entweder aufzuhe¬ ben oder zu bestätigen und im letzteren Fall, wenn der Bethätigte es verlange oder die Regierung ein Strafverfahren für nothwendig erachte, dein Obersach¬ walter lStanlsanwo.le) Auftrag zur Erhebung einer fiscalischen Klage vor dem competenten Gericht zu ertheilen. Bei der Natur des fiscalischen Processes er¬ gebe sich erst bei Anstellung der Klage, ob eine Criminalsache vorliege, bis dahin könne also von einem Criminalversahren nicht die Rede sein, und so sei denn auch der über Heiberg und seinen Geschäftsführer verhängte Stadt¬ arrest aufzuheben. Das Appellationsgericht erforderte unverzüglich Bericht vom Schleswiger Magistrat, es erfolgte die Vernehmung des itzehoer Druckers, dieselbe bestätigte die Aussagen Heibergs, und darauf kam von Flensburg der Bescheid: 1) Nach den cinberichteten Umständen sei kein Grund vorhanden, die Schließung der Heibergschen Buchhandlung fortbestehen zu lassen und es werde demnach dem Magistrat ausgegeben, dieselbe ohne Verzug gerichtlich entsiegeln zu lassen; 2) Zur Aufhebung des über deu Bittsteller decretirten Stadtarrests habe man keine genügende Veranlassung gesunden; 3) Hinsichtlich der Frage, ob die Sache im Wege des fiscalischen Processes oder in Form einer allgemeinen criminellen Untersuchung fortzuführen, müsse es dem Magistrat überlassen blei¬ ben, das Erforderliche wahrzunehmen oder nach Befinden die Angelegenheit dem Ministerium vorzulegen. Inzwischen hatte der Magistrat schon um 2O., als ihm die Beschwerde¬ schrift Heibergs vom Appellationsgericht zur Beantwortung zugegangen, der Untersuchung eine neue Wendung gegeben, indem er Heiberg vorlud und ihm erklärte, da er sich durch Verbreitung der Adresse eines politischen Verbrechens schuldig gemacht, so sei er der Amnestie von 135t verlustig und die Untersu¬ chung müsse nun auf sein Verhalten während des „Aufruhrs" von 1843 aus¬ gedehnt werden. Zu gleicher Zeit zeigte man ihm einen Brief aus dem ge¬ dachten Jahr, in welchem die Worte standen, „der Feind steht bereits auf unserm Boden," und fragte, wen er mit diesem Feind gemeint habe. Schlie߬ lich bemerkte man ihm, daß nun auch eine Durchsicht seiner Privatpapiere stattfinden werde. Als er sich vom Verhör nach Hause begab, folgte ihm der Pvlizeimeister ans dem Fuße, trat mit ihm zugleich ins Zimmer und beschul¬ digte ihn, hinemgeeilt zu sein, um verdächtige Papiere in Sicherheit zu brin¬ gen. Vergeblich wendete Heiberg ein, daß er nur gegangen, um seine Frau aus den neuen Schreck vorzubereiten, und als er, gegen die Durchsuchung sei¬ ner Puvatpapiere protestirend, erklärte, sich desfalls an das Appellations-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/502>, abgerufen am 24.07.2024.