Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

im Wege war, durch allerlei Chicanen unterdrückt, die Errichtung andrer durch
lästige Bedingungen gehindert. In der großen Realschule ist gegen den aus¬
drücklichen Wortlaut das Dänische eingeschwärzt worden und zwar in dem
Maße, daß die in dieser Sprache ertheilten Unterrichtsstunden sich zu den deut¬
schen wie 21 zu 8 verhalten. Der Zweck ist, ein deutschredendes Volk in ein
dänischredendes umzumodeln. Der Erfolg ist, daß die Kinder eine Sprache
lernen, die ihnen wenig, in den meisten Fällen gar nichts nützt, und daß,
namentlich auf dem Lande, eine zuchtlose Jugend heranwächst, welche außer
nothdürftigen Schreiben und Rechnen nur etwas dänisch Lesen und einige
dänische Phrasen auswendig lernt, die binnen wenigen Jahren vergessen werden.

Nach dem wiederholt erwähnten Rescript soll der Gottesdienst in den
Kirchen der sogenannten gemischten Districte einen Sonntag um den andern
dänisch sein, obgleich die Bevölkerung selbst in den wenigen Dörfern, die vor¬
wiegend plattdänisch reden, eine im kopenhagner Dänisch gehaltene Predigt
nur zum kleinsten Theil, eine hochdeutsche dagegen vollkommen gut versteht.
Die Folge ist, daß die Gotteshäuser an den dänischen Sonntagen nur von
den Angehörigen der Geistlichen, Gensdarmen und Schullehrern besucht siud
oder ganz leer stehn, daß die Geistlichen, die sich zu diesem schandbaren
Spiel mit dem Heiligsten hergeben, auf das Tiefste verachtet und gehaßt
und somit auch außer Stand sind, den Pflichten der Seelsorge nachzukommen.
Diese Herren, die, wie es scheint, kein Gefühl für die Schande haben, die sie
ihrem Stande durch solche Willfährigkeit gegen ein kirchenschänderisches Re¬
giment machen, und keinen Begriff von dem Schaden, den sie damit ihrer
Kirche zufügen, entschädigen sich für den Abscheu, mit dem man ihnen nuper
holen begegnet, durch Gelage mit Ihresgleichen, mit dänischen Beamten und
Officieren und suchen im Uebrigen das. was in der Kirche nicht gelingt, durch
Schleichwege im Weltleben zu erreichen. Ein Beispiel dafür mag genügen.
In Grundhof wurde vom Pastor die Errichtung einer Spar- und Leihkasse
vorgeschlagen, und die Bauern gingen darauf ein. Bei Verlesung der Sta¬
tuten hatte sich ein Passus eingeschlichen, durch welchen der Förderung der
dänischen Sprache ein Vorzug eingeräumt wurde. Derselbe wurde, da der
Pcistor ihn schneller als das Andere ablas, anfänglich übersehn. Indeß, der
Angler ist vorsichtig, zumal im Verkehr mit seinen dänischen Geistlichen. Man
sah sich das Papier noch einmal an, entdeckte den schlich, forderte kategorisch
die Ausmerzung der betreffenden Stelle, und formulirte, als dies verweigert
wurde und der Pastor seinen Austritt erklärte, die Statuten so, wie die Ge¬
meinde sie haben wollte.

Wie wenig übertrieben die Schilderungen der Zustände sind, welche aus
dieser Vergewaltigung der deutschen Schleswiger in Schule und Kirche sich
entwickelt haben, mag uns ein unverwerflicher Zeuge, der Präsident der letzten


im Wege war, durch allerlei Chicanen unterdrückt, die Errichtung andrer durch
lästige Bedingungen gehindert. In der großen Realschule ist gegen den aus¬
drücklichen Wortlaut das Dänische eingeschwärzt worden und zwar in dem
Maße, daß die in dieser Sprache ertheilten Unterrichtsstunden sich zu den deut¬
schen wie 21 zu 8 verhalten. Der Zweck ist, ein deutschredendes Volk in ein
dänischredendes umzumodeln. Der Erfolg ist, daß die Kinder eine Sprache
lernen, die ihnen wenig, in den meisten Fällen gar nichts nützt, und daß,
namentlich auf dem Lande, eine zuchtlose Jugend heranwächst, welche außer
nothdürftigen Schreiben und Rechnen nur etwas dänisch Lesen und einige
dänische Phrasen auswendig lernt, die binnen wenigen Jahren vergessen werden.

Nach dem wiederholt erwähnten Rescript soll der Gottesdienst in den
Kirchen der sogenannten gemischten Districte einen Sonntag um den andern
dänisch sein, obgleich die Bevölkerung selbst in den wenigen Dörfern, die vor¬
wiegend plattdänisch reden, eine im kopenhagner Dänisch gehaltene Predigt
nur zum kleinsten Theil, eine hochdeutsche dagegen vollkommen gut versteht.
Die Folge ist, daß die Gotteshäuser an den dänischen Sonntagen nur von
den Angehörigen der Geistlichen, Gensdarmen und Schullehrern besucht siud
oder ganz leer stehn, daß die Geistlichen, die sich zu diesem schandbaren
Spiel mit dem Heiligsten hergeben, auf das Tiefste verachtet und gehaßt
und somit auch außer Stand sind, den Pflichten der Seelsorge nachzukommen.
Diese Herren, die, wie es scheint, kein Gefühl für die Schande haben, die sie
ihrem Stande durch solche Willfährigkeit gegen ein kirchenschänderisches Re¬
giment machen, und keinen Begriff von dem Schaden, den sie damit ihrer
Kirche zufügen, entschädigen sich für den Abscheu, mit dem man ihnen nuper
holen begegnet, durch Gelage mit Ihresgleichen, mit dänischen Beamten und
Officieren und suchen im Uebrigen das. was in der Kirche nicht gelingt, durch
Schleichwege im Weltleben zu erreichen. Ein Beispiel dafür mag genügen.
In Grundhof wurde vom Pastor die Errichtung einer Spar- und Leihkasse
vorgeschlagen, und die Bauern gingen darauf ein. Bei Verlesung der Sta¬
tuten hatte sich ein Passus eingeschlichen, durch welchen der Förderung der
dänischen Sprache ein Vorzug eingeräumt wurde. Derselbe wurde, da der
Pcistor ihn schneller als das Andere ablas, anfänglich übersehn. Indeß, der
Angler ist vorsichtig, zumal im Verkehr mit seinen dänischen Geistlichen. Man
sah sich das Papier noch einmal an, entdeckte den schlich, forderte kategorisch
die Ausmerzung der betreffenden Stelle, und formulirte, als dies verweigert
wurde und der Pastor seinen Austritt erklärte, die Statuten so, wie die Ge¬
meinde sie haben wollte.

Wie wenig übertrieben die Schilderungen der Zustände sind, welche aus
dieser Vergewaltigung der deutschen Schleswiger in Schule und Kirche sich
entwickelt haben, mag uns ein unverwerflicher Zeuge, der Präsident der letzten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110270"/>
          <p xml:id="ID_1396" prev="#ID_1395"> im Wege war, durch allerlei Chicanen unterdrückt, die Errichtung andrer durch<lb/>
lästige Bedingungen gehindert. In der großen Realschule ist gegen den aus¬<lb/>
drücklichen Wortlaut das Dänische eingeschwärzt worden und zwar in dem<lb/>
Maße, daß die in dieser Sprache ertheilten Unterrichtsstunden sich zu den deut¬<lb/>
schen wie 21 zu 8 verhalten. Der Zweck ist, ein deutschredendes Volk in ein<lb/>
dänischredendes umzumodeln. Der Erfolg ist, daß die Kinder eine Sprache<lb/>
lernen, die ihnen wenig, in den meisten Fällen gar nichts nützt, und daß,<lb/>
namentlich auf dem Lande, eine zuchtlose Jugend heranwächst, welche außer<lb/>
nothdürftigen Schreiben und Rechnen nur etwas dänisch Lesen und einige<lb/>
dänische Phrasen auswendig lernt, die binnen wenigen Jahren vergessen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1397"> Nach dem wiederholt erwähnten Rescript soll der Gottesdienst in den<lb/>
Kirchen der sogenannten gemischten Districte einen Sonntag um den andern<lb/>
dänisch sein, obgleich die Bevölkerung selbst in den wenigen Dörfern, die vor¬<lb/>
wiegend plattdänisch reden, eine im kopenhagner Dänisch gehaltene Predigt<lb/>
nur zum kleinsten Theil, eine hochdeutsche dagegen vollkommen gut versteht.<lb/>
Die Folge ist, daß die Gotteshäuser an den dänischen Sonntagen nur von<lb/>
den Angehörigen der Geistlichen, Gensdarmen und Schullehrern besucht siud<lb/>
oder ganz leer stehn, daß die Geistlichen, die sich zu diesem schandbaren<lb/>
Spiel mit dem Heiligsten hergeben, auf das Tiefste verachtet und gehaßt<lb/>
und somit auch außer Stand sind, den Pflichten der Seelsorge nachzukommen.<lb/>
Diese Herren, die, wie es scheint, kein Gefühl für die Schande haben, die sie<lb/>
ihrem Stande durch solche Willfährigkeit gegen ein kirchenschänderisches Re¬<lb/>
giment machen, und keinen Begriff von dem Schaden, den sie damit ihrer<lb/>
Kirche zufügen, entschädigen sich für den Abscheu, mit dem man ihnen nuper<lb/>
holen begegnet, durch Gelage mit Ihresgleichen, mit dänischen Beamten und<lb/>
Officieren und suchen im Uebrigen das. was in der Kirche nicht gelingt, durch<lb/>
Schleichwege im Weltleben zu erreichen. Ein Beispiel dafür mag genügen.<lb/>
In Grundhof wurde vom Pastor die Errichtung einer Spar- und Leihkasse<lb/>
vorgeschlagen, und die Bauern gingen darauf ein. Bei Verlesung der Sta¬<lb/>
tuten hatte sich ein Passus eingeschlichen, durch welchen der Förderung der<lb/>
dänischen Sprache ein Vorzug eingeräumt wurde. Derselbe wurde, da der<lb/>
Pcistor ihn schneller als das Andere ablas, anfänglich übersehn. Indeß, der<lb/>
Angler ist vorsichtig, zumal im Verkehr mit seinen dänischen Geistlichen. Man<lb/>
sah sich das Papier noch einmal an, entdeckte den schlich, forderte kategorisch<lb/>
die Ausmerzung der betreffenden Stelle, und formulirte, als dies verweigert<lb/>
wurde und der Pastor seinen Austritt erklärte, die Statuten so, wie die Ge¬<lb/>
meinde sie haben wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1398" next="#ID_1399"> Wie wenig übertrieben die Schilderungen der Zustände sind, welche aus<lb/>
dieser Vergewaltigung der deutschen Schleswiger in Schule und Kirche sich<lb/>
entwickelt haben, mag uns ein unverwerflicher Zeuge, der Präsident der letzten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0464] im Wege war, durch allerlei Chicanen unterdrückt, die Errichtung andrer durch lästige Bedingungen gehindert. In der großen Realschule ist gegen den aus¬ drücklichen Wortlaut das Dänische eingeschwärzt worden und zwar in dem Maße, daß die in dieser Sprache ertheilten Unterrichtsstunden sich zu den deut¬ schen wie 21 zu 8 verhalten. Der Zweck ist, ein deutschredendes Volk in ein dänischredendes umzumodeln. Der Erfolg ist, daß die Kinder eine Sprache lernen, die ihnen wenig, in den meisten Fällen gar nichts nützt, und daß, namentlich auf dem Lande, eine zuchtlose Jugend heranwächst, welche außer nothdürftigen Schreiben und Rechnen nur etwas dänisch Lesen und einige dänische Phrasen auswendig lernt, die binnen wenigen Jahren vergessen werden. Nach dem wiederholt erwähnten Rescript soll der Gottesdienst in den Kirchen der sogenannten gemischten Districte einen Sonntag um den andern dänisch sein, obgleich die Bevölkerung selbst in den wenigen Dörfern, die vor¬ wiegend plattdänisch reden, eine im kopenhagner Dänisch gehaltene Predigt nur zum kleinsten Theil, eine hochdeutsche dagegen vollkommen gut versteht. Die Folge ist, daß die Gotteshäuser an den dänischen Sonntagen nur von den Angehörigen der Geistlichen, Gensdarmen und Schullehrern besucht siud oder ganz leer stehn, daß die Geistlichen, die sich zu diesem schandbaren Spiel mit dem Heiligsten hergeben, auf das Tiefste verachtet und gehaßt und somit auch außer Stand sind, den Pflichten der Seelsorge nachzukommen. Diese Herren, die, wie es scheint, kein Gefühl für die Schande haben, die sie ihrem Stande durch solche Willfährigkeit gegen ein kirchenschänderisches Re¬ giment machen, und keinen Begriff von dem Schaden, den sie damit ihrer Kirche zufügen, entschädigen sich für den Abscheu, mit dem man ihnen nuper holen begegnet, durch Gelage mit Ihresgleichen, mit dänischen Beamten und Officieren und suchen im Uebrigen das. was in der Kirche nicht gelingt, durch Schleichwege im Weltleben zu erreichen. Ein Beispiel dafür mag genügen. In Grundhof wurde vom Pastor die Errichtung einer Spar- und Leihkasse vorgeschlagen, und die Bauern gingen darauf ein. Bei Verlesung der Sta¬ tuten hatte sich ein Passus eingeschlichen, durch welchen der Förderung der dänischen Sprache ein Vorzug eingeräumt wurde. Derselbe wurde, da der Pcistor ihn schneller als das Andere ablas, anfänglich übersehn. Indeß, der Angler ist vorsichtig, zumal im Verkehr mit seinen dänischen Geistlichen. Man sah sich das Papier noch einmal an, entdeckte den schlich, forderte kategorisch die Ausmerzung der betreffenden Stelle, und formulirte, als dies verweigert wurde und der Pastor seinen Austritt erklärte, die Statuten so, wie die Ge¬ meinde sie haben wollte. Wie wenig übertrieben die Schilderungen der Zustände sind, welche aus dieser Vergewaltigung der deutschen Schleswiger in Schule und Kirche sich entwickelt haben, mag uns ein unverwerflicher Zeuge, der Präsident der letzten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/464
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/464>, abgerufen am 25.07.2024.