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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Nationalität im Herzogthum Schleswig gleiche Berechtigung und kräftigen
Schul).

Daß von Erfüllung dieser Zusage nicht die Rede sein kann, ist den Lesern
d. Bl. bekannt. Indeß mag der Unisang, in welchem man nach dieser Seite
hin danisirt und das Raffinement, mit dem man verfährt, noch einmal in
den Einzelnheiten aufgezeigt werden. Statt dem Versprechen einer gleichen
Behandlung beider Sprachen nachzukommen, hat man die deutsche auf die
schonungsloseste Weise unterdrückt und beschränkt. Durch ein Anhängsel an
die fchleswigfche Verfassung von 1854 ist in der Propstei Flensburg mit
26 Kirchspielen, in der Stadt Tondern und 10 Kirchspielen der Propstei Ton-
dern, in der Propstei Husum in 4 und in der Propstei Gottorf in 9 Kirch¬
spielen die deutsche Unterrichtssprache in den Schulen, die hier seit Jahrhun¬
derten eingeführt, mit der dänischen vertauscht worden. Nur vier Stunden
wöchentlich sollte nach dem betreffenden Rescript künstig noch im Deutschen
unterrichtet werden, aber die dänischen Schulmeister, die man zur Ausführung
der Maßregel angestellt hat, wissen selbst das zu umgehn. In dem größern
Theil dieser Bezirke, die zusammen über 60,000 Einwohner haben, ist Deutsch
die ausschließliche, fast in allen übrigen die vorherrschende Volkssprache, und
so wird der Unterricht in den meisten derselben in einem den Kindern frem¬
den Idiom ertheilt. Aus jede Art sucht die Behörde zu hindern, daß die
Eltern sich deutsche Hauslehrer annehmen, und unbedingt verwehrt wird, daß
zwei oder mehre Familien sich einen solchen Lehrer gemeinsam halten. Selbst
Großvätern wurde verboten, Lehrer ihrer Enkel zu werden. Wie sehr die
ganze Verfügung gegen den Willen des Volkes ist, beweist schon, daß fast alle
Wohlhabenden in den von ihr betroffnen Districten ihre Kinder nach solchen
Dörfern in die Kost geben, wo die Unterrichtssprache noch deutsch ist. Konnte
dies nicht wol verhindert werden, so wußte man die Wirkung dieses Versuchs,
die Kinder in ihrer Muttersprache erziehen zu lassen, dänischerseits dadurch
abzuschwächen, daß man die letzteren zwang, zur Confirmation, die gegen das
Sprachrescript von den Geistlichen auch dann in dänischer Sprache vorge¬
nommen wird, wenn die Eltern sie in deutscher abgehalten wissen wollen,
in das väterliche Haus zurückzukehren und zu diesem Zweck in den letzten
Jahren vor jener kirchlichen Handlung dänisch reden und verstehn zu lernen.
Den Eltern, welche ihre Kinder auswärts confirmiren lassen wollten, wurde
von ihrem Pfarrer das dazu erforderliche Zeugniß verweigert, wenn sie nicht
etwa einen Ort in Jütland zur Confirmation wühlen wollten. Die dennoch
die Kinder nach deutschen Kirchen zur Confirmation schickten, wurden mit
schweren Geldstrafen belegt. Sogar die von dem Sprachrescript nicht berührte,
fast ausschließlich deutsche Stadt Flensburg hat von der Danisirungswuth der,
Schulbehörden schwer zu leiden. Eine deutsche Privatschule wurde, weil sie


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Nationalität im Herzogthum Schleswig gleiche Berechtigung und kräftigen
Schul).

Daß von Erfüllung dieser Zusage nicht die Rede sein kann, ist den Lesern
d. Bl. bekannt. Indeß mag der Unisang, in welchem man nach dieser Seite
hin danisirt und das Raffinement, mit dem man verfährt, noch einmal in
den Einzelnheiten aufgezeigt werden. Statt dem Versprechen einer gleichen
Behandlung beider Sprachen nachzukommen, hat man die deutsche auf die
schonungsloseste Weise unterdrückt und beschränkt. Durch ein Anhängsel an
die fchleswigfche Verfassung von 1854 ist in der Propstei Flensburg mit
26 Kirchspielen, in der Stadt Tondern und 10 Kirchspielen der Propstei Ton-
dern, in der Propstei Husum in 4 und in der Propstei Gottorf in 9 Kirch¬
spielen die deutsche Unterrichtssprache in den Schulen, die hier seit Jahrhun¬
derten eingeführt, mit der dänischen vertauscht worden. Nur vier Stunden
wöchentlich sollte nach dem betreffenden Rescript künstig noch im Deutschen
unterrichtet werden, aber die dänischen Schulmeister, die man zur Ausführung
der Maßregel angestellt hat, wissen selbst das zu umgehn. In dem größern
Theil dieser Bezirke, die zusammen über 60,000 Einwohner haben, ist Deutsch
die ausschließliche, fast in allen übrigen die vorherrschende Volkssprache, und
so wird der Unterricht in den meisten derselben in einem den Kindern frem¬
den Idiom ertheilt. Aus jede Art sucht die Behörde zu hindern, daß die
Eltern sich deutsche Hauslehrer annehmen, und unbedingt verwehrt wird, daß
zwei oder mehre Familien sich einen solchen Lehrer gemeinsam halten. Selbst
Großvätern wurde verboten, Lehrer ihrer Enkel zu werden. Wie sehr die
ganze Verfügung gegen den Willen des Volkes ist, beweist schon, daß fast alle
Wohlhabenden in den von ihr betroffnen Districten ihre Kinder nach solchen
Dörfern in die Kost geben, wo die Unterrichtssprache noch deutsch ist. Konnte
dies nicht wol verhindert werden, so wußte man die Wirkung dieses Versuchs,
die Kinder in ihrer Muttersprache erziehen zu lassen, dänischerseits dadurch
abzuschwächen, daß man die letzteren zwang, zur Confirmation, die gegen das
Sprachrescript von den Geistlichen auch dann in dänischer Sprache vorge¬
nommen wird, wenn die Eltern sie in deutscher abgehalten wissen wollen,
in das väterliche Haus zurückzukehren und zu diesem Zweck in den letzten
Jahren vor jener kirchlichen Handlung dänisch reden und verstehn zu lernen.
Den Eltern, welche ihre Kinder auswärts confirmiren lassen wollten, wurde
von ihrem Pfarrer das dazu erforderliche Zeugniß verweigert, wenn sie nicht
etwa einen Ort in Jütland zur Confirmation wühlen wollten. Die dennoch
die Kinder nach deutschen Kirchen zur Confirmation schickten, wurden mit
schweren Geldstrafen belegt. Sogar die von dem Sprachrescript nicht berührte,
fast ausschließlich deutsche Stadt Flensburg hat von der Danisirungswuth der,
Schulbehörden schwer zu leiden. Eine deutsche Privatschule wurde, weil sie


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[0463] Nationalität im Herzogthum Schleswig gleiche Berechtigung und kräftigen Schul). Daß von Erfüllung dieser Zusage nicht die Rede sein kann, ist den Lesern d. Bl. bekannt. Indeß mag der Unisang, in welchem man nach dieser Seite hin danisirt und das Raffinement, mit dem man verfährt, noch einmal in den Einzelnheiten aufgezeigt werden. Statt dem Versprechen einer gleichen Behandlung beider Sprachen nachzukommen, hat man die deutsche auf die schonungsloseste Weise unterdrückt und beschränkt. Durch ein Anhängsel an die fchleswigfche Verfassung von 1854 ist in der Propstei Flensburg mit 26 Kirchspielen, in der Stadt Tondern und 10 Kirchspielen der Propstei Ton- dern, in der Propstei Husum in 4 und in der Propstei Gottorf in 9 Kirch¬ spielen die deutsche Unterrichtssprache in den Schulen, die hier seit Jahrhun¬ derten eingeführt, mit der dänischen vertauscht worden. Nur vier Stunden wöchentlich sollte nach dem betreffenden Rescript künstig noch im Deutschen unterrichtet werden, aber die dänischen Schulmeister, die man zur Ausführung der Maßregel angestellt hat, wissen selbst das zu umgehn. In dem größern Theil dieser Bezirke, die zusammen über 60,000 Einwohner haben, ist Deutsch die ausschließliche, fast in allen übrigen die vorherrschende Volkssprache, und so wird der Unterricht in den meisten derselben in einem den Kindern frem¬ den Idiom ertheilt. Aus jede Art sucht die Behörde zu hindern, daß die Eltern sich deutsche Hauslehrer annehmen, und unbedingt verwehrt wird, daß zwei oder mehre Familien sich einen solchen Lehrer gemeinsam halten. Selbst Großvätern wurde verboten, Lehrer ihrer Enkel zu werden. Wie sehr die ganze Verfügung gegen den Willen des Volkes ist, beweist schon, daß fast alle Wohlhabenden in den von ihr betroffnen Districten ihre Kinder nach solchen Dörfern in die Kost geben, wo die Unterrichtssprache noch deutsch ist. Konnte dies nicht wol verhindert werden, so wußte man die Wirkung dieses Versuchs, die Kinder in ihrer Muttersprache erziehen zu lassen, dänischerseits dadurch abzuschwächen, daß man die letzteren zwang, zur Confirmation, die gegen das Sprachrescript von den Geistlichen auch dann in dänischer Sprache vorge¬ nommen wird, wenn die Eltern sie in deutscher abgehalten wissen wollen, in das väterliche Haus zurückzukehren und zu diesem Zweck in den letzten Jahren vor jener kirchlichen Handlung dänisch reden und verstehn zu lernen. Den Eltern, welche ihre Kinder auswärts confirmiren lassen wollten, wurde von ihrem Pfarrer das dazu erforderliche Zeugniß verweigert, wenn sie nicht etwa einen Ort in Jütland zur Confirmation wühlen wollten. Die dennoch die Kinder nach deutschen Kirchen zur Confirmation schickten, wurden mit schweren Geldstrafen belegt. Sogar die von dem Sprachrescript nicht berührte, fast ausschließlich deutsche Stadt Flensburg hat von der Danisirungswuth der, Schulbehörden schwer zu leiden. Eine deutsche Privatschule wurde, weil sie 57*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/463>, abgerufen am 25.07.2024.