Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Legislatur von Virginia ist ein Antrag eingebracht: einen Convent von De-
legirten der südlichen Unionsstaaten nach Atlanta in Georgia einzuberufen.
Der Gouverneur von Louisiana empfiehlt in seiner Jahrcsbotschast ebenfalls
einen Convent der südlichen Staaten für den Fall des Eintritts gewisser Even¬
tualitäten und spricht sich dahin aus. daß man die Feindseligkeiten des Nor¬
dens durch Einführung hoher, auf die Producte der nördlichen Unionsstaaten
zu legender Differentialzölle, die einem absoluten Verbote gleichkommen wür¬
den, vergelten müsse. Der Staat Arkansas hat durch ein Gesetz, das am
1. Januar 1860 in Kraft getreten ist, alle freien Neger von seinem Gebiet
verbannt und bestimmt, daß jeder Neger, der nach dem 1. Januar nicht aus¬
gewandert sei oder je zurückkehre, in die Sklaverei verkauft werden solle.
Ein Gesetzentwurf derselben Tendenz liegt dem Senat von Missouri vor
und soll am 1. Januar 1861 in Kraft treten. In Mississippi, Kentucky und
Tennessee werden dieselben Gesetze vorbereitet. Die zu Berg fahrenden Dampf¬
boote auf dem Mississippi sollen mit flüchtigen Negern überfüllt sein. In
Chart ehevor im Staate Südcarolina wurde ein Mann Namens Francis
Michell von den Gerichten zum Tode verurtheilt, weil er einem Sklaven zur
Flucht behilflich gewesen war. und in Kentucky wurden 18 Bürger blos
wegen ihrer Aeußerungen über das Institut der Sklaverei verbannt. Die
gesetzgebende Versammlung von Südcarolina hat eine Resolution angenommen,
die es ausspricht, daß der erwähnte Staat es seinen Bürgern verschulde, sie
und ihr Eigenthum gegen jeden Angriff zu schützen und daß 100000 Dollar
zum Zwecke militärischer Rüstungen zu bewilligen seien. Außerdem nahm der
Senat daselbst eine Resolution an, kraft welcher Südcarolina den andern
Staaten des Südens anzeigt: "seines Erachtens erfordere die Sicherheit und
Ehre der Sklavenstaaten gebieterisch eine schleunige Trennung von den freien
Staaten der Union." Zugleich fordert Südcarolina die übrigen südlichen
Staaten auf, die Initiative in der Losrnßung zu ergreifen und macht sich
anheischig sich rasch der Bewegung anzuschließen.

Besonders bezeichnend aber für die Stimmung in den Sklavenstaaten
ist die folgende Petition in Maryland an die Staatslegislatur: "Wir, die
unterzeichneten Bürger dieses Staats, erlauben uns der hohen Versammlung
vorzustellen: daß der Staat Maryland in allen seinen verschiedenen socialen
wie industriellen Interessen einer festen und entscheidenden Gesetzgebung in
Betreff der Sklaven und freien Negerbevölkerung (gegenwärtig über
90,000 Seelen) bedarf, die durchgängig träge und von schlechten Sitten ist;
daß die freien Neger in den Städten und Dörfern sich ansammeln und von
Diebstahl oder von zeitweiliger, auf einzelne Tage oder gar nur Stunden
beschränkter Arbeit existiren und keinerlei ständige Beschäftigung eingehen wollen;
daß wir endlich eine große Zahl von armen, aber ehrenwerthen Bürgern unter uns


Grenzboten III. 1660. 54

Legislatur von Virginia ist ein Antrag eingebracht: einen Convent von De-
legirten der südlichen Unionsstaaten nach Atlanta in Georgia einzuberufen.
Der Gouverneur von Louisiana empfiehlt in seiner Jahrcsbotschast ebenfalls
einen Convent der südlichen Staaten für den Fall des Eintritts gewisser Even¬
tualitäten und spricht sich dahin aus. daß man die Feindseligkeiten des Nor¬
dens durch Einführung hoher, auf die Producte der nördlichen Unionsstaaten
zu legender Differentialzölle, die einem absoluten Verbote gleichkommen wür¬
den, vergelten müsse. Der Staat Arkansas hat durch ein Gesetz, das am
1. Januar 1860 in Kraft getreten ist, alle freien Neger von seinem Gebiet
verbannt und bestimmt, daß jeder Neger, der nach dem 1. Januar nicht aus¬
gewandert sei oder je zurückkehre, in die Sklaverei verkauft werden solle.
Ein Gesetzentwurf derselben Tendenz liegt dem Senat von Missouri vor
und soll am 1. Januar 1861 in Kraft treten. In Mississippi, Kentucky und
Tennessee werden dieselben Gesetze vorbereitet. Die zu Berg fahrenden Dampf¬
boote auf dem Mississippi sollen mit flüchtigen Negern überfüllt sein. In
Chart ehevor im Staate Südcarolina wurde ein Mann Namens Francis
Michell von den Gerichten zum Tode verurtheilt, weil er einem Sklaven zur
Flucht behilflich gewesen war. und in Kentucky wurden 18 Bürger blos
wegen ihrer Aeußerungen über das Institut der Sklaverei verbannt. Die
gesetzgebende Versammlung von Südcarolina hat eine Resolution angenommen,
die es ausspricht, daß der erwähnte Staat es seinen Bürgern verschulde, sie
und ihr Eigenthum gegen jeden Angriff zu schützen und daß 100000 Dollar
zum Zwecke militärischer Rüstungen zu bewilligen seien. Außerdem nahm der
Senat daselbst eine Resolution an, kraft welcher Südcarolina den andern
Staaten des Südens anzeigt: „seines Erachtens erfordere die Sicherheit und
Ehre der Sklavenstaaten gebieterisch eine schleunige Trennung von den freien
Staaten der Union." Zugleich fordert Südcarolina die übrigen südlichen
Staaten auf, die Initiative in der Losrnßung zu ergreifen und macht sich
anheischig sich rasch der Bewegung anzuschließen.

Besonders bezeichnend aber für die Stimmung in den Sklavenstaaten
ist die folgende Petition in Maryland an die Staatslegislatur: „Wir, die
unterzeichneten Bürger dieses Staats, erlauben uns der hohen Versammlung
vorzustellen: daß der Staat Maryland in allen seinen verschiedenen socialen
wie industriellen Interessen einer festen und entscheidenden Gesetzgebung in
Betreff der Sklaven und freien Negerbevölkerung (gegenwärtig über
90,000 Seelen) bedarf, die durchgängig träge und von schlechten Sitten ist;
daß die freien Neger in den Städten und Dörfern sich ansammeln und von
Diebstahl oder von zeitweiliger, auf einzelne Tage oder gar nur Stunden
beschränkter Arbeit existiren und keinerlei ständige Beschäftigung eingehen wollen;
daß wir endlich eine große Zahl von armen, aber ehrenwerthen Bürgern unter uns


Grenzboten III. 1660. 54
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110243"/>
          <p xml:id="ID_1304" prev="#ID_1303"> Legislatur von Virginia ist ein Antrag eingebracht: einen Convent von De-<lb/>
legirten der südlichen Unionsstaaten nach Atlanta in Georgia einzuberufen.<lb/>
Der Gouverneur von Louisiana empfiehlt in seiner Jahrcsbotschast ebenfalls<lb/>
einen Convent der südlichen Staaten für den Fall des Eintritts gewisser Even¬<lb/>
tualitäten und spricht sich dahin aus. daß man die Feindseligkeiten des Nor¬<lb/>
dens durch Einführung hoher, auf die Producte der nördlichen Unionsstaaten<lb/>
zu legender Differentialzölle, die einem absoluten Verbote gleichkommen wür¬<lb/>
den, vergelten müsse. Der Staat Arkansas hat durch ein Gesetz, das am<lb/>
1. Januar 1860 in Kraft getreten ist, alle freien Neger von seinem Gebiet<lb/>
verbannt und bestimmt, daß jeder Neger, der nach dem 1. Januar nicht aus¬<lb/>
gewandert sei oder je zurückkehre, in die Sklaverei verkauft werden solle.<lb/>
Ein Gesetzentwurf derselben Tendenz liegt dem Senat von Missouri vor<lb/>
und soll am 1. Januar 1861 in Kraft treten. In Mississippi, Kentucky und<lb/>
Tennessee werden dieselben Gesetze vorbereitet. Die zu Berg fahrenden Dampf¬<lb/>
boote auf dem Mississippi sollen mit flüchtigen Negern überfüllt sein. In<lb/>
Chart ehevor im Staate Südcarolina wurde ein Mann Namens Francis<lb/>
Michell von den Gerichten zum Tode verurtheilt, weil er einem Sklaven zur<lb/>
Flucht behilflich gewesen war. und in Kentucky wurden 18 Bürger blos<lb/>
wegen ihrer Aeußerungen über das Institut der Sklaverei verbannt. Die<lb/>
gesetzgebende Versammlung von Südcarolina hat eine Resolution angenommen,<lb/>
die es ausspricht, daß der erwähnte Staat es seinen Bürgern verschulde, sie<lb/>
und ihr Eigenthum gegen jeden Angriff zu schützen und daß 100000 Dollar<lb/>
zum Zwecke militärischer Rüstungen zu bewilligen seien. Außerdem nahm der<lb/>
Senat daselbst eine Resolution an, kraft welcher Südcarolina den andern<lb/>
Staaten des Südens anzeigt: &#x201E;seines Erachtens erfordere die Sicherheit und<lb/>
Ehre der Sklavenstaaten gebieterisch eine schleunige Trennung von den freien<lb/>
Staaten der Union." Zugleich fordert Südcarolina die übrigen südlichen<lb/>
Staaten auf, die Initiative in der Losrnßung zu ergreifen und macht sich<lb/>
anheischig sich rasch der Bewegung anzuschließen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1305" next="#ID_1306"> Besonders bezeichnend aber für die Stimmung in den Sklavenstaaten<lb/>
ist die folgende Petition in Maryland an die Staatslegislatur: &#x201E;Wir, die<lb/>
unterzeichneten Bürger dieses Staats, erlauben uns der hohen Versammlung<lb/>
vorzustellen: daß der Staat Maryland in allen seinen verschiedenen socialen<lb/>
wie industriellen Interessen einer festen und entscheidenden Gesetzgebung in<lb/>
Betreff der Sklaven und freien Negerbevölkerung (gegenwärtig über<lb/>
90,000 Seelen) bedarf, die durchgängig träge und von schlechten Sitten ist;<lb/>
daß die freien Neger in den Städten und Dörfern sich ansammeln und von<lb/>
Diebstahl oder von zeitweiliger, auf einzelne Tage oder gar nur Stunden<lb/>
beschränkter Arbeit existiren und keinerlei ständige Beschäftigung eingehen wollen;<lb/>
daß wir endlich eine große Zahl von armen, aber ehrenwerthen Bürgern unter uns</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1660. 54</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0437] Legislatur von Virginia ist ein Antrag eingebracht: einen Convent von De- legirten der südlichen Unionsstaaten nach Atlanta in Georgia einzuberufen. Der Gouverneur von Louisiana empfiehlt in seiner Jahrcsbotschast ebenfalls einen Convent der südlichen Staaten für den Fall des Eintritts gewisser Even¬ tualitäten und spricht sich dahin aus. daß man die Feindseligkeiten des Nor¬ dens durch Einführung hoher, auf die Producte der nördlichen Unionsstaaten zu legender Differentialzölle, die einem absoluten Verbote gleichkommen wür¬ den, vergelten müsse. Der Staat Arkansas hat durch ein Gesetz, das am 1. Januar 1860 in Kraft getreten ist, alle freien Neger von seinem Gebiet verbannt und bestimmt, daß jeder Neger, der nach dem 1. Januar nicht aus¬ gewandert sei oder je zurückkehre, in die Sklaverei verkauft werden solle. Ein Gesetzentwurf derselben Tendenz liegt dem Senat von Missouri vor und soll am 1. Januar 1861 in Kraft treten. In Mississippi, Kentucky und Tennessee werden dieselben Gesetze vorbereitet. Die zu Berg fahrenden Dampf¬ boote auf dem Mississippi sollen mit flüchtigen Negern überfüllt sein. In Chart ehevor im Staate Südcarolina wurde ein Mann Namens Francis Michell von den Gerichten zum Tode verurtheilt, weil er einem Sklaven zur Flucht behilflich gewesen war. und in Kentucky wurden 18 Bürger blos wegen ihrer Aeußerungen über das Institut der Sklaverei verbannt. Die gesetzgebende Versammlung von Südcarolina hat eine Resolution angenommen, die es ausspricht, daß der erwähnte Staat es seinen Bürgern verschulde, sie und ihr Eigenthum gegen jeden Angriff zu schützen und daß 100000 Dollar zum Zwecke militärischer Rüstungen zu bewilligen seien. Außerdem nahm der Senat daselbst eine Resolution an, kraft welcher Südcarolina den andern Staaten des Südens anzeigt: „seines Erachtens erfordere die Sicherheit und Ehre der Sklavenstaaten gebieterisch eine schleunige Trennung von den freien Staaten der Union." Zugleich fordert Südcarolina die übrigen südlichen Staaten auf, die Initiative in der Losrnßung zu ergreifen und macht sich anheischig sich rasch der Bewegung anzuschließen. Besonders bezeichnend aber für die Stimmung in den Sklavenstaaten ist die folgende Petition in Maryland an die Staatslegislatur: „Wir, die unterzeichneten Bürger dieses Staats, erlauben uns der hohen Versammlung vorzustellen: daß der Staat Maryland in allen seinen verschiedenen socialen wie industriellen Interessen einer festen und entscheidenden Gesetzgebung in Betreff der Sklaven und freien Negerbevölkerung (gegenwärtig über 90,000 Seelen) bedarf, die durchgängig träge und von schlechten Sitten ist; daß die freien Neger in den Städten und Dörfern sich ansammeln und von Diebstahl oder von zeitweiliger, auf einzelne Tage oder gar nur Stunden beschränkter Arbeit existiren und keinerlei ständige Beschäftigung eingehen wollen; daß wir endlich eine große Zahl von armen, aber ehrenwerthen Bürgern unter uns Grenzboten III. 1660. 54

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/437
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/437>, abgerufen am 25.07.2024.