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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Norden sich weit rascher entwickelt habe als der Süden, und daß nichts als
die Sklaverei an dem Zurückbleiben des letztem Schuld sei. Daran knüpfte
er Betrachtungen über die großen Nachtheile, die daraus für die Weißen im
Süden hervorgingen, und erklärte gradezu, daß er als geborner Südländer
schreibe und die unerträgliche Lage seiner dortigen Landsleute für den Punkt
halte, der bei der Sklavenfrage vorzugsweise berücksichtigt werden müsse.
Zum Schluß stellte er die Alternative: "Entweder die Sklavenhalter
willigen in sofortige Aufhebung der Sklaverei, worauf alle Sklaven sofort
mit Benutzung der sämmtlichen Handelsschiffe der Union nach Afrika geschafft
werden müssen, oder wir besteuern ihre Sklaven zuerst mit 60, dann mit 80
und 100 Dollar für den Kopf." Für dieses Buch machten die Republikaner
im Norden Propaganda.

Die Erbitterung der Sklavenhalter über diese Politik, welche sie mit den
ärmern Weißen des Südens zu verfeinden drohte, war bereits groß, als ein
zweites Ereigmß dazu kam. Es wurde ein Versuch gemacht, die Sklaven
gegen ihre Herren in die Waffen zu rufen. An der Grenze von Virginien
und Maryland, da wo der Shenandoah in den Potomac einmündet, liegt das
Städtchen Harpers Ferry. Hier erschienen in der Nacht vom 16. auf den
17. October 1859 zweiundzwanzig Bewaffnete, überrumpelten das Zeughaus
und suchten die Sklaven zum Kampf aufzurufen/ In dem panischen Schrecken,
der auf die That der Handvoll Menschen folgte, hätte ein Sklavenaufstand
große Verbreitung finden können, wenn die Sklaven dafür reif gewesen wären.
Aber sie blieben ruhig und so unterlagen die Aufwiegler, die nach der ersten
Nacht im Zeughaus zurückgeblieben waren, den gegen sie aufgebotenen Bürger¬
wehren. Mehrere sielen, die übrigen wurden gefangen, vor Gericht gestellt,
zum Tode verurtheilt und gehängt. Der Urheber dieses Versuches war ein
gewisser Brown, der in Kansas für die Freistaatspartei angekämpft und da¬
bei zwei Söhne verloren hatte; er wollte seine Grundsätze mit dem Schwert
zur Geltung bringen und störte den öffentlichen Frieden durch gesetzwidrigen
Aufruhr. Er büßte seine Thorheit mit seinem Leben; denn er wurde öffent¬
lich hingerichtet.

Helpers Buch und der Angriff auf Harpers Ferry haben die Wuth der
Sklavenhalter aufs Aeußerste getrieben. Der Comitöbericht der Legislatur von
Virginia über diesen Angriff schließt mit dem Antrag auf Bewaffnung der
Miliz und raschere Bestrafung von ähnlichen Versuchen zur Aufreizung von
Sklaven. Im Repräsentantenhause von Louisiana ward eine Resolution an¬
genommen, welche die Affaire von Harpers Ferry für einen Angriff auf die
Rechte und Vorrechte des Südens erklärt und sich dahin ausspricht, daß die
fortgesetzte Feindseligkeit des Nordens und die Wahl eines Präsidenten aus
der republikanischen Partei zur Auflösung der Union führen würde. In der


Norden sich weit rascher entwickelt habe als der Süden, und daß nichts als
die Sklaverei an dem Zurückbleiben des letztem Schuld sei. Daran knüpfte
er Betrachtungen über die großen Nachtheile, die daraus für die Weißen im
Süden hervorgingen, und erklärte gradezu, daß er als geborner Südländer
schreibe und die unerträgliche Lage seiner dortigen Landsleute für den Punkt
halte, der bei der Sklavenfrage vorzugsweise berücksichtigt werden müsse.
Zum Schluß stellte er die Alternative: „Entweder die Sklavenhalter
willigen in sofortige Aufhebung der Sklaverei, worauf alle Sklaven sofort
mit Benutzung der sämmtlichen Handelsschiffe der Union nach Afrika geschafft
werden müssen, oder wir besteuern ihre Sklaven zuerst mit 60, dann mit 80
und 100 Dollar für den Kopf." Für dieses Buch machten die Republikaner
im Norden Propaganda.

Die Erbitterung der Sklavenhalter über diese Politik, welche sie mit den
ärmern Weißen des Südens zu verfeinden drohte, war bereits groß, als ein
zweites Ereigmß dazu kam. Es wurde ein Versuch gemacht, die Sklaven
gegen ihre Herren in die Waffen zu rufen. An der Grenze von Virginien
und Maryland, da wo der Shenandoah in den Potomac einmündet, liegt das
Städtchen Harpers Ferry. Hier erschienen in der Nacht vom 16. auf den
17. October 1859 zweiundzwanzig Bewaffnete, überrumpelten das Zeughaus
und suchten die Sklaven zum Kampf aufzurufen/ In dem panischen Schrecken,
der auf die That der Handvoll Menschen folgte, hätte ein Sklavenaufstand
große Verbreitung finden können, wenn die Sklaven dafür reif gewesen wären.
Aber sie blieben ruhig und so unterlagen die Aufwiegler, die nach der ersten
Nacht im Zeughaus zurückgeblieben waren, den gegen sie aufgebotenen Bürger¬
wehren. Mehrere sielen, die übrigen wurden gefangen, vor Gericht gestellt,
zum Tode verurtheilt und gehängt. Der Urheber dieses Versuches war ein
gewisser Brown, der in Kansas für die Freistaatspartei angekämpft und da¬
bei zwei Söhne verloren hatte; er wollte seine Grundsätze mit dem Schwert
zur Geltung bringen und störte den öffentlichen Frieden durch gesetzwidrigen
Aufruhr. Er büßte seine Thorheit mit seinem Leben; denn er wurde öffent¬
lich hingerichtet.

Helpers Buch und der Angriff auf Harpers Ferry haben die Wuth der
Sklavenhalter aufs Aeußerste getrieben. Der Comitöbericht der Legislatur von
Virginia über diesen Angriff schließt mit dem Antrag auf Bewaffnung der
Miliz und raschere Bestrafung von ähnlichen Versuchen zur Aufreizung von
Sklaven. Im Repräsentantenhause von Louisiana ward eine Resolution an¬
genommen, welche die Affaire von Harpers Ferry für einen Angriff auf die
Rechte und Vorrechte des Südens erklärt und sich dahin ausspricht, daß die
fortgesetzte Feindseligkeit des Nordens und die Wahl eines Präsidenten aus
der republikanischen Partei zur Auflösung der Union führen würde. In der


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[0436] Norden sich weit rascher entwickelt habe als der Süden, und daß nichts als die Sklaverei an dem Zurückbleiben des letztem Schuld sei. Daran knüpfte er Betrachtungen über die großen Nachtheile, die daraus für die Weißen im Süden hervorgingen, und erklärte gradezu, daß er als geborner Südländer schreibe und die unerträgliche Lage seiner dortigen Landsleute für den Punkt halte, der bei der Sklavenfrage vorzugsweise berücksichtigt werden müsse. Zum Schluß stellte er die Alternative: „Entweder die Sklavenhalter willigen in sofortige Aufhebung der Sklaverei, worauf alle Sklaven sofort mit Benutzung der sämmtlichen Handelsschiffe der Union nach Afrika geschafft werden müssen, oder wir besteuern ihre Sklaven zuerst mit 60, dann mit 80 und 100 Dollar für den Kopf." Für dieses Buch machten die Republikaner im Norden Propaganda. Die Erbitterung der Sklavenhalter über diese Politik, welche sie mit den ärmern Weißen des Südens zu verfeinden drohte, war bereits groß, als ein zweites Ereigmß dazu kam. Es wurde ein Versuch gemacht, die Sklaven gegen ihre Herren in die Waffen zu rufen. An der Grenze von Virginien und Maryland, da wo der Shenandoah in den Potomac einmündet, liegt das Städtchen Harpers Ferry. Hier erschienen in der Nacht vom 16. auf den 17. October 1859 zweiundzwanzig Bewaffnete, überrumpelten das Zeughaus und suchten die Sklaven zum Kampf aufzurufen/ In dem panischen Schrecken, der auf die That der Handvoll Menschen folgte, hätte ein Sklavenaufstand große Verbreitung finden können, wenn die Sklaven dafür reif gewesen wären. Aber sie blieben ruhig und so unterlagen die Aufwiegler, die nach der ersten Nacht im Zeughaus zurückgeblieben waren, den gegen sie aufgebotenen Bürger¬ wehren. Mehrere sielen, die übrigen wurden gefangen, vor Gericht gestellt, zum Tode verurtheilt und gehängt. Der Urheber dieses Versuches war ein gewisser Brown, der in Kansas für die Freistaatspartei angekämpft und da¬ bei zwei Söhne verloren hatte; er wollte seine Grundsätze mit dem Schwert zur Geltung bringen und störte den öffentlichen Frieden durch gesetzwidrigen Aufruhr. Er büßte seine Thorheit mit seinem Leben; denn er wurde öffent¬ lich hingerichtet. Helpers Buch und der Angriff auf Harpers Ferry haben die Wuth der Sklavenhalter aufs Aeußerste getrieben. Der Comitöbericht der Legislatur von Virginia über diesen Angriff schließt mit dem Antrag auf Bewaffnung der Miliz und raschere Bestrafung von ähnlichen Versuchen zur Aufreizung von Sklaven. Im Repräsentantenhause von Louisiana ward eine Resolution an¬ genommen, welche die Affaire von Harpers Ferry für einen Angriff auf die Rechte und Vorrechte des Südens erklärt und sich dahin ausspricht, daß die fortgesetzte Feindseligkeit des Nordens und die Wahl eines Präsidenten aus der republikanischen Partei zur Auflösung der Union führen würde. In der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/436>, abgerufen am 25.07.2024.