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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Füße und ließ die Leiche in einem ehrlichen Sarge in die Geschlechtsgruft
setzen, ohne die Schwiegermutter oder einen andern Verwandten dazu zu bit¬
ten. Und ich setzte mir vor. das Gut an die ersten besten zu verkaufen und
mich wieder nach der Stadt zu begeben.

So saß ich einst eines Abends voller Gedanken am Fenster, und sah,
wie das Gesinde seine Arbeit that; als ick jvon ungefähr gewahr wurde,
daß sich jemand mit bloßem Degen am Thor gegen die anlaufenden Hunde
vertheidigte. Ich schrie dem Gesinde zu, die Hunde abzuhalten, worauf ein
wohlgekleideter Mann mit großen Complimenten auf mich zutrat. "Mein
Herr Oheim," sprach er, "wird nickt ungeneigt aufnehmen, daß ich mir nach
Ritterart die Ehre gebe, auf ein Nachtlager einzusprechen, um dabei die Ehre
seiner Bekanntschaft zu genießen." "Nicht im Geringsten," versetzte ich darauf,
"wenn nur mein Herr beliebt vorlieb zu nehmen." Ich nöthigte ihn deshalb
herein, da der Cavalier so freigebig mit der Vaterschaft war, konnte ich leicht
erkennen, daß er nicht aus der Nachbarschaft sei. Er kam auch bald damit
heraus, daß er ein freier Reichsritter aus dem Elsaß und durch die Franzosen
so verdorben worden sei, daß er lieber seine abgebrannten Güter mit dem
Rücken eingesehn, als sich ihrer Botmäßigkeit unterwerfen wollte; jetzt begäbe
er sich nach dem Kaiserhofe. dort Kriegsdienste zu suchen. Die Nichtigkeit
dieser Aufschneiderei konnte ich schon daran erkennen, weil er keine von den
adligen Familien kannte, mit denen ich bei früherer Anwesenheit im Elsaß
bekannt worden war. Deshalb ging ich auch behutsam mit dem Kerl um,
und der gute reichsadlige Herr und Bruder mußte mit einer Streu und Ma¬
tratze nebst einem Kopfpolster vorlieb nehmen. Als ich am andern Morgen
aufstand, fand ich weder Junker noch Bettgewand vor und vermißte dazu meinen
Degen und Pistolen, die ich in der Stube gelassen hatte. Geschwind befahl
ich meinen Knechten, sich mit Prügeln auf die Pferde zu werfen, und wenn
sie den Halunken antrafen, ihn kräftig durchzuhauen und darnach laufen zu
lassen, meine Sachen aber wieder abzunehmen. Denn ich konnte mir leicht
einbilden, daß der Mensch ein Beutelschneider wäre, daß er mehr auf dem
Kerbholz haben würde, und daß ich durch seine Verhaftung den Vortheil er¬
langen könnte, noch einen kostspieligen peinlichen Proceß, zuletzt sein Hängen
zu bezahlen. Die Knechte trafen ihn mit seiner Beute im nächsten Holz und
kamen dem Befehle redlich nach. Sie brachten mir zwar meine Sachen wieder
zurück, diese kamen mich aber sehr theuer zu stehen. Denn kaum vier Tage
darauf wurde mir ohne Zweifel von diesem Schelme des Nachts mein Gut
über dem Kopf angezündet, so daß ich kaum das Wohngebäude retten konnte,
im Uebrigen aber zusehen mußte, daß Scheuern und Ställe mit Getreide und
Vieh bis auf den Grund abbrannten.

Dies Unglück nun verleidete mir das Landleben so sehr, daß ich nur ein


Füße und ließ die Leiche in einem ehrlichen Sarge in die Geschlechtsgruft
setzen, ohne die Schwiegermutter oder einen andern Verwandten dazu zu bit¬
ten. Und ich setzte mir vor. das Gut an die ersten besten zu verkaufen und
mich wieder nach der Stadt zu begeben.

So saß ich einst eines Abends voller Gedanken am Fenster, und sah,
wie das Gesinde seine Arbeit that; als ick jvon ungefähr gewahr wurde,
daß sich jemand mit bloßem Degen am Thor gegen die anlaufenden Hunde
vertheidigte. Ich schrie dem Gesinde zu, die Hunde abzuhalten, worauf ein
wohlgekleideter Mann mit großen Complimenten auf mich zutrat. „Mein
Herr Oheim," sprach er, „wird nickt ungeneigt aufnehmen, daß ich mir nach
Ritterart die Ehre gebe, auf ein Nachtlager einzusprechen, um dabei die Ehre
seiner Bekanntschaft zu genießen." „Nicht im Geringsten," versetzte ich darauf,
„wenn nur mein Herr beliebt vorlieb zu nehmen." Ich nöthigte ihn deshalb
herein, da der Cavalier so freigebig mit der Vaterschaft war, konnte ich leicht
erkennen, daß er nicht aus der Nachbarschaft sei. Er kam auch bald damit
heraus, daß er ein freier Reichsritter aus dem Elsaß und durch die Franzosen
so verdorben worden sei, daß er lieber seine abgebrannten Güter mit dem
Rücken eingesehn, als sich ihrer Botmäßigkeit unterwerfen wollte; jetzt begäbe
er sich nach dem Kaiserhofe. dort Kriegsdienste zu suchen. Die Nichtigkeit
dieser Aufschneiderei konnte ich schon daran erkennen, weil er keine von den
adligen Familien kannte, mit denen ich bei früherer Anwesenheit im Elsaß
bekannt worden war. Deshalb ging ich auch behutsam mit dem Kerl um,
und der gute reichsadlige Herr und Bruder mußte mit einer Streu und Ma¬
tratze nebst einem Kopfpolster vorlieb nehmen. Als ich am andern Morgen
aufstand, fand ich weder Junker noch Bettgewand vor und vermißte dazu meinen
Degen und Pistolen, die ich in der Stube gelassen hatte. Geschwind befahl
ich meinen Knechten, sich mit Prügeln auf die Pferde zu werfen, und wenn
sie den Halunken antrafen, ihn kräftig durchzuhauen und darnach laufen zu
lassen, meine Sachen aber wieder abzunehmen. Denn ich konnte mir leicht
einbilden, daß der Mensch ein Beutelschneider wäre, daß er mehr auf dem
Kerbholz haben würde, und daß ich durch seine Verhaftung den Vortheil er¬
langen könnte, noch einen kostspieligen peinlichen Proceß, zuletzt sein Hängen
zu bezahlen. Die Knechte trafen ihn mit seiner Beute im nächsten Holz und
kamen dem Befehle redlich nach. Sie brachten mir zwar meine Sachen wieder
zurück, diese kamen mich aber sehr theuer zu stehen. Denn kaum vier Tage
darauf wurde mir ohne Zweifel von diesem Schelme des Nachts mein Gut
über dem Kopf angezündet, so daß ich kaum das Wohngebäude retten konnte,
im Uebrigen aber zusehen mußte, daß Scheuern und Ställe mit Getreide und
Vieh bis auf den Grund abbrannten.

Dies Unglück nun verleidete mir das Landleben so sehr, daß ich nur ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/33>, abgerufen am 24.07.2024.