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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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und ihrer Mutter niemals reichlich und kostbar genug, immer wußten sie da¬
ran Mängel zu finden, und wollten Alles vollständiger haben.

Gleichwol überwand ich mich und würde keine Unkosten angesehen ha¬
ben, wenn ich damit nur den geringsten Dank verdient hätte, aber ich mußte,
was mich am allermeisten schmerzte, empfinden, daß mich weder mein Weib
noch ihre ganze Freundschaft im geringsten achteten. Besonders meine liebe
Schwiegermutter war ein grundböses, hoffärtiges, falsches Weib, und weil
insgemein die Blätter wie die Wurzel des Baumes sind, so nahm auch ihre
Tochter bald ihr Wesen an. Und weil ich ihr deswegen nicht mehr hold sein
konnte, bekam öfters mein Reitknecht freundlichere Blicke als ich. -- Uebrigens
durfte ich gar nicht klagen, daß ihre Freundschaft nicht mehr mein Haus be¬
sucht hätte, als mir lieb war, sie half redlich aufzehren, was sie nur fand.
Sie hätten aber geglaubt, der Böse würde sie sofort holen, wenn sie mich
Schwager oder Oheim genannt hätten, die Brüderschaft mußte Alles verblü-
mcn und meine eigene Schmiegermutter gab wol Achtung, daß ihr nicht das
Wort "Sohn" entfuhr, besonders, wenn etwa ein Fremder dabei war. Nie¬
mals aber waren sie lieber beisammen, als wenn ich in Breslau oder sonst
wo abwesend war, dann hatte die Schwägerschaft die beste Gelegenheit, sich
recht adlig auf meine Unkosten lustig zu machen, wozu ihnen ein guter Trunk
Wein, den ich in meinem Flaschenfutter von drei bis vier Töpfen für mich
und meine Frau Gemahlin hielt, so wohl anstand, daß ich es gänzlich geleert
fand, wenn ich nach Hause kam. Doch wäre auch das noch hingegangen,
wenn man mir nur nicht auch das Getreide vom Boden, ja selbst Kühe und
Kälber ohne mein Vorwissen genommen und der adligen Freundschaft zugesteckt
hätte. Wer aber vier Thaler einnimmt, und sechs wieder ausgeben muß.
hat nicht Ursache für einen Beutel zu sorgen. So konnte ich mir leicht die
Rechnung machen, daß ich in Kurzem ein so guter Krippenrciter wie meine
Nachbarn werden würde.

Da gefiel es Gott, mich durch den Tod meiner Liebsten, welche im Kinds-
bett starb, von dieser Gefahr zu erlösen. Auch bei diesem Ereigniß hatte ich
einen harten Sturm mit meiner verdrießlichen Frau Schwiegermutter auszu¬
stehen. Diese erfüllte mit ihrem Geschrei über der Tochter Ableben Himmel
und Erde und wollte alle Welt überreden, die gute Frau hätte sich zu Tode
gegrämt, weil sie nicht ihrem Stande gemäß verheirathet war, und sie, die
Schwiegermutter wäre Schuld an alle dem gewesen. Ich hörte eine Weile
ihre Narrheit mit an und ertrug sie in der Hoffnung, daß das Spiel einmal
ein Ende haben würde, bis sie endlich noch weiter herausbrach und allen
Schmuck, den ich gekauft, nebst der Kleidung und was die Tochter sonst unter
ihrem Verschluß gehabt, für ihre andern Töchter haben wollte unter dem Vor¬
wand der Niftelgerade. Ich warf ihr ein paar mitgebrachte Lappen vor die


und ihrer Mutter niemals reichlich und kostbar genug, immer wußten sie da¬
ran Mängel zu finden, und wollten Alles vollständiger haben.

Gleichwol überwand ich mich und würde keine Unkosten angesehen ha¬
ben, wenn ich damit nur den geringsten Dank verdient hätte, aber ich mußte,
was mich am allermeisten schmerzte, empfinden, daß mich weder mein Weib
noch ihre ganze Freundschaft im geringsten achteten. Besonders meine liebe
Schwiegermutter war ein grundböses, hoffärtiges, falsches Weib, und weil
insgemein die Blätter wie die Wurzel des Baumes sind, so nahm auch ihre
Tochter bald ihr Wesen an. Und weil ich ihr deswegen nicht mehr hold sein
konnte, bekam öfters mein Reitknecht freundlichere Blicke als ich. — Uebrigens
durfte ich gar nicht klagen, daß ihre Freundschaft nicht mehr mein Haus be¬
sucht hätte, als mir lieb war, sie half redlich aufzehren, was sie nur fand.
Sie hätten aber geglaubt, der Böse würde sie sofort holen, wenn sie mich
Schwager oder Oheim genannt hätten, die Brüderschaft mußte Alles verblü-
mcn und meine eigene Schmiegermutter gab wol Achtung, daß ihr nicht das
Wort „Sohn" entfuhr, besonders, wenn etwa ein Fremder dabei war. Nie¬
mals aber waren sie lieber beisammen, als wenn ich in Breslau oder sonst
wo abwesend war, dann hatte die Schwägerschaft die beste Gelegenheit, sich
recht adlig auf meine Unkosten lustig zu machen, wozu ihnen ein guter Trunk
Wein, den ich in meinem Flaschenfutter von drei bis vier Töpfen für mich
und meine Frau Gemahlin hielt, so wohl anstand, daß ich es gänzlich geleert
fand, wenn ich nach Hause kam. Doch wäre auch das noch hingegangen,
wenn man mir nur nicht auch das Getreide vom Boden, ja selbst Kühe und
Kälber ohne mein Vorwissen genommen und der adligen Freundschaft zugesteckt
hätte. Wer aber vier Thaler einnimmt, und sechs wieder ausgeben muß.
hat nicht Ursache für einen Beutel zu sorgen. So konnte ich mir leicht die
Rechnung machen, daß ich in Kurzem ein so guter Krippenrciter wie meine
Nachbarn werden würde.

Da gefiel es Gott, mich durch den Tod meiner Liebsten, welche im Kinds-
bett starb, von dieser Gefahr zu erlösen. Auch bei diesem Ereigniß hatte ich
einen harten Sturm mit meiner verdrießlichen Frau Schwiegermutter auszu¬
stehen. Diese erfüllte mit ihrem Geschrei über der Tochter Ableben Himmel
und Erde und wollte alle Welt überreden, die gute Frau hätte sich zu Tode
gegrämt, weil sie nicht ihrem Stande gemäß verheirathet war, und sie, die
Schwiegermutter wäre Schuld an alle dem gewesen. Ich hörte eine Weile
ihre Narrheit mit an und ertrug sie in der Hoffnung, daß das Spiel einmal
ein Ende haben würde, bis sie endlich noch weiter herausbrach und allen
Schmuck, den ich gekauft, nebst der Kleidung und was die Tochter sonst unter
ihrem Verschluß gehabt, für ihre andern Töchter haben wollte unter dem Vor¬
wand der Niftelgerade. Ich warf ihr ein paar mitgebrachte Lappen vor die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/32>, abgerufen am 24.07.2024.