Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.Rache wird er liederlich: das ist, wie gesagt, nicht fein; aber so hat doch Und dazu stehn jenen sinnlichen Schilderungen und frivolen Einfällen die [Beginn Spaltensatz] Will ich dich doch gerne meiden, Gib mir nur noch einen Kuß, Eh' ich sonst das letzte leiden Und den Ring zerbrechen muß... In den Wäldern will ich irren, Vor den Menschen will ich flieh", [Spaltenumbruch] Mit verwaisten Tauben girren, Mit verscheuchten Wilde ziehn, Bis der Gram mein Leben raube, Bis die Kräfte sich vcrschrein; Und da soll ein Grab von Laube Milder als dein Herze sein. (S 275) [Ende Spaltensatz] [Beginn Spaltensatz]
Was ich in Gedanken küsse, Macht mir Müh' und Leben süße Und vertreibt so Gram als Zeit; [Spaltenumbruch] Niemand soll es auch erfahren, Niemand will ichs offenbaren, Als der stummen Einsamkeit. (S. 249). [Ende Spaltensatz] Schon diese abgerissenen Laute zeigen, worin der Fortschritt Günthers Grenzboten III. 1360. 37
Rache wird er liederlich: das ist, wie gesagt, nicht fein; aber so hat doch Und dazu stehn jenen sinnlichen Schilderungen und frivolen Einfällen die [Beginn Spaltensatz] Will ich dich doch gerne meiden, Gib mir nur noch einen Kuß, Eh' ich sonst das letzte leiden Und den Ring zerbrechen muß... In den Wäldern will ich irren, Vor den Menschen will ich flieh», [Spaltenumbruch] Mit verwaisten Tauben girren, Mit verscheuchten Wilde ziehn, Bis der Gram mein Leben raube, Bis die Kräfte sich vcrschrein; Und da soll ein Grab von Laube Milder als dein Herze sein. (S 275) [Ende Spaltensatz] [Beginn Spaltensatz]
Was ich in Gedanken küsse, Macht mir Müh' und Leben süße Und vertreibt so Gram als Zeit; [Spaltenumbruch] Niemand soll es auch erfahren, Niemand will ichs offenbaren, Als der stummen Einsamkeit. (S. 249). [Ende Spaltensatz] Schon diese abgerissenen Laute zeigen, worin der Fortschritt Günthers Grenzboten III. 1360. 37
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Rache wird er liederlich: das ist, wie gesagt, nicht fein; aber so hat doch
schon in aufgeregter Stimmung der Eine und der Andere empfunden.
Und dazu stehn jenen sinnlichen Schilderungen und frivolen Einfällen die
zartesten Empfindungen gegenüber: das eine wie das andere ist Eingebung des
Moments; nur thut man unrecht, ausschließlich die eine Seite hervorzuheben.
Will ich dich doch gerne meiden,
Gib mir nur noch einen Kuß,
Eh' ich sonst das letzte leiden
Und den Ring zerbrechen muß...
In den Wäldern will ich irren,
Vor den Menschen will ich flieh»,
Mit verwaisten Tauben girren,
Mit verscheuchten Wilde ziehn,
Bis der Gram mein Leben raube,
Bis die Kräfte sich vcrschrein;
Und da soll ein Grab von Laube
Milder als dein Herze sein. (S 275)
Was ich in Gedanken küsse,
Macht mir Müh' und Leben süße
Und vertreibt so Gram als Zeit;
Niemand soll es auch erfahren,
Niemand will ichs offenbaren,
Als der stummen Einsamkeit. (S. 249).
Schon diese abgerissenen Laute zeigen, worin der Fortschritt Günthers
besteht: solche Innigkeit des Fühlens und solche Melodie des Tonfalls ist im
weltlichen Lied — vielleicht ein Paar Volkslieder ausgenommen, vor Goethe
noch nicht dagewesen. — Freilich findet man auch andere Klänge. — Die dem
Johannes Secundus (beiläufig mit großem Talent) nachgebildeten „Hochzeit¬
scherze" sind arg; indeß muß man die Zeit nicht vergessen, die in dergleichen
viel mehr ertrug, man muß sich daran erinnern, daß Hoffmannswaldau
noch vor Kurzem der beliebteste Dichter der seinen Welt war, und daß seine
Schüler den alten Ton fortsetzten. Naiv war diese Sinnlichkeit freilich nicht;
man wußte sehr gut, was Zote war: das sieht man u. a. aus den Ausgaben
Günthers, wo die heikelsten Worte punktirt sind. — Einzelne humoristische Ein.
fälle muß man nicht so genau nehmen. So hat es vielfach Anstoß erregt,
Grenzboten III. 1360. 37
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